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Atallah: "Keine neue Krise"

Audrey Parmentier9. Juni 2015

Die demokratische Wahl vor 16 Monaten beendete die politische Krise auf Madagaskar. Doch das Parlament will den Präsidenten wieder absetzen. Im DW-Interview versucht Außenministerin Béatrice Atallah zu beschwichtigen.

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Das Verfassungsgericht in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo Foto: Peter Hille
Das Verfassungsgericht in Madagaskars Hauptstadt AntananarivoBild: DW/P. Hille

DW: Frau Atallah, Sie sind Rednerin bei der am 09.06.2015 in Berlin stattfindenden internationalen Konferenz "The Indian Ocean - A Maritime Region on the Rise", die vom Auswärtigen Amt, der Robert Bosch Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert wird. Rund 40 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft aus der Region des Indischen Ozeans, USA und Europa diskutieren dort über Themen wie maritime Sicherheit und neue Handelswege. Was ist die Bedeutung Madagaskars in dieser "wachsenden Region des Indischen Ozeans"? Was wollen Sie bei der Konferenz erreichen?

Wir sind mit der Organisation dieser Konferenz sehr zufrieden, denn es findet ein Austausch über Themen statt, die für unser Land, für unsere Region, ja für die ganze Welt sehr wichtig sind. Diese internationale Konferenz über den Indischen Ozean findet in Deutschland statt. Unsere Beziehung zu Deutschland ist historisch gewachsen und sehr eng. Wir kommen sehr gerne zu Besuch. Was das Programm der Konferenz angeht, so finde ich es gut, dass wir nicht nur über die Sicherheitsprobleme in der Region sprechen. Das sind sehr wichtige Probleme, das wissen wir alle. Aber wir sollten uns auch die Zeit nehmen, über die Chancen dieser Region zu reden.

Beatrice Atallah Foto: imago/Xinhua
Madagaskars Außenministerin Béatrice AtallahBild: imago/Xinhua

Wir haben bereits Vertreter von privaten deutschen Unternehmen getroffen und wir haben ihnen gesagt: Sie können nach Madagaskar kommen und dort investieren. Wir haben alles! Wir sind unter anderem deshalb hier, um die Beziehungen zu der madagassischen Regierung zu ermöglichen, um den Kontakt zu vermitteln.

Sie sprechen von einer engen, historischen Beziehung zwischen Madagaskar und Deutschland. Allerdings herrschte von 2009 bis 2014 Funkstille: Ein Putsch hatte Madagaskar in eine tiefe politische Krise gestürzt, westliche Regierungen stellten ihre Hilfszahlungen ein, ausländische Investoren kehrten der Insel den Rücken.

Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Madagaskar existieren seit dem 6. Mai 1883, als in Berlin ein Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem Reich von Madagaskar und dem deutschen Kaiserreich unterschrieben wurde. Das ist bereits 132 Jahre her! Die diplomatischen Beziehungen haben allerdings erst 1960 angefangen. Es gab einen regen Austausch: Der Präsident Deutschlands hat Madagaskar besucht und umgekehrt. Dann stürzte Madagaskar in eine fünfjährige Krise. Aber heute hat das Land einen demokratisch gewählten Präsidenten, der sich dafür engagiert, die Korruption zu bekämpfen, den Rechtsstaat wieder aufzubauen und die Umwelt zu schützen.

Die Wahl von Präsident Hery Rajaonarimampianina im Oktober 2013 hat das Ende der politischen Krise markiert. Vor wenigen Tagen hat das madagassische Parlament jedoch für seine Absetzung gestimmt. Es wirft dem Staatschef wiederholte Verletzungen der Verfassung vor. Wie erklären Sie sich das?

Unsere Demokratie ist noch jung, sehr jung sogar. Aber ich weigere mich, zu sagen, dass das, was heute passiert, einer neuen Krise entspricht. Das sind eher Destabilisierungsversuche, die zu Spannungen führen. Es gibt aber Gespräche. Wir haben bereits alle Beteiligten darum gebeten, zu handeln, damit die Bemühungen des madagassischen Volkes nicht zerstört werden. Ich freue mich, dass unsere Freunde uns dabei unterstützen: Die Internationale Gemeinschaft hat ebenfalls an die madagassische Politik appelliert.

Mit der Vorbereitung der Post-2015- Agenda erlebt Afrika gerade eine Wende: Wir denken nicht mehr nur an das Millennium-Entwicklungsziel, sondern an nachhaltige Entwicklung. Madagaskar darf da nicht den Anschluss verpassen! Ich denke, dass sich alle Politiker dessen bewusst sind. Der Präsident hat sich für die nationale Versöhnung engagiert. Ich vertraue auf die Weisheit der madagassischen Politiker.

Hery Rajaonarimampianina Foto: Peter Hille
Bleibt Hery Rajaonarimampianina Präsident?Bild: DW/P. Hille

In einer Fernsehansprache hat Präsident Rajaonarimampianina betont, er sei "noch immer da". Er hat beim Verfassungsgericht die Widerrufung Parlamentsabstimmung über seine Absetzung beantragt. Nun soll das Gericht entscheiden, ob der Staatschef bleiben kann. Wie wird sich die Situation Ihrer Meinung nach entwickeln?

Die Abgeordneten haben gegen den Präsident Anklage erhoben. Das ist ihr verfassungsgemäßes Recht. Der Präsident hat seine Klageerwiderung beim Verfassungsgericht eingereicht. Und das Parlament will darauf mit einer Klage antworten, was sein Recht ist. Bevor wir Madagaskar verlassen haben, um hierher zu kommen, haben wir erfahren, dass das Verfassungsgericht in wenigen Tagen eine Entscheidung treffen wird. Ich überlasse das der Weisheit des Verfassungsgerichts. Ich bin selber Richterin und will als Richterin keine Prognosen machen.

Béatrice Atallah ist seit dem 25.01.2015 madagassische Außenministerin. Sie ist zudem Ratsvorsitzende der Kommission des Indischen Ozeans, ein Bündnis einiger ostafrikanischer Anrainerstaaten des Indischen Ozeans zum Zweck politischer und wirtschaftlicher Kooperation.

Madagaskar ist mit fast 1600 km Nord-Süd-Ausdehnung die viertgrößte Insel der Welt. Rund die Hälfte der 22 Millionen Bewohner lebt von weniger als einem US-Dollar am Tag. Seit einem Putsch im Jahr 2009 leidet das im Indischen Ozean gelegene Land an politischer Instabilität. Erst im Januar war Ministerpräsident Roger Kolo mit seinem gesamten Kabinett zurückgetreten. Ihm wurde vorgeworfen, keine Lösung für die ständigen Stromausfälle gefunden zu haben. Der Präsident ernannte daraufhin einen Luftwaffengeneral zum Regierungschef.

Das Interview führte Audrey Parmentier.