Burundis verpasste Chancen
9. Dezember 2015Burundis Regierungssprecher Willy Nyamitwe ist um ein Lächeln nicht verlegen. Und er ist sich sicher: "Hutus und Tutsis leben zusammen und werden nicht kämpfen. Es droht kein Bürgerkrieg oder Genozid in unserem Land." Es sei nur eine kleine Gruppe, die mit nächtlichen Übergriffen für Unruhe sorge, sagt Nyamwite.
Doch die Vereinten Nationen warnen vor einem Völkermord in Burundi. Das Land hat eine ähnliche ethnische Zusammensetzung wie das Nachbarland Ruanda, dominiert von den Hutu und Tutsi. Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen befeuerten in Burundi von 2003 bis 2006 einen Bürgerkrieg mit über 200.000 Toten. Experten befürchten, dass sich die aktuelle Krise zu einem neuen Bürgerkrieg ausweitet.
Fast jede Nacht wird in der Hauptstadt Bujumbura geschossen, fast jede Nacht hören die Bewohner Explosionen. Fast jeden Morgen werden Leichen gefunden. Die meisten Toten seien Anhänger der Opposition, heißt es.
Hintergrund der anhaltenden Gewalt und Unsicherheit in Burundi ist die Kandidatur und Wiederwahl von Präsident Pierre Nkurunziza.
Die Verfassung erlaubt Burundis Präsidenten zwei Amtszeiten, Nkurunziza ließ sich im Juli für eine dritte Amtszeit wählen.
"Morgen ist es vielleicht schon zu spät"
Der Widerstand gegen diese dritte Amtszeit sei in Burundi ungebrochen, sagt Denis Ndayishemeza von der mittlerweile verbotenen Menschenrechtsorganisation Focode (Forum pour la Conscience et le Développement): "Wir sind in einer Kriegssituation. Wenn wir heute keinen Dialog starten, wird es morgen vielleicht schon zu spät sein. Burundi steht am Abgrund." Die Ängste der Bevölkerung seien gerade auf dem Land deutlich zu spüren, sagt er.
Fast jeder in Bujumbura kennt jemanden, der verhaftet wurde. Auch Taxifahrer Charles, der seinen richtigen Namen nicht sagen möchte. Sein Bruder wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Er soll sich an Demonstrationen beteiligt haben. "Die Polizei kommt ganz plötzlich und nimmt die Menschen fest, die nichts getan haben", sagt er. "Sie stecken sie ins Gefängnis. Dadurch vertraut die Bevölkerung der Polizei nicht mehr."
Seit Monaten verhandeln verschiedenste Personen und Organisationen darüber, wie die Krise in Burundi gelöst werden kann. Beteiligt sind mal die Afrikanische Union, mal die Ostafrikanische Gemeinschaft und mal die Konferenz der Großen Seen, ein Zusammenschluss von zwölf Staaten, dem auch Burundi angehört.
Nur die Hauptperson hält sich zurück: Präsident Nkurunziza. Er gehe seinem Alltagsgeschäft nach, heißt es, treffe seine Soldaten oder das Kabinett. Von einer Krise will er scheinbar nichts wissen. "Er kommt jeden Morgen um 06:30 Uhr in sein Büro und bleibt bis 15 Uhr", sagt sein Sprecher und Berater Nyamitwe. "Leute, die unser Land nicht kennen, denken der Präsident sei unter Druck. Aber er ist wie ich: Er lacht, er trifft Leute, organisiert Besprechungen. Er hat keine Angst."
Nationaler Dialog - aber ohne die Zivilgesellschaft
Burundis Regierung unter Präsident Nkurunziza schlägt einen nationalen Dialog vor und hat eine Kommission eingerichtet, die diesen vorbereiten soll. Jeder Burunder solle daran teilnehmen dürfen, sagt Kommissionpräsident Bischof Justin Nzosaba.
Ein Teil der burundischen Zivilgesellschaft ist jedoch ausgeschlossen: Im November verbot der Innenminister den zehn wichtigsten lokalen Nichtregierungsorganisationen des Landes vorläufig, ihre Arbeit weiterzumachen - wegen Beteiligung an den Protesten. Am nationalen Dialog dürfen sie nicht teilnehmen. "Als Privatpersonen können wir sie natürlich treffen, auch wenn ihre Organisationen geschlossen wurden", sagt Kommissionspräsident Nzosaba.
Für den Menschenrechtler Denis Ndayishemeza, dessen Organisation auch verboten wurde, ist die drängendste Frage aber gar nicht die nach den Teilnehmern: "Das Wichtigste ist, dass alle ihr Bestes geben, dass sie zusammensitzen und darüber diskutieren, wie das Land zurück zum Frieden kommt."
Faustin Ndikumana von der ebenfalls verbotenen Menschenrechtsorganisation Parcem (Parole et Action pour le Réveil des Consciences et l'Evolution des Mentalités) sieht das anders. Ihm ist wichtig, dass auch die vielen Burunder im Exil mitreden können. Doch die trauen sich nicht zurück ins Land. "Wenn wir einen integrierten Dialog führen wollen, müssen wir den Burundern im Exil Straffreiheit anbieten oder den Dialog außerhalb Burundis führen", so Ndikumana.
Keine Anzeichen für Versöhnung auf den Straßen Bujumburas
In Brüssel fanden nun Gespräche zwischen Regierungsvertretern aus Burundi und Vertretern der EU statt. Sie endeten ohne Ergebnis - weder die Erwartungen der EU noch die des burundischen Regierungssprechers Willy Nyamitwe scheinen sich erfüllt zu haben. Nyamitwe sagte vor dem Treffen, er erwarte, "dass endlich die Stimme Burundis gehört wird". Die Beteiligten würden merken, dass sie Burundi auf der Basis falscher Berichte und Äußerungen kritisiert hätten, sagt er. "Wir erwarten von der Europäischen Union, dass sie versteht, dass Burundi seine Entwicklung weiterführen muss und dass sie uns darin unterstützt." Doch Burundi drohen international eher Sanktionen als Verständnis.
Auch auf den Straßen von Bujumbura sei von Öffnung und Dialog nichts zu spüren, sagt Aktivist Denis Ndayishemeza: "Ich wohne in einem Stadtteil, dessen Bewohner überwiegend gegen die dritte Amtszeit von Präsident Nkurunziza sind. Alle Zugänge zum Viertel werden von der Polizei kontrolliert." Regierungssprecher Nyamitwe vertröstet die Gegner Nkurunzizas: "2020 organisieren wir neue Wahlen. Die Menschen müssen also warten, um über einen demokratischen Prozess an die Macht zu kommen."
Doch die Zeit für Burundi drängt. Beobachter befürchten, dass sich der Konflikt über die Landesgrenzen hinweg ausweitet: Seit Wochen kursieren Gerüchte, dass in ruandischen Camps für Flüchtlinge aus Burundi eine Rebellenarmee rekrutiert wird. Die Regierung Ruandas soll daran aktiv beteiligt sein. Journalisten erhalten mittlerweile kaum noch Zugang zum größten Flüchtlingslager im Süden Ruandas.