Im Visier der russischen Geheimdienste
1. Februar 2016Es ist nur ein Halbsatz, mit dem das Nachrichtenmagazin der Spiegel einen "ranghohen Sicherheitsbeamten" zitiert. Er bestätigt, die Angriffe auf die Server und Rechner des Bundestags im vergangenen Jahr seien "klar einem militärischen russischen Nachrichtendienst zuzuordnen".
Wie so häufig in Geheimdienstangelegenheiten gibt es keine offizielle Bestätigung für diese These. Die Bundestagsverwaltung teilt mit, sie sei "keine Ermittlungsbehörde und könne deshalb nichts zu den Hintergründen sagen".
Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik möchte keine Stellungnahme abgeben. Man kümmere sich um die technischen Aspekte der IT-Sicherheit, nicht um die Herkunft der Angriffe, sagt ein Sprecher. Die Generalbundesanwaltschaft lehnte eine Stellungnahme ab.
"Passt in die Hybride Strategie"
Überraschend kommt die Nachricht nicht. Im Mai 2015 wurden Techniker der Bundestagsverwaltung darauf aufmerksam, dass einige Rechner des Bundestags mit Schadsoftware infiziert waren. Im August musste das gesamte Netz abgeschaltet werden, inzwischen hatten Hacker das System so weit infiziert, dass die Techniker davon ausgingen, nur noch ein kompletter Neustart könne die Probleme beseitigen.
Welche Daten in welcher Menge abgeschöpft wurden, weiß offenbar bis heute niemand so genau. Der Verdacht, dass die Angriffe nicht von Hobbyhackern kamen, sondern wahrscheinlich von einem ausländischen Geheimdienst koordiniert wurden, stand aber schon früh im Raum.
Hans-Georg Maaßen, Präsident des Verfassungsschutzes, der für Spionageabwehr zuständig ist, äußerte bereits im September eine entsprechende "Befürchtung". Innenminister Thomas de Maizière bestätigte die Vermutung im September 2015 auf einer Tagung von Experten für Computersicherheit. Analysten des Computersicherheitsfirma Kaspersky Lab hatten außerdem Hinweise gefunden, dass die Schadsoftware auf Computern mit russischen Spracheinstellungen prorgrammiert worden war.
"Hybride Strategie"
Wenn sich nun bestätigt, dass russische Dienste hinter den Angriffen stecken, fügt sich dies in das Bild, dass Deutschland stärker ins Visier der russischen Geheimdienste gerückt ist. "Es passt in die russische hybride Strategie", sagt Roderich Kiesewetter, Außenpolitikexperte der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Der Begriff "hybride Kriegsführung" wurde im Zug der Ukraine-Krise geprägt. Dort setzte Russland seine Interessen durch den Einsatz einer Mischung aus militärischen Mitteln, verdeckter Unterstützung für bewaffnete Gruppen und Medienkampagnen für die russischsprachigen Bewohner durch. Auch die europäischen Staaten rückten ins Visier der russischen Strategen. Es gebe ein "offensichtliches Interesse Russlands daran, die Europäische Union zu destabilisieren", befürchtet Cem Özdemir, Vorsitzender der oppositionellen Grünen.
Bereits seit längerem ist Russland nicht nur mit Geheimdiensttätigkeiten, sondern auch mit Propagandakampagnen in Deutschland aktiv. Mit eigenen Medien versucht Moskau, seine Sicht der Dinge zu verbreiten. Aber auch gesteuerte Kommentare in sozialen Medien und in den Kommentarforen von Nachrichtenwebseiten gehören zu dieser Strategie. Daneben unterhält Moskau Beziehungen zu rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien.
Propagandaschlacht um "unser Mädchen"
In den vergangenen Wochen ist nun eine weitere Dimension hinzugekommen. Russische Staatsmedien haben der Flüchtlingskrise in Deutschland viel Platz eingeräumt - zuletzt vor allem durch die Berichterstattung über die angebliche Vergewaltigung eines russischstämmigen 13-jährigen Mädchens durch mehrere arabische Männer. Obwohl die Polizei schon früh mitteilte, dass die behauptete Vergewaltigung nicht stattgefunden habe, berichteten russische Medien ausgiebig darüber und warfen den deutschen Behörden vor, die Vorwürfe zu vertuschen.
Bereits seit einigen Jahren zeichnen russische Medien ein Bild von Europa als verweichlichtem, im Niedergang befindlichem Kontinent. Neu ist aber, dass sich durch die Berichterstattung auch ein Teil der russischstämmigen Deutschen mobilisieren lässt.
So organiserte eine Gruppe namens "Internationaler Konvent der Russlanddeutschen" Demonstrationen gegen die Flüchtlingspolitik Angela Merkels in verschiedenen Städten, auch die rechtsradikale NPD beteiligte sich an den Protesten. In Berlin und mehreren anderen Städten gingen vor einer Woche jeweils mehrere hundert Menschen auf die Straße.