Clark: "EU nimmt langsam Einfluss auf Nkurunziza"
9. Dezember 2015DW: Schon im Vorfeld des Treffens von Vertretern der Europäischen Union (EU) und der burundischen Regierung hatte Brüssel gedroht: Die EU werde ihre Zahlungen einfrieren, wenn das Regime von Präsident Pierre Nkurunziza nicht umgehend die Menschenrechtsverletzungen in Burundi stoppt. Offensichtlich hat das nicht viel geholfen, die Gespräche gelten als gescheitert. Wie bewerten Sie das?
Phil Clark: Es gibt frühe Anzeichen, dass die EU endlich Einfluss nimmt auf Nkurunziza. In den vergangenen 24 Stunden hat die burundische Regierung um die 100 Demonstranten aus dem Gefängnis entlassen. Das war eine der Forderungen der EU: Die Gängelung von Demonstranten zu unterbinden und die Inhaftierten freizulassen. Aber die EU will noch mehr sehen: Sie will, dass die Tötungen aufhören. Sie will, dass die Regierung die Fälle von Folter und Mord in den letzten Monaten untersucht. Solange sich an Nkurunzizas Politik nichts ändert, wird die EU ihre Drohungen wahrmachen und Sanktionen gegen die burundische Regierung einleiten müssen.
Wir sprechen über eine riesige Summe: Von 2014 bis 2020 hat die Europäische Union Burundi ursprünglich Hilfen im Wert von 430 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Hilfsprojekte, die vorwiegend der Regierung nutzen, wurden bereits auf Eis gelegt. Wenn nun die komplette Unterstützung wegfällt, trifft das doch in erster Linie die Zivilbevölkerung.
Das ist der Balanceakt, den die Geberländer vollführen müssen. Burundi ist eines der ärmsten Länder in Afrika. Es hängt fast vollständig am Tropf ausländischer Hilfen. Und das insbesondere wegen Nkurunzizas überaus korrupter Regierung. Das letzte, was die Geber wollen, ist die Situation der einfachen Bevölkerung zu verschlimmern. Und deshalb hat die EU bisher gezögert, die Wirtschaftssanktionen ganz durchzusetzen. Aber es kann sein, dass sie dazu gezwungen wird, weil die Gewalt zunimmt und die Situation sich drastisch verschlechtert.
Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die EU diesen Schritt geht?
Man muss abwarten, ob die EU es Ernst meint. Sie hat immer wieder Sanktionen angedroht und dann aber bei der Umsetzung versagt. Es bleiben also Zweifel.
Gleichzeitig steht die burundische Regierung wirtschaftlich unter großem Druck. Belgien hat seine Hilfsprogramme ganz abgestellt und die Schweiz, Niederlande und Deutschland haben das in Teilen getan. Das Land ist wirtschaftlich am Boden. Und das beeinflusst, ob die Regierung überhaupt noch in der Lage ist zu funktionieren. Wir sehen also, dass die burundische Regierung gezwungen ist, auf die Forderungen der Geldgeber einzugehen. Das ist ein Wendepunkt.
Außerdem konnte Nkurunziza sich bisher darauf verlassen, dass die Geberländer sich untereinander nicht gut abgestimmt haben. Einige haben ihre Mittel ganz zurückgezogen, andere nicht. Aber die Geber treten jetzt geschlossener auf.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich denke, dass die EU abwarten wird, wie Nkurunziza auf die letzten Androhungen von Wirtschaftssanktionen reagiert. Die EU hat sehr deutlich gemacht, was sie von Burundi erwartet: Sie will, dass Demonstranten freigelassen werden, dass die Medienlandschaft geöffnet wird, die Gängelung der Journalisten vor Ort aufhört und eingefrorene Bankkonten von Vertretern der Zivilgesellschaft wieder aufgetaut werden. Es gibt eine regelrechte Checkliste, die die burundische Regierung erfüllen soll. Die Drohung lautet: Wenn die burundische Regierung diese Forderungen nicht erfüllt, treten die Sanktionen in Kraft. Wir werden sehen, wie genau die burundische Regierung darauf reagiert.
Was meinen Sie, wie man die Gewalt in Burundi schnell stoppen kann?
Wir brauchen einen vielschichtigen Ansatz, bei dem viele Akteure zusammenarbeiten. Die Versuche regionaler Mediation müssen weitergehen: Der Druck von der Afrikanischen Union und der Ostafrikanischen Gemeinschaft muss anhalten und sollte noch stärker werden. Ich denke auch, dass die Vereinten Nationen hier eine wichtige Rolle spielen, was einen Dialog auf höchster Ebene betrifft. Wichtig ist, dass Nkurunziza und die politische Opposition miteinander reden. Dieser Dialog muss klarer und systematischer geführt werden.
Und noch etwas: Wir haben gesehen, dass die Gewalt durch Oppositionsparteien und potentielle Rebellengruppen zunimmt. Es ist also nicht nur an der Regierung, die Gewalt einzudämmen. Auch Nicht-Regierungs-Akteure müssen ihre Waffen niederlegen. Das ist etwas, woran die internationalen Vermittler arbeiten müssen: Nicht nur Druck auf die Regierung auszuüben, sondern auch auf Rebellen und Opposition, damit sie die Situation nicht zusätzlich aufheizen.
Phil Clark unterrichtet vergleichende und internationale Politik an der SOAS, dem Institut für Orientalistik und Afrikanistik der Universität London.
Das Interview führte Madelaine Meier