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"Anrufen kann ich ja nicht" - Hörgeschädigte und die Polizei

Birgit Adolf21. Juni 2006

Es funktioniert fast wie ein Reflex: Wer in Not gerät, ruft die Polizei an oder schreit - im schlimmsten Fall - laut um Hilfe. Was aber machen hörgeschädigte Menschen, die nur schwer mit der Welt kommunizieren können?

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Ein Anfruf bei der Polizei ist für Gehörlose unmöglichBild: AP

Oft genug hören diese Menschen nämlich nicht nur schlecht, sie haben deswegen auch nie richtig sprechen gelernt. Diese Behinderung ist nicht nur ein Hindernis für die Betroffenen selbst, auch die Helfer wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. Bei der Kölner Polizei gibt es deshalb seit sechs Jahren eine Ansprechpartnerin für Menschen mit Hörbehinderungen.

Zwei Männer unterhalten sich in Gebärdensprache Taubstumm, Stumm, taub, gehörlos, Zeichensprache
Zwei Männer unterhalten sich in GebärdenspracheBild: AP

In Deutschland gibt es schätzungsweise 14 Millionen Menschen, deren Hörvermögen eingeschränkt ist. Etwa 100.000 von ihnen sind vollkommen taub. Wer nur eingeschränkt oder gar nicht hören kann, der kann in der Regel auch nicht normal sprechen, lesen und schreiben. Ingrid König ist da eine Ausnahme. Die 38-jährige diplomierte Sozialpädagogin ist erst im Alter von 19 Jahren ertaubt und sich hat daher eine für Hörgeschädigte ungewöhnlich gute Sprachfähigkeit bewahrt. In Notfällen fühlte sie sich lange Zeit trotzdem hilflos.

Schneller und unkomplizierter Rat

"Eine Situation habe ich mal gehabt, dass ich abends mit dem Auto gefahren bin und mir lief plötzlich ein Mann blutüberströmt entgegen und wollte unbedingt mein Auto", schildert König die Situation. "Ich bin weiter gefahren." Damals wusste sie nicht, wie sie sich verhalten muss. Und sie wusste auch nicht, wie sie die Polizei erreichen konnte. "Und das war für mich schon eine Barriere. Denn anrufen konnte ich nicht."

Bei der Polizei in Köln ist man seit einigen Jahren bemüht, auch Hörgeschädigten schnell und unkompliziert Rat und Hilfe anbieten zu können. So gibt es seit 1998 ein Notruffax, über das Gehörlose sich in Notfällen an die Polizei wenden können. In Vorträgen, durch Broschüren und per Internet zeigt man Hörgeschädigten, wie sie sich vor Gewalt schützen und was sie in Notfällen tun können.

Unsicherheit im Umgang

Die Person, die maßgeblich hinter diesen Aktionen steht, ist Cordula Clausen. Die 32-jährige Polizeihauptmeisterin ist seit dem Jahr 2000 Ansprechpartnerin für Menschen mit Hörbehinderung. Was sie so besonders macht, ist die Tatsache, dass sie die Gebärdensprache selbst beherrscht. "Seit ich hier diese Arbeit mache, erfahre ich immer wieder von Gehörlosen, wie dankbar sie sind, dass sie endlich direkt ohne Dolmetscher etwas fragen können oder eine Anzeige erstatten können", freut sich Clausen. "Und das spricht sich soweit herum, dass teilweise Gehörlose von über 200 Kilometer Entfernung hierher kommen."

Es gibt keine Statistiken über Straftaten mit hörgeschädigten Opfern oder die Zahl der Anzeigen durch Gehörlose. Doch Cordula Clausen ist sich sicher: "Wenn in jeder Behörde die Barrierefreiheit da wäre, dass ein Dolmetscher gewährt wird oder dass es Polizeibeamte gibt, die der deutschen Gebärdensprache kundig sind, dann würden auch viel mehr Sachen aufgedeckt werden." Der spezifische Umgang mit Behinderten ist kein Bestandteil der polizeilichen Ausbildung. Daher machen Hörgeschädigte auch oft die Erfahrung, dass Polizisten nicht wissen, wie sie mit hörbehinderten Menschen umgehen sollen.

Kommt ein Dolmetscher?

So weiß Ingrid König von Hörgeschädigten, die in einen Unfall verwickelt waren, dass die Polizisten dann immer auf den hörenden Verkehrsteilnehmer zugegangen. "Zum Gehörlosen haben sie gesagt: 'Moment, Moment, Moment'. Das waren schon für die Betreffenden sehr negative Erfahrungen, weil sie nicht wussten: Werde ich beachtet? Was passiert? Kommt Hilfe? Kommt ein Dolmetscher? Keiner wusste Bescheid."

Durch den Einsatz und die Initiative von Cordula Clausen hat sich die Situation für Hörgeschädigte in Köln spürbar gebessert. Auch Ingrid König fühlt sich heute sicherer und besser vorbereitet auf Notsituationen: "Ich weiß, das Polizeipräsidium ist offener und zugänglich, da kann ich hin. Ich weiß, es gibt ein Notruffax, das kann ich verwenden. Wenn in einer Straßenbahn was passiert, darf ich die Notruftaste drücken, da passiert mir nichts, das ist o.k., das weiß ich heute."