"Kroatiens Präsident gefährdet den Frieden"
11. Mai 2022DW: Herr Brand, mit dem Krieg in der Ukraine rückt auch Bosnien und Herzegowina wieder stärker ins Rampenlicht der deutschen Außenpolitik. Serbische und bosnisch-kroatische Nationalisten und "Putinversteher" wie Milorad Dodik und Dragan Covic schmieden eine Allianz und bedrohen den Frieden in dem Balkanstaat, haben Sie neulich in einem Interview mit der Berliner Tageszeitung "taz" gesagt. Sie haben in diesem Zusammenhang auch Kroatiens Präsidenten Zoran Milanovic kritisiert, den Sie als extremistischen Ultranationalisten bezeichnen. Was genau macht ihn dazu?
Michael Brand: Kroatien ist ein befreundetes Land, dessen derzeit amtierender Präsident ein Ultranationalist ist, weil er sich in vielen politischen Fragen in der Westbalkan-Region mit anderen Ultranationalisten gemein macht, die wie er zur Destabilisierung und zur Gefährdung des Friedens in Südosteuropa beitragen. Und es ist an der Zeit, dass wir dieses Spiel mit dem Feuer als das benennen, was es ist.
Als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, die einen substantiellen Anteil daran hat, dass Kroatien als Staat existiert, bin ich nicht länger bereit, solche gefährlichen Protagonisten, die dem Frieden in auch meinem Kontinent Europa gefährden, widerspruchslos zündeln zu lassen. Herr Milanovic war schon als Ministerpräsident negativ aufgefallen und hatte damals erreicht, dass sich die deutsch-kroatischen Beziehungen und auch die Beziehungen Kroatiens gegenüber der EU extrem negativ entwickelten.
Wie bekannt hatte sich die damalige Bundeskanzlerin Merkel wegen seiner Verstöße gegen die europäische Rechtsordnung energisch für die Aufrechterhaltung europäischer Grundsätze und gegen die Regierung Milanovic einsetzen müssen.
Kroatiens Präsident hat vor kurzem erklärt, sein Land solle ein Veto gegen eine Einladung Finnlands und Schwedens in die NATO einlegen. Er macht eine mögliche Erweiterung der NATO von der Wahlreform in Bosnien abhängig. Kroatien ist immerhin EU- und NATO-Mitglied. Die von der konservativen Partei Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) geführte Regierung in der kroatischen Hauptstadt Zagreb unterstützt im Gegensatz zu Milanovic die skandinavischen Länder, setzt sich aber ebenfalls mit Nachdruck für eine Wahlreform in Bosnien ein, um die Position der bosnisch-herzegowinischen Kroaten bei den anstehenden Föderationswahlen, wo die Bosniaken eine Mehrheit stellen, zu stärken. Der Chef der HDZ in Bosnien, Dragan Covic hat sich dabei mit dem bosnisch-serbischen Politiker Milorad Dodik verbündet, der nicht nur in Deutschland oft als Separatist bezeichnet wird. Wie bewertet man in Berlin die Bosnien-Politik Kroatiens? Ist Kroatien noch ein zuverlässiger Partner?
Wenn Herr Milanovic sich nicht zivilisiert verhalten kann und häufig vor allem eher durch Drohungen und radikale Sprüche als durch souveräne kroatische und europäische Politik auffällt, dann spricht das zwar gegen ihn persönlich, aber nicht gegen Kroatien als einen der wichtigen Partner Deutschlands in der Region.
Allerdings ist auch die Politik Kroatiens gegenüber Bosnien leider derzeit davon geprägt, dass man dem berechtigten Anliegen aller Bürger Bosniens auf entsprechende Repräsentation im demokratischen Prozess durch zu viel Kompromissbereitschaft und teils aktive Unterstützung von radikalen, nationalistischen Kräften in Bosnien messbaren Schaden zufügt.
In Deutschland und bei anderen in der EU steigt die Verwunderung und auch die Verärgerung darüber, dass eine als moderat und europäisch geltende kroatische Regierung sich in Bosnien ganz offenbar in einem Bündnis mit Ultranationalisten wiederfindet.
Der serbische Ultranationalismus hat den Balkan in vier fürchterliche Kriege gestürzt, wie man in Kroatien aus erfahrenem eigenem Leid gut weiß. An einem dieser Kriege allerdings hat sich die damalige kroatische Führung unter Präsident Franjo Tudjman beteiligt, um das Nachbarland Bosnien und Herzegowina aufzuteilen.
Solche ultranationalistischen und im Kern den Frieden und die Stabilität in Südosteuropa gefährdenden Haltungen finden sich leider in Teilbereichen der kroatischen Politik noch immer, wie zum Beispiel beim Staatsoberhaupt - aber nicht nur dort. Eine solche Haltung trifft, insbesondere nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, auf eine völlig veränderte Lage - und auf völliges Unverständnis in Deutschland und Europa.
Man kann die politischen Kräfte in Kroatien nur dazu einladen, sich völlig unmissverständlich an die Seite der moderaten zivilisierten Kräfte in Bosnien und in Europa - und im Übrigen auch der USA - zu stellen. Mit einer solchen Haltung sind berechtigte Anliegen kroatischer und anderer Bosnier viel effektiver und gesicherter zu stärken als in einer unheiligen Allianz mit serbischen Extremisten eine Stärkung der kroatischen Bosnier zu suchen, was nur zur Schwächung des kroatischen Faktors dort und zur Gefährdung des Friedens führen wird.
Ihre Kritik kam in Zagreb nicht gut an. Der kroatische Präsident hat offenbar sehr aufmerksam Ihre aktuellen Statements gelesen. Er ist, milde gesagt, mit der Qualifikation als extremistischer Ultranationalist überhaupt nicht einverstanden. Diejenigen, die ihn so nennen würden, beleidigte er öffentlich als Deppen und sogar als Söldner. In diesem Zusammenhang fiel auch Ihr Name. Überraschen Sie diese Töne?
Jeder gibt das, was er hat. Herr Milanovic hat vielfach gezeigt, was er hat und wie er tickt. Die Liste der von ihm beleidigten Persönlichkeiten ist so lang, dass er sie wahrscheinlich selbst nicht mehr im Kopf hat. An diesem schmutzigen Wettbewerb werde ich mich jedenfalls nicht beteiligen.
Für Kroatien allerdings bedeutet ein solches Staatsoberhaupt international keinen Nutzen, sondern eher einen großen Schaden. Wir in Deutschland und Europa können nur darauf hoffen, dass die anderen Spitzen der stolzen Republik Kroatien sich darüber im Klaren sind und den Schaden begrenzen können.
Michael Brand (48) ist ein deutscher Politiker (CDU) und seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er studierte 1997/98 in Sarajevo und gilt als ausgewiesener Balkanexperte im Bundestag.