Bundeswehr prüft Einsatz in Litauen
29. April 2016Er sei "sehr froh" über die Nachricht, dass Deutschland sich im Baltikum militärisch stärker engagieren wolle, sagte der lettische Ministerpräsident Maris Kucinskis (im Artikelbild) nach seinem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Berliner Kanzleramt. Merkel hatte Medienberichte bestätigt, wonach die Bundesregierung ein stärkeres Engagement der Bundeswehr in Litauen prüft.
"Unsere östlichen Nachbarn müssen das Signal erhalten, dass Lettland fest in die Europäische Union und die Nato eingebunden ist", erklärte Kucinskis. "Und daran soll bitteschön niemand rütteln." In Lettland herrsche Konsens darüber, dass sein Land "für immer" zur EU gehöre, betonte Kucinskis. Gerade die baltischen Länder fürchten, dass der "große Nachbar" Russland ihre Westanbindung untergraben will. Daher bauen sie auf die Unterstützung der Nato.
Abschreckung durch militärische Präsenz
Im Nato-Hauptquartier in Brüssel laufen derzeit die Planungen für eine stärkere militärische Präsenz des Bündnisses in Osteuropa. Darauf drängt besonders US-Präsident Barack Obama. "Wir haben die Bündnisverpflichtung, alle Nato-Partner zu verteidigen. Das werden wir auch tun", hatte Obama bei seinem Deutschland-Besuch am vergangenen Sonntag (24.04.2016) erklärt. Dabei sieht er vor allem die europäischen Nato-Mitglieder in der Pflicht.
Dieser Verantwortung will sich die Bundesregierung nicht entziehen und erwägt, Bundeswehr-Soldaten nach Litauen zu schicken. Dort sollen sie die Führungsrolle in einer Truppe übernehmen, in der wechselnde Einheiten aus verschiedenen Nato-Ländern einander ablösen würden.
Dieses Rotations-Verfahren ist der Zusage an Russland geschuldet, dass die Nato nicht dauerhaft Truppen in ihren östlichen Mitgliedsstaaten stationiert. "Für uns ist sehr wichtig, dass wir uns im Rahmen der Nato-Russland-Akte bewegen", sagte Merkel. Sie begrüßte die Wiederaufnahme der Treffen des Nato-Russland-Rats, der Mitte April zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder getagt hatte. Weitere Gespräche hält Merkel für sinnvoll.
Bis zum Gipfel soll die Planung stehen
Wie viele Bundeswehr-Soldaten genau nach Litauen verlegt sollen, steht noch nicht fest. Bis zum nächsten Nato-Gipfel im Juli in Warschau sollen die Planungen abgeschlossen sein. Das Verteidigungsministerium wies darauf hin, dass der geplante Einsatz kein Neuland für die Bundeswehr sei. Schon jetzt gebe es "Übungen in Litauen und vorübergehende Stationierungen über mehrere Monate", sagte ein Ministeriumssprecher. Darauf und auf die Erfahrungen aus den jüngsten Großmanövern der Nato in Osteuropa werde die Bundeswehr aufbauen. Seit der Annexion der Krim durch Russland hat die Nato ihre Präsenz in Osteuropa Schritt für Schritt verstärkt.
Im Bundestag ist die Meinung zu den Plänen der Regierung geteilt. Zustimmung signalisierte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt. Die Ankündigung der Bundesregierung sei "ein wichtiges Zeichen an unsere östlichen Freunde und Verbündete, dass wir ihre Sorgen angesichts des aggressiven Verhaltens Russlands sehr ernst nehmen", sagte der CDU-Abgeordnete. Sein Fraktionskollege Henning Otte ergänzte: "Es gilt, Russland mit einem Zweiklang aus Dialog und Abschreckung zu einem friedlichen Verhalten zu bewegen." Die Europäer müssten bei der Absicherung der Nato-Ostgrenze die Hauptlast tragen.
Wird die Nato-Russland-Akte unterlaufen?
Kritische Stimmen kommen hingegen aus der Opposition. Der Grüne Jürgen Trittin hält die Pläne der Nato für nicht vereinbar mit der Nato-Russland-Akte. "Eine dauerhafte Rotation [von Nato-Truppen] käme einer faktischen Stationierung gleich - und genau die verbietet die Nato-Russland-Akte", sagte Trittin. Eine Beteiligung Deutschlands hieran hält der Grüne für "scheinheilig und falsch", zumal die Bundesregierung sich gleichzeitig um einen Dialog mit Russland bemühe.
"Bundeskanzlerin Angela Merkel begeht eine unverantwortliche Provokation, wenn sie 75 Jahre nach dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion die Bundeswehr zur russischen Grenze schickt“, erklärte Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. Eine dauerhafte Präsenz von Nato-Kampftruppen an der russischen Grenze widerspreche den bestehenden Vereinbarungen mit Russland, kritisierte Wagenknecht. Darüber müsse der Bundestag beraten.