Bundestag rüstet sich für Sondersitzung
13. Juli 2015"Schwimmen Sie nicht zu weit hinaus", hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert den Parlamentariern am 3. Juli, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, mit auf den Weg gegeben und sie damit schon einmal auf eine eventuelle Sondersitzung eingestimmt. In sechs Staaten der Euro-Zone müssen die Parlamente gefragt werden, bevor Verhandlungen über ein Hilfsprogramm aus dem Euro-Rettungsfonds ESM aufgenommen werden dürfen. Deutschland ist einer dieser Staaten.
Jene Bundestagsabgeordneten, die bereits in den Urlaub geflogen sind, sollten sich daher schleunigst ein Rückflugticket buchen. Ausreden gelten nicht, es besteht Rückkehrpflicht nach Berlin. Zwar sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Bundestag werde erst dann zusammengerufen, wenn das Parlament in Athen das in Brüssel ausgehandelte Gesamtprogramm bestätigt und eine Reihe konkreter Reformen verabschiedet habe. Doch das soll schon bis Mittwoch geschehen, so dass der Bundestag noch in dieser Woche über ein Verhandlungsmandat für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble abstimmen könnte.
CSU sagt Klausurtagung ab
Parlamentspräsident Lammert geht davon aus, dass die Sondersitzung am Freitagmorgen stattfinden könnte. "Es sieht ganz danach aus", sagte er, betonte aber auch, dass zunächst die erforderlichen Entscheidungen in Griechenland getroffen werden müssten. Einen endgültigen Termin wird Lammert in Abstimmung mit den Chefs der im Bundestag vertretenen Fraktionen festlegen.
Die meisten Parlamentarier werden sich ohnehin schnell wieder in Berlin einfinden, denn es geht jetzt erst einmal darum, das in Brüssel ausgehandelte Ergebnis mit allen seine möglichen Konsequenzen zu verstehen und sich eine Meinung über die absehbaren Konsequenzen zu bilden. Gespräche sind nötig, Fraktionssitzungen werden stattfinden. Die CSU-Landesgruppe im Bundestag hat bereits reagiert und ihre ursprünglich für Dienstag und Mittwoch geplante Klausurtagung im bayerischen Kloster Banz vorsorglich abgesagt, um uneingeschränkt zur Verfügung zu stehen.
SPD-Chef ist zufrieden
Erste Reaktionen zum Rettungspaket für die Griechen fallen durchaus positiv aus. Die Einigung sei ein gutes und faires Ergebnis, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. "Der Weg, der jetzt vor uns liegt, wird hart sein, insbesondere für Griechenland, aber ich bin sicher, dass wir jetzt den Weg frei gemacht haben, diese Krise endlich zu bewältigen." Ohne die harten Konditionen sei es einfach nicht verantwortbar gewesen, ein so großes finanzielles Hilfspaket auf den Weg zu bringen. "Europa hat eine große Bewährungsprobe bestanden und wir alle sind, glaube ich, froh darüber, dass Europa die Spaltung verhindert und zusammengefunden hat."
Auch der CDU-Politiker und Kanzleramtsminister Peter Altmeier spricht von einem "wirklich guten Ergebnis für Europa und auch für den Euro, weil klar geworden ist, dass es Solidarität nur gegen harte eigene Anstrengungen gibt". Es sei ein wirklicher Kompromiss gefunden. "Einer, der dazu beitragen kann, dass Vertrauen wieder hergestellt wird."
Die Linke ist entsetzt
Aus der Linken hingegen hagelt es Kritik. Die beiden designierten Fraktionschefs Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht raten der griechischen Regierung davon ab, die Brüsseler Einigung zu weiteren Hilfen mitzutragen. "Wer beim Referendum für ein 'Nein' war, um weiteren Kürzungsdiktaten eine Absage zu erteilen, kann jetzt nicht 'Ja' sagen", heißt es in einer Stellungnahme. "Ich vermute, dass das griechische Drama weitergehen wird", ergänzt Parteichef Bernd Riexinger. "Griechenland bekommt zu wenig Luft zum Atmen."
Die Bundesregierung sei für das Ergebnis in hohem Maße mitverantwortlich. "Sie hat in einer unerträglichen Art und Weise der Europäischen Union diesen Kurs aufgezwungen, mit den Mitteln der Erpressung gearbeitet und in hohem Maße souveräne, demokratische Rechte verletzt." Besonders kritisch geht der Linken-Chef mit Finanzminister Schäuble ins Gericht. "Er war bereit, der Totengräber der Eurozone zu werden und er hat die Europäische Union gespalten", urteilt Riexinger.
Das einzig Positive sei, dass ein "Grexit" abgewendet worden sei. Vorerst jedenfalls, schiebt der Parteichef noch hinterher. Seiner Ansicht nach wäre ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone die teuerste Lösung geworden und "eine soziale und ökonomische Katastrophe für die Griechen".
Wie wird die Union reagieren?
Spannend wird die Meinungsbildung in der Unionsfraktion werden. Der meiste Widerstand gegen weitere Griechenland-Hilfen war zuletzt aus der CSU gekommen. Angeblich war den Abgeordneten daraufhin aus München nahegelegt worden, sich öffentlich nicht mehr negativ zu äußern und lediglich zu sagen, man vertraue auf das Verhandlungsgeschick der Bundeskanzlerin. Das berichtet jedenfalls die "Bild"-Zeitung.
29 Abgeordnete von CDU und CSU hatten im Februar gegen eine Verlängerung des zweiten Hilfspakets für Griechenland gestimmt. Inzwischen gilt rund ein Drittel der Unionsfraktion als skeptisch. Das rührt vor allem auch daher, weil die Parlamentarier in ihren Wahlkreisen auf Widerstand und Unverständnis stoßen und viele ihren Wähler nicht mehr plausibel erklären können, warum es bei einem neuen Hilfspaket besser laufen sollte als in den letzten fünf Jahren. Das weiß auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nach der langen Nacht in Brüssel direkt nach Berlin in die CDU-Parteizentrale eilte, um dort erste Überzeugungsarbeit für die anstehende Abstimmung im Bundestag zu leisten.
Merkel und die Vertrauensfrage
Die Getreuen der Kanzlerin brachten sich zuvor bereits in Positur. "Ich bin sicher, dass es im Bundestag eine Mehrheit gibt", sagte CDU-Vize Armin Laschet, der sogar davon ausgeht, dass es in der Union eine Mehrheit geben wird. "Wer weiß, mit wie viel Kraft und Mühe Wolfgang Schäuble und Angela Merkel in diesen Stunden in Brüssel verhandelt haben, der wird diese Arbeit auch anerkennen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Abgeordnete der Union dazu Nein sagen."
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hingegen fordert die Bundeskanzlerin dazu auf, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen. "Es wäre für Frau Merkel mehr als nur eine Blamage, sollte sie keine eigene Mehrheit bekommen", sagte Hofreiter in einem Interview der "Passauer Neuen Presse". "Sie muss sich endlich aus der Deckung wagen, Führungskraft beweisen und notfalls auch mit der Vertrauensfrage die eigenen Reihen hinter sich versammeln", forderte Hofreiter von der Kanzlerin.
Angela Merkel will davon allerdings nichts wissen. Sie empfiehlt dem Bundestag die "Aufnahme von Verhandlungen aus voller Überzeugung". Ihre eigene Zukunft will sie von dem Ergebnis nicht abhängig machen. Die Vertrauensfrage werde sie nicht stellen, betonte die Kanzlerin noch in Brüssel.