Banken unter Aufsicht
24. März 2013Seit drei Jahren lässt sich die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main ein neues Zuhause bauen. Zwei imposante Türme ragen bereits in den Himmel. Aus ihnen wird man einen guten Ausblick auch auf das in einiger Entfernung liegende Bankenviertel haben. Das passt, denn schließlich sollen die Zentralbanker vom kommenden Jahr an die Aufsicht über die großen Banken der Euro-Zone haben. Alle Geldhäuser, deren Bilanzsumme 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent der Wirtschaftskraft ihres Heimatlandes übersteigt, sollen kontrolliert werden.
Allein in Deutschland betrifft das nach Schätzungen etwa 25 Banken. Kann das überhaupt funktionieren und wenn ja, wie? "Es muss eine effektive Aufsicht sein", sagt EZB-Direktor Jörg Asmussen. "Es darf nicht nur sein, dass wir ein Schild 'Aufsicht' bei uns am Euro-Tower anklemmen." Es müsse eine Aufsicht sein, die stark und effizient sei, eine klare europäische Perspektive habe, "die aber gleichzeitig das Know-how der europäischen Aufseher vor Ort nutzt."
Machtfaktor EZB
Ein Viertel der Aufseher soll von der EZB kommen, der Rest von den nationalen Aufsichts- und Kontrollbehörden. Sie sind es auch, die Bilanzen prüfen, Banken durchsuchen lassen, Geldbußen verhängen und im Zweifel auch die Lizenz entziehen. Effektiv, das macht die Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Sabine Lautenschläger klar, geht das nur im europäischen Zusammenspiel. "Gemischte Aufsichtsteams, bestehend aus Mitarbeitern der EZB und Mitarbeitern der nationalen Aufsichtsbehörden sind dabei der Dreh- und Angelpunkt." Das werde die Aufsicht auf ein neues Niveau bringen. "Also hätte ich beispielsweise die Deutsche Bank als EZB zu beaufsichtigen, dann müsste ich neben einigen deutschen Aufsehern auch einen Italiener und einen Spanier im Team haben, denn die deutsche Bank hat wesentliche Einheiten auch in Italien und Spanien."
Doch müssen ausgerechnet die Währungshüter der Europäischen Zentralbank mit der Aufsicht beauftragt werden? Eigentlich besteht die Aufgabe der EZB darin, für die Geldwertstabilität zu sorgen. Jetzt soll sie auch darüber entscheiden, ob eine Bank gerettet werden kann oder nicht, ob sie abgewickelt werden soll oder nicht und wenn ja, von wem. Und wer kontrolliert die Kontrolleure?
Die EZB und der Papst
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider hat diesbezüglich große Bedenken. "Also der Papst hat ja noch den lieben Gott über sich, aber bei der EZB muss ich mich angesichts der Ausweitung der Befugnisse schon fragen, ob es noch jemanden gibt, der da drüber sitzt." Es gebe doch schon einen Wechsel weg von den Parlamenten hin zu einem Machtzuwachs in Frankfurt am Main, so Schneider. "Wenn bezahlt werden muss, dann ist der Steuerzahler gefragt und ich muss darüber als Abgeordneter dem Wähler gegenüber Rechenschaft ablegen. Das finden die Bürger nicht lustig und ich auch nicht."
Schneider reicht es nicht aus, dass die nationalen Parlamente ein Informationsrecht erhalten und beispielsweise Aufseher einladen können. Das Europaparlament wird darüber hinaus Untersuchungen durchführen können und darf bei der Ernennung des Chefs und des Vizechefs der EZB-Aufsicht mitreden.
Meine Bank, deine Bank
Die größten Sorgen, so stellt die Schweizer Wirtschaftswissenschaftlerin Beatrice Weder di Mauro fest, würden sich die Deutschen machen. Dabei gebe es durchaus viele Argumente für eine Ansiedlung der Aufsicht bei der EZB. An erster Stelle nennt sie die Unabhängigkeit von der Politik. Die sei stets versucht, sich vor die eigenen Institute zu stellen und nicht umgehend hart durchzugreifen. "Meine Bank nicht, diese Landesbank nicht - und wenn wir uns dann noch die Eurozone ansehen, wo bekannt ist, dass sich einzelne nationale Aufsichten oft mehr als Schutzschild für ihre eigenen Institute verstanden haben, denn als beißender Tiger, ist es um so wichtiger, diese Unabhängigkeit zu garantieren."
Konflikte könnten sich trotzdem ergeben, wenn tatsächlich der Ernstfall eintreten sollte und die EZB-Aufsicht einer Bank den Geldhahn zudrehen muss. Bis Juni dieses Jahres will der Europäische Rat eine entsprechende Bankensanierungs- und Abwicklungsrichtlinie vorlegen. Über deren Ausgestaltung wird allerdings auf politischer Ebene noch heftig gestritten. Die Bundesregierung will die Abwicklung national organisieren. In den deutschen Abwicklungsfonds sind in den vergangenen zwei Jahren aber lediglich zwei Milliarden Euro eingeflossen. Zu wenig, um eine große Bank abzuwickeln.
Europäische Lösungen gefragt
EZB-Direktor Asmussen plädiert daher für eine europäische Lösung. "Auch das neue Abwicklungsregime wird für sich genommen nicht ausreichen, um die zu enge Verflechtung von Bankensektor und Staatshaushalten zu durchbrechen. Wir brauchen hierzu eine europäische Abwicklungsbehörde mit einem europäischen Abwicklungsfonds, der von den Banken durch Abgaben selbst finanziert wird."
Wie aber sollen solche Abgaben bemessen werden und wer soll sie tatsächlich zahlen? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Schneider pocht darauf, ausnahmslos alle Finanzmarktakteure zu beteiligen und gleichermaßen zu belasten. "Daher finde ich es sehr charmant, den Weg zu gehen, die Finanztransaktionssteuer, die ja ein Teil der europäischen Länder einführen wollen, zur Bedingung für die Bankenunion zu machen."
Dann würde neben vielen Banken in der Eurozone vielleicht auch der eine oder andere Offshore-Finanzplatz in der EU dazu bewegt werden können, sich zu beteiligen. "Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass zum Beispiel Luxemburg nicht an der Bankenunion teilnehmen will. Das wird sich der Bankensektor dort nicht leisten können und auch das Land nicht." Nach Ansicht von Schneider spricht einiges dafür, den Abwicklungsfonds bei der Europäischen Zentralbank anzusiedeln. Der Rettungsschirm ESM komme aus vielen Gründen nicht infrage, unter anderem, weil Nicht-Euroländer an ihm gar nicht beteiligt seien.
Der Albtraum ist noch nicht zu Ende
Wichtig für ein Abwicklungsregime, so betont die Wirtschaftswissenschaftlerin Beatrice Weder di Mauro, sei aber vor allem auch seine politische und finanzielle Unabhängigkeit. Alles andere könnte den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Das Mandat müsse darauf ausgerichtet sein, eine Bank zu den objektiv geringsten Kosten abzuwickeln. "Auch eine solche Behörde könnte nämlich unter Umständen dem Anreiz unterliegen, die Restrukturierung so zu machen, dass sie die geringsten Kosten für die beteiligte Bank oder die beteiligten Systeme verursacht. Oder für die beteiligten Leute, die hinter der Bank standen, oder die Politiker und so weiter."
EZB-Direktor Asmussen rechnet damit, dass die Banken in Zukunft auf jeden Fall noch mehr Eigenkapital vorhalten müssten, als in der derzeit aktuellen Richtlinie für die Bankenreform "Basel III" festgelegt. Diskutiert werde bereits, dass auch der Erwerb und Besitz von Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegt werden müsste. "Wir wissen doch alle: Nach Basel III kommt Basel IV", so Asmussen. "So ist die Geschichte, auch wenn viele von uns das als Albtraum empfinden."