Bescheidene Freiheit für Nordkoreas Autoren
15. Oktober 2005Es ist schon mehrere Monate her, dass Nordkorea seine Teilnahme an der Frankfurter Buchmesse abgesagt hat. Es wäre auch einer kleinen Revolution gleichgekommen, hätte sich das abgeschottete Nordkorea auf einmal ganz offenherzig in Frankfurt präsentiert. Das Land ist ganz und gar der Ideologie der Autarkie und der Abschottung gegenüber der Außenwelt verfallen. Eine Idee, die von Kim Il-Sung stammt, dem ersten und fast 50 Jahre lang amtierenden Präsidenten Nordkoreas.
Trotzdem haben Koreanisten und auch südkoreanische Autoren, die in den letzten Jahren gelegentlich nach Nordkorea eingeladen wurden, natürlich eine gewisse Kenntnis dessen, was dort geschrieben wird.
Nordkoreanische Autoren müssen vorsichtig sein
Eines der wichtigsten literarischen Sujets der nordkoreanischen Literatur ist die Familiengeschichte vom "Großen Führer" Kim Il-Sung und seinem Sohn, dem "Geliebten Führer" Kim Jong-Il. In unzähligen Romanen, Gedichten und Hymnen wird die Herkunft der beiden Kims verherrlicht und nicht selten mystisch verklärt. Ein südkoreanischer Autor, der Nordkorea bereist hat, aber nicht genannt werden möchte, fasst zusammen, dass es drei verschiedene Gruppen von Autoren gebe. Die eine schreibe nur über nordkoreanische Geschichte. Die zweite Gruppe verfasse ausschließlich Propagandaschriften über die Politik der Partei. Und die dritte Gruppe beschreibe in ihren Erzählungen das alltägliche Leben. "Speziell diese dritte Gruppe beklagt sich sehr stark über den Zustand in Nordkorea", erklärt der Autor. "Aber die sagen das natürlich nicht laut, sondern flüstern hinter vorgehaltener Hand: Wann endlich wird es vorbei sein?!"
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entschieden sich zahlreiche Autoren für ein Leben in Nordkorea, um dort am Aufbau der neuen Gesellschaft mitzuwirken. Viele dieser jungen Idealisten waren zuvor über Land gezogen, um den Bauern Lesen und Schreiben beizubringen. Der Koreanist Hans-Jürgen Zaborowski erzählt, dass durch diese Erfahrungen eine Literatur im Land entstanden sei, die sich kritisch mit der japanischen Kolonialverwaltung auseinander setze. Autoren, die dann nach 1945 nach Nordkorea gingen, seien in den 1950ern einer Vereinheitlichungen der Parteilinie für Kunst und Literatur zum Opfer gefallen und von der Bildfläche verschwunden.
Nicht strikt auf Parteilinie zu sein, kann gefährlich werden. Zu den politischen Vorgaben gehören auch die klaren Feindbilder: Das sind natürlich die USA, Südkorea und auch Japan, das Korea bis 1945 kolonisiert hatte.
Sprache soll zwischen Süd- und Nordkorea vermitteln
Trotz des Feindbildes 'Südkorea' sind in den letzten Jahren jedoch auch einige Initiativen entstanden, Schriftsteller aus Nord- und aus Südkorea einander näher zu bringen. Außerdem gibt es eine Kommission, die ein gemeinsames Wörterbuch erstellen soll, berichtet der südkoreanische Autor Ko Un. "Die Initiative kam von der südkoreanischen Seite und wir haben die Nordkoreaner überredet, sich daran zu beteiligen", sagt Ko Un. "Wir haben die Hoffnung, dass diese Arbeit die Grundlage für die zukünftige Wiedervereinigung sein wird."
Die koreanische Sprache hat sich seit der Landesteilung vor inzwischen fast 60 Jahren im Norden anders entwickelt als im Süden. Traditionellerweise besteht sie zu 60 bis 70 Prozent aus chinesischen Lehnwörtern. In Nordkorea wurden viele dieser Wörter durch koreanische Neologismen ersetzt. Ins Südkoreanische hingegen drangen Fremdwörter aus dem Amerikanischen und aus anderen westlichen Sprachen. Hans-Jürgen Zaborowski erklärt, dass es auch im grammatischen System inzwischen Unterschiede gebe, die die Verständigung zwar nicht unmöglich machen, aber erschweren.
Trotz der leichten Öffnung auch von nordkoreanischer Seite aus kann von einem wirklichen literarischen und sprachlichen Austausch aber noch keine Rede sein. In Südkorea werden kaum Bücher aus Nordkorea verlegt. Und die südkoreanische Literatur, die es in Nordkorea gibt, steht in Bibliotheken, die nur für Parteimitglieder in Pjöngjang zugänglich sind.