Brabant: Bücher-Babel im Turm
17. November 2003Die Bibliothek, die wohl nie gebaut werden wird, ist eine 17 Kilometer lange Bücherschlange, die sich in einem Glaskörper 230 Meter in den Himmel schraubt. Alle Bibliotheken der südniederländischen Provinz Nord-Brabant könnten in diesem Bücherturm unterkommen: Fünf Millionen Bände, dazu Tausende von Magazinen, rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr zugänglich. Land ist knapp in den Niederlanden – was liegt also näher als Stapeln und Schichten? "Verdichtung" ist das Credo des niederländischen Architektenbüros Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries, kurz MVRDV. "Größe scheint die einzige Möglichkeit zu sein, um Widerstand zu leisten gegenüber der digitalen Entwicklung und der Dürftigkeit des Angebots", interpretiert Rob Bruijnzeels von der "Niederländischen Organisation öffentlicher Bibliotheken" die Intention der Architekten.
Dennoch: Gegen "Networking, Clustering und Packaging" scheint auch Gebäudevisionär Winy Maas nichts einzuwenden zu haben: 800 gläserne Lesekabinen sollen sich kreuz und quer, außen und innen durch die Bücherwelt bewegen. Man kann sich die Kabinen auch als Lounge oder Kiosk ausstaffieren lassen. Für die Daheimgebliebenen ersetzt ein Netzwerk an "Bibliotheks-Außenstellen" – in Cafés, Wartezimmern, Schulen, Rathäusern oder Tankstellen – die ehemals 17 kleineren Bibliotheken der Region. Sie sind dem jährlichen Massenausstoß der Buchverlage und der schnelllebigen Digital-Gesellschaft ohnehin nicht gewachsen. Wann die neue Zentralbibliothek fertig sein wird ...?! "Keine Ahnung", sagt der Stadtplaner von Eindhoven, auf dessen Gelände der Bücherturm gebaut werden müsste, "wahrscheinlich hat Winy Maas einfach nur Öl ins Feuer einer kontroversen Debatte gegossen."