Auf schwieriger Fahrt
21. April 2016
Stahlblaue See, wolkenloser Himmel, Sonnenschein. Die "Frankfurt am Main" wiegt sich leicht in den Wellen. Aber es ist kein Wetter für Flüchtlinge. Für kleine Holz- oder Schlauchboote sind die Wellen zu hoch. Vor einem Tag hat das größte Schiff der Bundeswehr den Hafen Cagliari auf Sardinien verlassen, mit Kurs auf die libysche Küste. Das deutsche Schiff nimmt an der Operation "Sophia" der Europäischen Union teil.
Offiziell ist "Sophia" keine Rettungsmission. "Sinn und Zweck unseres Einsatzes ist es, die illegale Migration von Nordafrika nach Europa einzudämmen", sagt Kommandant Andreas Schmekel. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: 13.000 Menschen sind im Rahmen dieser Mission bisher aus Seenot gerettet worden - aber gerade mal 68 potenzielle Schleuser wurden festgenommen. Nach Medienberichten steigt die Zahl derer, die an Libyens Küste auf den richtigen Moment für die gefährliche Fahrt nach Europa warten.
700 Menschen aus Seenot gerettet
Ein Jahr ist es her, dass mehr als 700 Menschen beim Untergang eines Flüchtlingsbootes vor Lampedusa starben. Es war die bis dahin schlimmste Schiffstragödie auf dem Mittelmeer. Eine ähnliches Unglück hat sich vor wenigen Tagen ereignet: etwa 500 Menschen sollen ertrunken sein, davon geht das Flüchtlingshilfswerk UNHCR inzwischen aus. Auch die Crew der "Frankfurt am Main" hat bereits ihre Erfahrungen mit der Flüchtlingstragödie: Mehr als 700 Menschen hat sie Anfang April auf dem Mittelmeer vor der Küste Libyens gerettet. Rettungsassistentin Kristin B. und ihr Team waren fast 36 Stunden im Dauereinsatz, um die Schiffbrüchigen zu versorgen.
"Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, dass über 500 Menschen auf ein einziges Holzboot passen", sagt sie. Seit Anfang April verstärkt sie das medizinische Team an Bord der "Frankfurt am Main" - sonst ist sie in Norddeutschland stationiert. Harte Einsätze kennt die 31-Jährige. Sie war bereits mit der Bundeswehr in Afghanistan. Aber dieser Einsatz auf dem Meer sei besonders.
"Man sieht es in ihren Augen"
"Elend gibt es auch in Afghanistan. Aber diese Menschen haben viel Leid und Elend erfahren und das sieht man ihnen an. Wenn man dann noch sieht, wie Menschen aus den Booten springen. Das kann einen schon bedrücken", sagt Kristin B. "Diese Menschen sind einfach gebrandmarkt. Man sieht in ihren Augen, welches Leid sie erfahren haben". Keine Toten in den Booten und keine Kinder - das wünscht sich Kristin B. für diese Fahrt der "Frankfurt am Main".
Bis die ersten Boote auftauchen, geht die Besatzung ihren Routinen nach: Schieß-Übungen am Maschinengewehr, die bordeigene Feuerwehr läuft mit Helmen und Atemgeräten über Deck, um die Brandbekämpfung zu simulieren. Auf dem Vorderdeck prüft Obermaat Jan S. die Beleuchtung in den roten und blauen Containern. Hier ist die erste Station für Migranten, die an Bord kommen. "Das ist ein sehr ungewöhnlicher Einsatz, es kommt vieles auf einen zu, womit man nicht gerechnet hat", sagt der Schiffs-Elektrotechniker, während er an einer Glühbirne schraubt. Neben ihm ein Bild: Eine Pistole und ein Messer in einem durchgestrichenen roten Kreis - "Waffen verboten", soll das heißen. Wenn Migranten an Bord genommen werden, werden sie hier durchsucht, von einem medizinischen Team untersucht und befragt. Danach gibt es neue Kleidung für die Schiffbrüchigen.
Herausforderung: Schlepper-Bekämpfung
Auch Obermaat S. war an Bord, als die "Frankfurt am Main" in wenigen Stunden über 700 Menschen an Bord nahm. "Das ist ein Stress, den man so nicht kennt", sagt er. "Wenn so viele Menschen an Bord kommen, ist jeder hier aufgeregt", sagt der 22-Jährige.
Kaum einfacher ist das zweite große Ziel der Mission: Schlepper bekämpfen. "Zunächst haben die Schlepper die Flüchtlingsboote bis außerhalb der libyschen Gewässer begleitet", sagt Frankfurt-Kommandant Schmekel. "Bis sie gemerkt haben: Da sind Kriegsschiffe, die tun was. Dann sind sie nicht mehr aus den libyschen Territorial-Gewässern herausgekommen". Doch dort dürfen die Schiffe der Operation "Sophia" nicht hineinfahren.
Was die Besatzung tun kann, ist Informationen sammeln. Aufgenommene Flüchtlinge werden befragt - damit hofft die Bundeswehr, mehr über Schlepper-Netzwerke zu erfahren. Doch trotz allen Engagements: Jeder an Bord weiß, dass der EU-Einsatz im Mittelmeer nicht ausreichen wird, um die Flüchtlingskrise zu beenden. "Auf See allein lässt sich kein Problem lösen, das an Land entstanden ist", sagt Kommandant Schmekel.