Birma statt Darfur
17. Juni 2008Wo andere fahren, muss Jörg Heinrich fliegen. Zumindest wenn der Leiter des Sudan-Programms der Entwicklungsorganisation "Welthungerhilfe" die sudanesische Krisenregion Darfur besucht. Mit dem Auto käme er nicht weit. "Darfur ist ein Flickenteppich", sagt Heinrich. Rebellengruppen, sudanesische Soldaten und regierungstreue Milizen bekämpfen sich seit 2003 in der Region. Jede Partei kontrolliert einige Gebiete - nach jedem Kampf ändert sich ihr Einflussbereich.
Weniger Hilfsflüge
Bisher konnten Jörg Heinrich und seine Kollegen bei ihren Reisen den Kämpfen entgehen. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme - WFP) bietet Entwicklungshelfern Flüge nach Darfur und innerhalb dieser Region an. Doch die werden jetzt eingeschränkt. Von Donnerstag (19.06.) an wird die WFP-Flotte um zwei Flugzeuge reduziert. Die Folge: Nur noch fünf statt sechs wöchentliche Flüge aus der Hauptstadt Khartum. Zudem können Entwicklungshelfer aus umkämpften Gebieten oder bei medizinischen Notfällen nicht mehr so schnell evakuiert werden. Auch innerhalb Darfurs wird weniger geflogen. Dort hat das WFP einen Helikopter stillgelegt. Ab 1. Juli steigen zudem die Preise: Entwicklungshelfer zahlen dann 100 statt 40 Dollar für einen Flug in den Maschinen des WFP.
Das ist für die mehr als 12.000 Helfer in Darfur ein schwerer Rückschlag. "Sie können in Darfur schließlich nicht mit den LKW von A nach B fahren", erklärt Heinrich. Die Zahlen geben ihm Recht: 34 Entwicklungshelfer sind in der Region zwischen 2004 und 2007 getötet worden, mehr als 120 verletzt. Bewaffnete Banden haben in diesem Jahr 60 Hilfstransporte überfallen.
Chronischer Geldmangel
Doch ohne Entwicklungshelfer am Boden können keine Hilfsgüter verteilt werden. "Es reicht nicht, einfach irgendwo Hilfsgüter hinzufliegen und sie dann abzuladen. Man braucht Menschen vor Ort, die sicherstellen, dass die Hilfe zu den richtigen Orten und zu den richtigen Menschen gelangt", erklärt Marcus Prior vom Welternährungsprogramm.
Trotzdem werden die Flüge gestrichen. Das WFP sieht dazu keine Alternative: 77 Millionen Dollar kostet der Flugbetrieb in diesem Jahr - doch die Geberländer haben bisher nur 29 Millionen bereitgestellt. Auch bei der Lebensmittelhilfe sinken die Spenden. Vor zwei Jahren musste das Welternährungsprogramm erstmals seine Lebensmittelhilfen aus Geldmangel einschränken. Auch in diesem Jahr ist für die Notversorgung der Flüchtlinge mit Getreide, Zucker oder Bohnen erst die Hälfte des nötigen Geldes eingegangen.
"Eine vergessene Katastrophe"
Das Welternährungsprogramm wiederum erhält den Großteil seines Budgets von den UN-Mitgliedsstaaten. Und auch von dort fließt das Geld nicht mehr wie selbstverständlich. "Die Krise in Darfur zieht sich seit Jahren hin und steht auf der Prioritätenliste der Geber ziemlich weit oben. Aber zugleich schieben sich andere Prioritäten in den Vordergrund, zum Beispiel der Zyklon in Myanmar oder die Gewalt nach den Wahlen in Kenia", sagt WFP-Sprecher Prior. Dabei steigt die Zahl der Hilfsempfänger immer weiter. Der Krieg hat mehr als 2,5 Millionen Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Die Vereinten Nationen sprechen von bis zu 300.000 Toten.
Andere Hilfsorganisationen stehen vor dem gleichen Problem. Zum Beispiel die Welthungerhilfe. Als deutsche Medien den Konflikt 2004 auf die Titelseiten brachten, flossen über fünf Millionen Euro Spenden an die Organisation. 2007 waren es gerade noch 500.000 Euro. "Darfur ist leider eine vergessene Katastrophe geworden", sagt Manuela Rossbach, Geschäftsführerin der "Aktion Deutschland Hilft". Die Organisation ist ein Zusammenschluss von elf Hilfsorganisationen. Dafür gebe es zwei Gründe: Einerseits ist das Medieninteresse geringer geworden. Dadurch sinkt die Aufmerksamkeit bei der Bevölkerung.
Immer neue Krisen
Ausserdem können die Organisationen den Bürgern kaum noch erklären, warum in Darfur noch immer kein Frieden herrscht."Eine Naturkatastrophe wie in China oder Myanmar können sie Spendern einfacher vermitteln. Da wirkt eine Naturgewalt und die Menschen sind ihr hilflos ausgeliefert. Eine politische Krise, wo viele Menschen mitmischen, wirtschaftliche und politische Interessen eine Rolle spielen, ist schwer verständlich", sagt Rossbach.
Ohne staatliche Hilfen könnten private Organisationen in Darfur kaum noch Hilfe leisten. So zahlen beispielsweise Auswärtiges Amt und das Bundesministerium für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung der Welthungerhilfe Zuschüsse für ihre Arbeit in Darfur. Auch das Welternährungsprogramm und die Europäische Union helfen privaten Organisationen.
Kaum langfristige Hilfe
Der Nachteil: Diese Mittel sind nur für unmittelbare Nothilfe wie die Verteilung von Lebensmitteln gedacht. Langfristige Projekte müssen die Hilfsorganisationen selber finanzieren. Die Welthungerhilfe baut zum Beispiel holzsparende Öfen oder hilft beim Wiederaufbau von Schulen. "Wir würden gerne weitaus mehr solcher Projekte durchführen. Darfur ist eine Region, die sowohl die Regierung als auch die internationale Gemeinschaft völlig vernachlässigt haben. Die Menschen sind derart arm, dass ein riesiger Bedarf da ist", erklärt Jörg Heinrich.
Allerdings muss Jörg Heinrich zunächst noch ein anderes Problem lösen: Wie er bei seinem nächsten Besuch durch Darfur reisen kann. Denn die höheren Flugpreise des Welternährungsprogramms möchte die Welthungerhilfe ungern bezahlen. "Wir müssen wohl stärker auf private Anbieter ausweichen", sagt Heinrich. Wohl ist ihm dabei nicht: Erst Anfang Juni brannte eine Passagiermaschine der Sudan Airways nach der Landung in Khartum aus - mehr als 30 Menschen starben.