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Backen für das Unesco-Siegel

Jennifer Fraczek24. Februar 2014

Die deutschen Bäcker nehmen für sich in Anspruch, eine besonders reiche Brotkultur zu haben. Nun wollen sie sich ihr Brot als Kulturerbe schützen lassen. Doch der Weg bis zum OK der UN-Kulturorganisation ist weit.

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Ein Brotlaib (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Grecaud Paul

Die Deutschen bilden sich schon etwas ein auf ihr Brot - vor allem, wenn sie im Ausland sind. Das Meckern über südeuropäisches Weißbrot hat fast so viel Tradition wie das deutsche Bäckerhandwerk. Trotzdem: Wieder zu Hause, führt der Weg beim Brotkauf häufig nicht zur Traditionsbäckerei, sondern zum Discount-Bäcker und in den Supermarkt. Diese haben die Bäckereien mit ihren billigen Angeboten in Bedrängnis gebracht. Jahr für Jahr müssen zwischen 300 und 500 Bäckereien schließen.

In ihrem Ringen mit der Billig-Konkurrenz haben sich die Bäcker überlegt, wie sie ihr Produkt aufwerten können. Sie wollen es als Kulturerbe schützen lassen. Genauer gesagt: die Brot-Vielfalt. "Kein Land der Welt hat eine derart große Brotvielfalt wie Deutschland", sagt der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, Peter Becker, im DW-Gespräch.

Fastnachtsumzüge und Tango schon beschützt

Der Titel "immaterielles Kulturerbe" wird von der Unesco vergeben. Die Kategorie wurde 2003 - zusätzlich zum (materiellen) Weltkulturerbe - eingeführt. Initiatoren waren einige Länder Asiens und Afrikas, die ihre Kultur im Bestand des materiellen Erbes nicht ausreichend vertreten sahen, wie der stellvertretende Generalsekretär der Deutschen Unesco-Kommission, Dieter Offenhäußer, erklärt.

Die immateriellen Güter sind etwa Tänze, Bräuche und Handwerk. Sie stehen für den lebendigen Teil der Kultur und ihr Schutz soll dafür sorgen, dass traditionelles Wissen nicht ausstirbt. Die Kulturgüter werden auf drei Listen geführt, die wichtigste ist die "repräsentative Liste". 281 Einträge hat sie derzeit, unter anderem beinhaltet sie den argentinischen Tango, das "Schemenlaufen" in Tirol und die Pfeifsprache "el Silbo", die auf der spanischen Insel La Gomera gesprochen wird.

Menschen in Kostümen bei dem Fastnachtsbrauch " Schemenlaufen" in Imst in Österreich (Foto: Melitta Abber/UNESCO)
Ist bereits Unesco-geschützt: das "Schemenlaufen" im österreichischen ImstBild: Melitta Abber/UNESCO

Brot konkurriert mit Bier und "Heilen mit Bakterien"

Deutschland trat dem Abkommen zum Erhalt immaterieller Kulturgüter 2013 bei. Gemeinschaften, Gruppen und auch Einzelpersonen waren aufgerufen, bis Ende November ihre Vorschläge einzureichen - 128 waren es am Ende. Geschützt werden sollten demnach, neben dem Brot, unter anderem die mikrobiologische Therapie "Heilen mit Bakterien" und die mündliche Erzähltradition Graweredersch aus dem Bundesland Thüringen. Ein starker Konkurrent düfte der Deutsche Brauer-Bund sein, der das Reinheitsgebot für Bier gerne auf der Liste wiederfände.

Jedes Bundesland kann nun bis April ein bis zwei Vorschläge aus den 128 auswählen. Die Kultusministerkonferenz und ein Expertenkomitee der Deutschen Unesco-Kommission stellen die Liste dann endgültig zusammen. Einschließlich der länderübergreifenden Vorschläge wird sie zwischen 30 und 50 Kulturgüter enthalten, die sich nach und nach um die Aufnahme in die repräsentative Liste bewerben werden. Der erste deutsche Eintrag wird dort frühestens 2016 zu finden sein.

3000 unterschiedliche Brot-Rezepte

Zu den Erfolgsaussichten der Bäcker sagt Unesco-Sprecher Offenhäuser: "Dass das deutsche Brot hervorragend ist und auch im Ausland eine extreme Reputation hat, kann man schon daran sehen, dass gute Bäckereien weltweit 'German Bakerys' heißen." Die Frage sei aber, inwieweit das Bäckerhandwerk unter einer Vielzahl von anderen Handwerkstechniken, Traditionen und Bräuchen in Deutschland dasjenige sei, das die Experten als repräsentativ für das deutsche, immaterielle Kulturerbe sehen.

Dieter Offenhäußer von der Deutschen Unesco-Kommission (Foto: Unesco)
Dieter Offenhäußer: Repräsentiert das Brot die deutsche Kultur?Bild: UNESCO

Peter Becker, der Präsident des Bäckerverbandes, ist davon überzeugt, dass es das ist. Das Brot habe die Kultur in Deutschland maßgeblich geprägt. Die relativ einfache Herstellung und ganzjährige Verfügbarkeit hätten mit dazu geführt, dass die Menschen sesshaft geworden seien und Städte gegründet hätten. Dass es so viele verschiedene Brotsorten gebe, liege an den klimatischen Bedingungen. Hierzulande könnten alle Getreidesorten angebaut werden.

Die Vielfalt lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. "Wir haben unsere Betriebe gebeten, Rezepturen einzureichen", sagt Peter Becker. Bislang seien mehr als 3000 "signifikant unterschiedliche" Rezepturen registriert worden. Sie heißen "5er Pfundskerl", "Holzofenkruste" oder auch "Korntaler Brotsinfonie".

Was bringt das Unesco-Label?

Die Zahl der immateriellen Kulturgüter ist schneller gewachsen als die der Welterbestätten, von denen es - inklusive der Naturerbestätten - inzwischen fast 1000 gibt. Mit dem Vorwurf, die Vergabe der Titel sei inflationär, ist die Unesco immer wieder konfrontiert. Beim immateriellen Kulturerbe werde es auch in Zukunft wichtig sein, sagt Dieter Offenhäußer, dass die Auswahl nicht nur für Wissenschaftler interessant und nachvollziehbar sei, sondern auch für eine breite Öffentlichkeit.

Die Wasserspiele unterhalb des Herkules im Bergpark Wilhelmshoehe in Kassel (Foto: dpa)
Der Kasseler Bergpark wurde 2013 Welterbe und verzeichnete danach stark steigende BesucherzahlenBild: picture-alliance/dpa

Inwieweit sich das Kulturerbe-Siegel für die Bäcker auszahlen könnte, ist schwer abzuschätzen. Peter Becker glaubt, dass der Titel den Stolz der Bäcker auf ihr Handwerk fördern würde. Und auch, dass dadurch der eine oder andere Kunde mehr in eine Bäckerei käme. Auf der ganzen Welt sei Deutschland für seine Brotkultur bekannt, sagt Becker. "Wir sind dabei, möglicherweise etwas aufzugeben, worum uns viele andere beneiden."