Verbrennen statt begraben
14. Oktober 2014In der Nacht von Montag auf Dienstag (14.10.2014) kam die traurige Nachricht: Der Ebola-Patient in der Leipziger Klinik ist gestorben. Der 56-jährige UN-Mitarbeiter erlag dem Ebola-Virus. In der Nacht auf Mittwoch wurde sein Leichnam auf dem Leipziger Südfriedhof verbrannt, wie ein Sprecher der Stadtverwaltung den Medien mitteilte. Was nun mit der Urne geschieht, sei allerdings noch unklar.
Schon kurz nach dem Tod des Patienten machten die Behörden klar, dass für sie ein Verbrennen der Leiche die einzige Alternative sei: "Alles andere lässt sich nicht verantworten", sagte Matthias Hasberg, Sprecher der Stadt Leipzig, der Deutschen Presse-Agentur. Dass der Patient Moslem war und Feuerbestattungen im Islam nicht zugelassen sind, mache es nicht leichter, aber in diesem Extremfall gehe die Sicherheit vor. Denn die Leiche sei noch immer infektiös.
Im Notfall eingeschränkte Grundrechte
Was genau mit den Leichen von Patienten passieren soll, die an einer ansteckenden Krankheit gestorben sind, regelt kein bundesweites Gesetz: Das ist Sache der einzelnen Bundesländer. Und die haben hierfür eigene Bestattungsgesetze. Im Fall des Leipziger Patienten ist das Land Sachsen zuständig.
"Es ist nicht jeder Einzelfall geregelt", sagt Rüdiger Schöneich, Gruppenleiter der Abteilung "biologische Arbeitsstoffe" bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. "Aber das Gesetz ermächtigt die Ministerien, Rechtsverordnungen zu erlassen, ohne das Parlament zu fragen." So steht im sächsischen Bestattungsgesetz, dass die Ministerien ermächtigt sind, die notwendigen Schutzmaßnahmen bei hochinfektiösen Leichen zu treffen, und dass sie dafür auch bestimmte religiöse Bestattungsrituale verbieten dürfen.
"Im Notfall dürfen also Grundrechte wie die Glaubensfreiheit außer Kraft gesetzt werden", betont Schöneich. Er fügt hinzu, dass auch Sierra Leone angeordnet habe, die Leichen von Ebola-Patienten zu verbrennen.
Gemeingefährliche Krankheiten
Bundesweite Strategien zum Umgang mit biologischen Gefahren hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erarbeitet. In dem fast 800seitigen "Handbuch zum Bevölkerungsschutz" geht es auch darum, was mit Leichen von Patienten passieren sollte, die einem "gemeingefährlichen Erreger" zum Opfer gefallen sind. Als gemeingefährlich gelten alle lebensbedrohlichen Infektionskrankheiten, die von Mensch zu Mensch ansteckend sind und für die Allgemeinheit eine große Gefahr darstellen.
Bei dem Handbuch handelt sich allerdings nur um Empfehlungen auf wissenschaftlicher Basis, nicht um rechtsverbindliche Vorschriften, sagte ein Sprecher des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe der Deutschen Welle. Ob und wie diese Empfehlungen umgesetzt werden, entscheidet die zuständige Landesbehörde.
Balsamieren verboten
Laut Handbuch zum Bevölkerungsschutz ist eine Einbalsamierung des Leichnams bei Menschen, die an gemeingefährlichen Krankheiten gestorben sind, "grundsätzlich nicht gestattet". Auch darf niemand am offenen Sarg von dem Verstorbenen Abschied nehmen, was in Deutschland eher unüblich, in vielen anderen Ländern bei Beerdigungen aber gang und gäbe ist. Denn der Verstorbene ist auch nach seinem Tod noch hochansteckend. Wer den Leichnam berührt, kann sich leicht mit zum Beispiel Ebolaviren infizieren. Daher ist generell Vorsicht beim Umgang mit solchen Leichen geboten, um auch das Personal im Krankenhaus oder bei Beerdigungsinstituten zu schützen.
Der Leichnam muss in zwei formalingetränkte Tücher gehüllt werden, heißt es im Handbuch. Formalin ist ein starkes Desinfektionsmittel und inaktiviert Viren und Bakterien. Anschließend ist der Verstorbene in "zwei gut verschließbare, flüssigkeitsdichte Leichenhüllen aus Kunststoff" zu legen.
Wenn das Desinfektionsmittel gut eingewirkt hat, wird der Leichnam eingesargt. Der Sarg ist mit einem Gefahrzeichen als "hochinfektiös" zu kennzeichnen.
Verbrennen bevorzugt
Im Handbuch steht allerdings nicht, dass der Leichnam in jedem Fall zu verbrennen sei. Es heißt lediglich: "Kremationen sind der Erdbestattung vorzuziehen."
Sicherer ist eine Feuerbestattung aber in jedem Fall. "Es ist das Effektivste", sagt Schöneich. Denn wenn Viren eines nicht vertragen können, ist es Hitze. "Viren mögen es kalt, dunkel und feucht", sagte Thomas Mertens, Präsident der Gesellschaft für Virologie in einem DW-Interview Anfang des Jahres. "Viren mögen keine Trockenheit, Sonnenbestrahlung und Wärme." Die komplexen Makromoleküle zersetzen sich bei Kontakt mit Feuer sofort und unwiderruflich.
Bei Kälte allerdings können sich Viren viele Jahre halten, das hat spätestens das Riesen-Virus gezeigt, das französische Forscher Anfang des Jahres aus dem Permafrost ausgegraben haben. Auch nach 30.000 Jahren Kälte war es noch immer aktiv und konnte Zellen infizieren. Viren sind streng genommen keine Lebewesen, daher können sie auch nicht sterben. Sie können viele Jahre ruhen und unter günstigen Bedingungen wieder aktiv werden.
Wie viel Kälte ein Erreger wie lange überlebt, hängt von seiner Art ab. Bei Aids-Viren beispielsweise wird die Ansteckungsgefahr nach Angaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bereits nach wenigen Stunden Kühlung des Leichnams auf sechs Grad Celsius deutlich abgesenkt; Prionen, die Erreger der Creutzfeld-Jakob-Krankheit "sind noch bis zu drei Jahre nach der Beerdigung im Erdreich des Grabes nachweisbar."
Gefahr durch Nagetiere
Ein reines Beerdigen würde nicht also unbedingt dazu führen, dass ein Ebola-Virus für immer ausgelöscht ist. "Die Gefahr besteht, dass jemand den Leichnam in suizidaler Absicht wieder ausgräbt", sagte ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Rüdiger Schöneich sieht eher die Gefahr, dass Tiere den Erreger wieder an die Oberfläche bringen. "Um den Leichnam herum ist lebende Natur", sagt er. "Es kann also sein, dass eine Maus vorbeikommt und sich durchgräbt." Kleine Tiere könnten den Erreger also wieder in Umlauf bringen. "Eine Gefährdung ist nicht auszuschließen", sagt Schöneich.