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Bildergeschichten: Ein Koffer voller Hoffnung

Tillmann Bendikowski10. Dezember 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1909: Menschen verlassen die "Auswandererstadt"

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Bildergeschichten Auswanderhalle Hamburg 1909 Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Diese Menschen verlassen gerade eine Stadt – eine Stadt ohne richtigen Namen: es ist die sogenannte "Auswandererstadt". Der Hamburger Reeder Albert Ballin, Generaldirektor der "Hamburg-Amerika-Linie" (HAPAG), hat sie unmittelbar am Hamburger Hafen zwischen 1901 und 1907 erbauen lassen. Oft nur mit einem Koffer in der Hand machen sie sich auf den hoffnungsvollen Weg in die Neue Welt. Die allzu rasche Industrialisierung Deutschlands hat viele Bauern zunächst in die Städte getrieben, doch dort finden sie weniger wirtschaftlichen Aufschwung, als Ausbeutung ihrer Arbeitskraft zum Hungerlohn. Zeitweise lebt knapp die Hälfte der Bevölkerung unter dem Existenzminimum. Angesichts der Not in der Heimat erlebt Deutschland im 19. Jahrhundert einen regelrechten Massenexodus.

Die Auswanderung verläuft in Konjunkturen – je aussichtsloser die wirtschaftliche Lage daheim, desto attraktiver ist die Flucht nach Übersee. In drei großen Wellen kehren zwischen 1816 und 1914 rund 5,5 Millionen Deutsche ihrer Heimat den Rücken und suchen in den USA ihr Glück. Das Land bleibt diese knapp hundert Jahre über beliebtestes Auswandererziel, mit weitem Abstand folgen Kanada, Brasilien, Argentinien und Australien. Anfangs machen sich vor allem ganze Familien auf den Weg, ab 1865 nimmt die sogenannte Einzelwanderung deutlich zu: Vor allem die amerikanischen Eisenbahngesellschaften und ihre Besiedlungskommissionen locken gezielt europäische Arbeitskräfte an.

Als dieses Foto 1909 entsteht, ist die Organisation der Auswanderung geradezu perfektioniert: Die Eisenbahnlinien mit den Glücksuchenden enden direkt an der Hamburger "Auswandererstadt", wo sie auf die Abfahrt ihres Schiffes warten. Über 1.200 Menschen konnten hier gleichzeitig verpflegt und untergebracht werden; es gibt Wohn- und Schlafpavillons, Verwaltungsgebäude, zwei Hotels (für die Besserbetuchten) ein Lazarett und sogar eine Kirche – die Reederei hat so zugleich die vollständige Kontrolle über die Auswanderer.

Doch die deutschen Emigranten bleiben zunehmend aus, dafür kommen immer mehr Menschen aus Osteuropa in die deutschen Seehäfen – zu Beginn des 20. Jahrhunderts machen sie rund 90 Prozent der dort eingeschifften Auswanderer aus. Sogenannte "Agenten" sorgen in deren Herkunftsländern auch im Interesse der transatlantischen Schifffahrtslinien dafür, dass sich weiterhin ausreichend Glücksuchende auf den Weg machen. Viele dieser Agenten arbeiten zunehmend mit illegalen Methoden; ihre Opfer müssen überteuerte Tickets und dreiste Provisionen zahlen, manche werden auch gleich um ihr ganzes, zumeist kleines Vermögen gebracht. Die Figur des "Schleppers", der sich an der Verzweiflung von Armen und Flüchtlingen gewissenlos bereichert, ist nicht erst eine Erscheinung unserer Tage.