Angolas Angst vor Gelbfieber
17. April 2016Vor den Krankenhäusern in Angolas Hauptstadt Luanda bilden sich täglich lange Schlangen. Ins Kinderkrankenhaus David Bernardino im Zentrum der angolanischen Hauptstadt werden täglich 500 Kinder gebracht - mit Fieber, Schmerzen, Übelkeit oder Blutungen. Das können Anzeichen für Gelbfieber sein. Seit Monaten geht in Angola die Angst vor dieser Krankheit um.
Seit die Krankheit in dem westafrikanischen Land Ende des vergangenen Jahres ausbrach, wurden nach offiziellen Angaben circa 230 Todesfälle registriert. Im selben Zeitraum gab es offiziell an die 1700 Verdachtsfälle und tatsächliche Fälle von Gelbfieber.
Die Regierung betont immer wieder, dass sie alle notwendigen Maßnahmen treffe. Ihren Angaben zufolge wurden allein in der Provinz Luanda bereits 88 Prozent der Bevölkerung mit einem Gelbfieber-Impfstoff immunisiert.
Gelbfieber aus Angola in Kenia und im Kongo?
Doch damit scheint das Problem nicht unter Kontrolle. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: Die Epidemie könnte auf andere Länder Afrikas übergreifen, vor allem auf Angolas Nachbarländer. Seit März seien zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo über 150 Gelbfieber-Verdachtsfälle bekanntgeworden. Mindestens 21 Menschen seien dort bereits an Gelbfieber gestorben. Die WHO sieht einen Zusammenhang mit der Epidemie in Angola: Viele der Infizierten im Kongo seien nachweislich in Angola gewesen.
Auch im weiter entfernten Kenia soll die gefährliche Infektionskrankheit laut WHO bereits aufgetreten sein. Mindestens ein Todesopfer soll sich in Angola aufgehalten haben.
Wer an den internationalen Flughäfen in Angola ankommt, muss schon seit langem eine Gelbfieberimpfung nachweisen. Ausreisende Angolaner werden aber nicht kontrolliert. Gleiches gilt für die Landgrenzen zu den Nachbarländern Angolas: Auch hier gibt es keine effektiven Kontrollen.
Anstehen für den Impfstoff ab fünf Uhr morgens
Gelbfieber ist derzeit eines der größten Probleme des Landes: Immer wieder berichten DW-Korrespondenten über die "katastrophalen Verhältnisse" in den Krankenhäusern. Im Gegensatz zu den offiziellen Verlautbarungen verliefen die Impfkampagnen chaotisch; es stehe bei weitem nicht genügend Impfstoff zur Verfügung. Und: Es blühe ein Schwarzmarkt mit dem Impfstoff. Die Leidtragenden seien vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten, berichten die Journalisten vor Ort.
Ohne Geld oder Beziehungen komme man einfach nicht an den Impfstoff heran, erzählt Marinela, eine Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie habe sich bereits um fünf Uhr morgens in die Schlange an der Impfstelle im Kinderkrankenhaus David Bernardino eingereiht - die einzige im ganzen Umkreis. "Sie sollten den Impfstoff an unterschiedlichen Orten zur Verfügung stellen, zum Beispiel in Schulen oder in Kirchen", fordert sie.
Der Schwarzmarkt blüht auf
Diejenigen, die es sich leisten können, umgehen die langen Warteschlangen und besorgen sich den eigentlich kostenlosen Impfstoff für teures Geld auf dem Schwarzmarkt. In den vergangenen Monaten habe sich eine Art "Impfstoff-Mafia" gebildet. Die versuche, die ohnehin knappen Medikamente noch zusätzlich zu verknappen, sagte der angolanische Innenminister Ângelo da Veiga Tavares kürzlich auf einer Pressekonferenz. Der Impfstoff werde systematisch geklaut, umgeleitet und teuer an die Meistbietenden verkauft. Ganz oft seien Krankenpfleger oder Ärzte selbst am illegalen Impfstoffhandel beteiligt: "Wir haben einige dieser Kriminellen festgenommen. Sie führten informelle Impfaktionen durch und kassierten in einigen Fällen sehr hohe Summen", so der Innenminister.
Rosa Bessa, verantwortlich für den Gesundheitssektor in der Provinz Luanda, appelliert öffentlich an alle Bürger: "Niemand sollte Geld für die Impfung ausgeben." Bessa bittet die Bevölkerung um Geduld und verspricht, dass der Impfstoff bald in ausreichender Menge zur Verfügung stehen werde.
Große Mängel in Angolas Gesundheitssektor
Doch die meisten Angolaner sind mit ihrer Geduld am Ende. Alcides Sakala, Sprecher der UNITA, der größten Oppositionspartei Angolas, zeichnet im Interview mit der DW ein düsteres Bild der Gesundheitssituation in Angola: Die Regierung habe das Gelbfieber-Problem nicht im Griff. Die Lage sei viel ernster als offiziell dargestellt: "Die Zahlen, die die Regierung nennt, sind falsch und wir halten es für unsere Pflicht, Zahlen zu veröffentlichen, die annähernd der Realität entsprechen", so Sakala. Im März seien ungewöhnlich viele Menschen im Großraum Luanda gestorben - allein in den öffentlichen Krankenhäusern dort 4570. Die Leichenhallen der Stadt seien völlig überfüllt, es herrschten katastrophale hygienische Zustände. Das liege vor allem an dem schlechten Management der Regierung, sagt Sakala. "Was wir derzeit erleben, ist der totale Zusammenbruch des nationalen Gesundheitssystems in Angola."
"Mehr ist nicht zu erwarten"
Die Bevölkerung Angolas gilt seit Langem als medizinisch völlig unterversorgt. Im laufenden Jahr will die Regierung laut Haushaltsplan 2,3 Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung ausgeben - etwas über fünf Prozent der Staatsausgaben. Dabei hatte sich Angola im Zuge internationaler Abkommen verpflichtet, mindestens 15 Prozent der Staatsausgaben für den Gesundheitssektor aufzuwenden. Unrealistisch, sagt der angolanische Wirtschaftswissenschafter Carlos Rosado im Gespräch mit der DW: "Angesichts der schweren Finanzkrise in Angola, die mit dem Verfall des Erdölpreises einhergeht, können wir froh sein, wenn der Gesundheitsetat auf dem Stand des laufenden Jahres bleibt. Mehr ist nicht zu erwarten."
Zurzeit kursiert in Angola ein Aufruf mehrerer zivilgesellschaftlicher Gruppierungen. Sie verlangen einen nationalen Notfallplan zur Eindämmung der Gelbfieberepidemie und des damit einhergehenden Notstands in den Krankenhäusern des Landes. Außerdem wollen sie, dass die Behörden den Müll und die vielen Abflüsse unter freiem Himmel beseitigen. Dieser Unrat trage maßgeblich zur Vermehrung der Moskitos bei, die für die Übertragung der Viren verantwortlich sind.
Mitarbeit: Borralho Ndomba