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Nawalny zu weiterer Lagerhaft verurteilt

4. August 2023

Wegen angeblichem Extremismus wurde der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny zu insgesamt 19 Jahren Straflager verurteilt. Der Prozess wurde international als politische Inszenierung erachtet.

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Russland Oppositionsführer Nawalny
Nawalny während einer Anhörung im Straflager (Videostandbild vom Mai)Bild: EVGENIA NOVOZHENINA/REUTERS

Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist von einem russischen Gericht zu einer neuen Haftstrafe von insgesamt 19 Jahren Straflager verurteilt worden. Die Strafe gegen den 47-Jährigen erging in einem international als politische Inszenierung kritisierten Prozess in der Strafkolonie, in der er derzeit inhaftiert ist. Ihm war in dem Prozess vorgeworfen worden, eine "extremistische" Organisation gegründet und finanziert zu haben. Außerdem soll er zu extremistischen Aktivitäten aufgerufen und "Nazi-Ideologie wiederbelebt" haben.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch erklärte, dass mit dem Urteil die Gesamtlänge der Haftdauer gemeint sein sollte. Die neun Jahre Straflager, zu denen Nawalny bereits verurteilt wurde, mit eingerechnet seien. Es bleibe aber das schriftliche Urteil abzuwarten, fügte sie hinzu.

Erneut Haftstrafe gegen Alexej Nawalny

Nawalny gilt als politischer Gefangener. Der schärfste Gegner von Kremlchef Wladimir Putin nahm das Urteil im Stehen gelassen auf. Er hatte das Strafmaß erwartet. Im Vorfeld hatte er über seine Unterstützer verbreiten lassen, dass er mit einer "stalinistischen" Strafe rechne, die der "Einschüchterung" dienen solle. 

In seiner Schlusserklärung vor Gericht hatte der Oppositionspolitiker Russlands Einmarsch in der Ukraine mit "zehntausenden Toten" als "dümmsten und sinnlosesten Krieg des 21. Jahrhunderts" kritisiert.

Bereits wegen angeblichem Betrug in Haft

Der Prozess fand im Hochsicherheitsgefängnis des etwa 250 Kilometer südöstlich von Moskau gelegenen Straflagers IK-6 statt. Der Putin-Gegner verbüßt dort bereits seine neunjährige Strafe wegen angeblichen Betrugs.

Nawalny und seine Unterstützer haben in sozialen Netzwerken immer wieder Korruption und Machtmissbrauch von Putin und seinen Gefolgsleuten angeprangert. Nawalny hat die russische Führung wiederholt als "Schurken und Diebe" bezeichnet. Seine Unterstützer setzten ihre Arbeit auch nach seiner Inhaftierung fort. Im Juni hatte Nawalny aus der Haft heraus eine neue Kampagne gegen Putin angekündigt.

Der Oppositionspolitiker war im Januar 2021 nach seiner Rückkehr nach Russland festgenommen worden. Im August 2020 war er auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in das Krankenhaus Berliner Charité verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt. Die Regierung in Moskau hat Vorwürfe zurückgewiesen, russische Behörden hätten versucht, ihn zu töten.

Verleihung Marion-Dönhoff-Preis
Irina Scherbakowa, Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial: Das russische Regime hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun (Archivbild)Bild: Jonas Walzberg/picture alliance/dpa

Scharfe Kritik von Memorial

Das Urteil gegen Nawalny stieß umgehend auf scharfe Kritik. "Es hat wieder einmal bestätigt, um was für ein Regime es sich hier handelt", sagte Irina Scherbakowa, Mitgebründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, in einem Interview der Deutschen Welle. "Das Urteil ist erschreckend und zeigt das wahre Gesicht dieses Regimes, das nichts mit Gerechtigkeit oder Humanismus zu tun hat."

Es sei auch ein Signal an die Menschen in Russland, die Nawalny unterstützt hätten. Tausende Bürger seien auf die Straße gegangen und hätten Geld gespendet. Sie sollten nun Angst haben. "Aber Nawalny zeigt mit seinem Beispiel, dass es Menschen gibt, die keine Angst haben." 

Baerbock spricht von Willkürjustiz

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kritisierte die Verurteilung Nawalnys als "blankes Unrecht". "Putin fürchtet nichts mehr als Eintreten gegen Krieg und Korruption und für Demokratie - selbst aus der Gefängniszelle heraus. Er wird damit kritische Stimmen nicht zum Schweigen bringen", schrieb Baerbock im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter.

Rüge der EU

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte, dass das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Dies sei ein klarer Hinweis, dass das russische Justizsystem weiter gegen Nawalny instrumentalisiert werde. Nawalny sei "ein weiteres Beispiel für die anhaltende systematische Unterdrückung durch die russischen Behörden und deren Missachtung der Menschenrechte ihrer eigenen Bürger", so der EU-Chefdiplomat.

Borrell bekräftigte die Besorgnis der EU über Berichte, nach denen Nawalny immer wieder misshandelt werde. Die politische Führung Russlands sei für Nawalnys Sicherheit und Gesundheit verantwortlich und werde dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Vereinten Nationen forderten die "sofortige" Freilassung Nawalnys. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk sagte, die Staaten seien nach internationalen Menschenrechtsnormen verpflichtet, alle Rechte auf ein faires Verfahren und einen ordnungsgemäßen Prozess für alle Menschen zu respektieren, denen die Freiheit entzogen sei. "Ich fordere die russischen Behörden auf, diese Verpflichtungen zu respektieren, indem sie die Menschenrechtsverletzungen an Nawalny sofort einstellen und ihn freilassen." Das neue Urteil "gibt Anlass zu neuer Besorgnis über die Schikanierung durch die Justiz und die Instrumentalisierung des Gerichtssystems für politische Zwecke in Russland", erklärte Türk.

uh/qu (dpa, rtr, afp)