Bulgarische Regierung stürzt über Misstrauensvotum
22. Juni 2022Die prowestliche Regierung von Ministerpräsident Kiril Petkow ist nach nur einem halben Jahr durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden. Im Parlament von Sofia stimmte für den entsprechenden Antrag der bürgerlichen Oppositionspartei GERB eine Mehrheit von 124 Abgeordneten. Petkow wurde nur noch von 115 Abgeordneten unterstützt. Seine liberal-sozialistische Koalition hatte nach dem Rückzug einer populistischen Partei bereits vor zwei Wochen die absolute Mehrheit im Parlament verloren. Möglicherweise kommt es nun zu Neuwahlen.
Petkow macht auch Russland für seinen Sturz verantwortlich
Petkows Regierung war erst seit Dezember im Amt. Er hatte versprochen, die weit verbreitete Korruption im ärmsten EU-Land zu bekämpfen und die Justiz zu reformieren. Für seinen Sturz machte Petkow Ex-Premier Boiko Borissow von der GERB und auch Russland verantwortlich. Nach der Niederlage sagte er: "Dieses Votum ist nur ein kleiner Schritt eines sehr langen Wegs. Eines Tages werden wir ein Bulgarien ohne Aktionen hinter den Kulissen, ohne Mafia haben."
Die GERB hatte ihren Antrag mit einem "Scheitern der Regierung bei der Finanz- und Wirtschaftspolitik" begründet. Die Inflationsrate in Bulgarien lag im Mai bei 15,6 Prozent. Spediteure protestierten am Tag des Misstrauensvotums vor dem Parlament gegen die hohen Treibstoffpreise.
Die populistische Partei ITN des Entertainers Slawi Trifonow hatte kürzlich aus Protest gegen Petkows Nordmazedonien-Politik ihre vier Minister aus der bisherigen Vier-Parteien-Regierung zurückgezogen. Trifonow warf dem Regierungschef vor, im Alleingang Zugeständnisse an das Nachbarland machen zu wollen. Bulgarien blockiert seit Ende 2020 den Beginn von EU-Aufnahmeverhandlungen mit Nordmazedonien.
Erneute Regierungsbildung
Der Verfassung zufolge bekommt Petkows Anti-Korruptions-Partei "Wir führen den Wandel fort" nun nochmals den Auftrag zur Regierungsbildung. Mit 67 Abgeordneten hat sie die größte Fraktion im 240 Sitze umfassenden Parlament - ist aber weit von einer eigenen Mehrheit entfernt. Angesichts der untereinander zerstrittenen Parteien schließen Experten auch Neuwahlen im Herbst nicht aus.
nob/uh (afp, dpa, rtr)