Blufft Nordkorea?
18. März 2005Nordkorea hat ein für Samstag (19.3.2005) geplantes Militärmanöver der USA und Südkoreas als Vorbereitung einer Invasion kritisiert und in martialischen Tönen mit einem Ausbau seines Atomwaffenarsenals gedroht. Aber ist Nordkorea wirklich im Besitz eines nuklearen Arsenals, das sich kurzfristig ausbauen ließe? Darüber gibt keine gesicherten Fakten - weshalb der Fall Nordkorea auch anders geartet ist als beispielsweise der Fall Iran.
Bluff oder echte Gefahr?
Den Nuklearstreit mit Teheran wollen Europa und die USA nach dem Motto Zuckerbrot und Peitsche entschärfen; und das könnte zumindest theoretisch funktionieren. Viel schwieriger ist es, eine solche Strategie für Nordkorea zu entwickeln. Nicht nur, weil hier die geopolitischen Interessen von schwergewichtigen Nachbarn wie China und Russland berührt sind. Sondern auch deshalb, weil niemand genau sagen kann, wie ernst die regelmäßig von Pjöngjang ausgestoßenen Kriegsdrohungen zu nehmen sind.
Die fehlende Gewissheit ist das eigentliche Dilemma: Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass Nordkorea - wie es neuerdings auch selbst behauptet - tatsächlich längst Atomwaffen gebaut haben könnte. Es ist aber ebenso möglich, dass das Regime weiterhin nur blufft, um sich Respekt zu erheischen und in internationalen Verhandlungen möglichst viel für sich selbst herauszuschlagen: Nahrungsmittelhilfe etwa, oder Energie-Lieferungen.
Angst als Druckmittel
Auch wenn Nordkorea noch so isoliert von der Außenwelt ist: Diktator Kim Jong Il kennt sich offenbar trotzdem aus in der internationalen Politik. Und er hat taktisch geschickte Lehren aus dem Irak-Krieg und dem atomaren Wettstreit in der Zeit des Ost-West-Konflikts gezogen. Kim hat gelernt: Wenn ein Land über Atomwaffen verfügt, dann wird eine auswärtige Macht sich kaum wagen, es vehement unter Druck zu setzen oder gar militärisch anzugreifen.
Dies gilt bis zum Beweis des Gegenteils natürlich auch dann, wenn der Atomwaffenbesitz nur behauptet wird. Solange niemand die Wahrheit über Nordkoreas Atomprogramm kennt, verfügt das dortige Willkürregime über einen annähernd perfekten Schutzschild und kann den Preis für politische Zugeständnisse enorm in die Höhe treiben.
Für die von Pjöngjang so verhasste US-Regierung kann dies nur bedeuten, diplomatisch über Bande zu spielen. US-Außenministerin Condoleezza Rice wird unter anderem deshalb am Montag (21.3.2005) in Peking weilen. Und es ist wohl kein Zufall, dass dort gleich am nächsten Tag auch Nordkoreas Premier Pak Pong Ju erwartet wird. Bei ihrem Staatsbesuch in Japan sagte Condoleezza Rice am Freitag (18.3.2005) vor Journalisten, Nordkorea müsse eine strategische Entscheidung treffen. Es müsse wissen, dass nur eine Fortsetzung der Gespräche zu besseren Beziehungen mit dem Rest der Welt führen könne. Das nordkoreanische Atomprogramm gefährde die Sicherheit der USA, sagte Rice.
Hoffnung auf Verhandlungen
Atomwaffen in den Händen eines kaum berechenbaren Unterdrückungsregimes und Armutstaates sind eine sehr ernste Gefahr für die regionale Sicherheit und Stabilität - und möglicherweise sogar darüber hinaus. Es muss also gehandelt werden. Ein Regimewechsel in Nordkorea - durchaus wünschenswert - kann hier aber nur langfristig eine Option sein.
Der einzig denkbare Weg zu einer Entschärfung der drohenden Gefahr ist derzeit eine Wiederaufnahme der Sechs-Länder-Gespräche, die Pjöngjang kürzlich demonstrativ ausgesetzt hatte. Für die Regierung in Peking, die diese Woche viel internationale Kritik wegen ihrer militärischen Drohungen gegen Taiwan einstecken musste, wäre die Wiederaufnahme der Nordkorea-Gespräche ein schöner diplomatischer Erfolg. Zumal die Atommacht China auch selbst kein Interesse an einem weiteren Nuklearstaat in unmittelbarer Nachbarschaft haben kann.
Es ist nun an Peking zu zeigen, ob es bereit ist, wenigstens in diesem Fall Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in Ostasien zu übernehmen. Druckmittel jedenfalls sind durchaus vorhanden: Nordkorea ist abhängig von chinesischen Energielieferungen.