Positiv und ahnungslos
8. August 2008Giedrius Likatavicius ist Aids-Experte beim Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, kurz ECDC, in Stockholm. Er hat festgestellt, dass die Anzahl der Neuinfektionen mit HIV in allen europäischen Regionen angestiegen ist. "Nach den neuesten Zahlen des europäischen Aids-Forschungsinstitutes", sagt er, "gab es 2006 in der EU mehr als 26.000 Fälle von Ansteckung."
Besorgnis über Osteuropa
Besonders besorgniserregend ist danach die Anzahl der HIV-Infizierten in Osteuropa: Anderthalb Millionen Menschen sind dort Träger des Virus oder auch schon an Aids erkrankt. Die meisten von ihnen sind Drogenabhängige, die sich durch Spritzen infiziert haben. Likatavicius weiß aus Erfahrung: "Auf diesem Weg wird der Aids-Virus sehr schnell übertragen, daher gibt es sehr hohe Ansteckungsquoten innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe."
In Westeuropa ist die Zahl der Neuinfektionen besonders rasch in Großbritannien angestiegen. Sie hat sich dort mehr als verdoppelt. Am höchsten ist die Ansteckungsrate in London: In der britischen Hauptstadt wurden mehr als 40 Prozent aller Neuinfektionen registriert. Die häufigste Übertragungsursache ist in Westeuropa ungeschützter heterosexueller Geschlechtsverkehr. Nach wie vor betrifft knapp ein Drittel der Neuinfektionen homosexuelle Männer.
Bessere Aufklärung
Die EU hat die Aidsbekämpfung schon seit Jahren zu einem ihrer Hauptanliegen im Gesundheitsbereich erklärt. Während einer hochrangigen Aidskonferenz in der lettischen Hauptstadt Vilnius haben sich im Jahr 2004 Gesundheitsminister, Aids-Experten, Vertreter der Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft zu gemeinsamen und europaweiten Maßnahmen gegen die Krankheit verpflichtet. Dabei geht es vor allem auch um eine bessere Aufklärung
Viele junge Menschen, sagt Likatavicius, wüssten gar nichts oder zu wenig über Aids und seine Ansteckungsmöglichkeiten. Hinzu komme, dass sich rund ein Drittel der in Europa Infizierten überhaupt nicht bewusst sei, positiv zu sein. Diese Gruppe trage überproportional zu einer Weiterverbreitung des Aids-Virus bei, sagt Likatavivius. Sein Zentrum in Stockholm habe sich mit einer Kampagne das Ziel gesetzt, gerade diese Zahl der Ahnungslosen zu verringern.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Europäische Union ist die beschleunigte Zulassung neuer Medikamente und Impfstoffe gegen Aids. Dazu hat die Kommission in Brüssel die europäische Wirtschaft und hier insbesondere die Pharmaindustrie zu mehr Zusammenarbeit aufgefordert.