China und USA suchen Dialog
9. April 2014Auf seiner dreitägigen Chinareise (07. bis 09.04.2014) besichtigte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel in der Stadt Qingdao das Symbol für Chinas militärischen Aufstieg: den Flugzeugträger Liaoning. China kaufte den 60.000-Tonnen Koloss 1998 von der Ukraine und rüstet ihn seither um. Bis er vollständig einsatzbereit ist, könnten zwar noch Jahre vergehen, urteilen Experten, aber schon jetzt unterstreicht er Chinas militärische Ambitionen. Dass nun US-Verteidigungsminister Hagel Gast auf dem Flugzeugträger war, ist "ein wichtiges Symbol. Es zeigt, dass man auf höchster militärischer Ebene miteinander spricht", so der Asienexperte und Sinologe Gerhard Will. Das sei ein Zeichen dafür, dass beide Seiten auf Entspannung setzen.
Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen werden seit einigen Jahren durch Chinas Aufstieg und die daraus resultierenden Machtverschiebungen in Ost- und Südostasien herausgefordert. Ein Indiz für Chinas wachsende geopolitische Ansprüche sind steigende Rüstungsausgaben. 2014 wächst der Wehretat um zwölf Prozent, China hat damit den zweitgrößten Militärhaushalt nach den USA. Die USA antworten auf Chinas wachsende Bedeutung mit verstärktem Engagement in der Region. Der Sicherheitsexperte Michael Paul von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin schlussfolgert: "Chinesische Aufrüstung einerseits und amerikanische Schwerpunktverlagerung nach Asien andererseits, scheinen unaufhaltsam auf eine kommende, direkte Konfrontation hinauszulaufen."
Konflikte im Chinesischen Meer
Auslöser einer solchen Konfrontation könnten Territorialstreitigkeiten zwischen China und den Anrainerstaaten des Chinesischen Meeres sein. Im Ostchinesischen Meer streiten Japan und China um die in Japan Senkaku und in China Diaoyu genannte Inselgruppe, in deren Umgebung Gasfelder vermutet werden. Im Südchinesischen Meer erhebt China Anspruch auf ein Gebiet von fast der anderthalbfachen Größe des Mittelmeers. Auch hier geht es unter zahllosen Inseln um Gas, Öl und reiche Fischgründe. Die Hauptkontrahenten Chinas im Südchinesischen Meer sind Vietnam und die Philippinen.
Als jahrzehntelange Schutzmacht Japans und der Philippinen könnten die USA sowohl im Süd- als auch im Ostchinesischen Meer in einen Konflikt hineingezogen werden. Hagel besuchte auf seiner Asienreise auch Japan. Am Sonntag (06.04.2014) betonte er in Tokio, dass China als große Macht eine große Verantwortung trage. Mit Blick auf die Territorialkonflikte in Asien und Europa sagte er: "Man kann nicht einfach Grenzen verschieben und mit Gewalt, Nötigung oder Einschüchterung die territoriale Integrität souveräner Staaten missachten - unabhängig davon, ob es sich um kleine pazifische Inseln oder große europäische Nationen handelt." Er forderte mehr Transparenz, um "Fehlinterpretationen und Missverständnissen vorzubeugen und letztlich das Risiko für einen Konflikt zu vermindern."
Zum Teil reagierten Kommentatoren aus China sehr scharf. Shen Dingli von der Fudan Universität schrieb: "Derjenige, der sich zurückhält und bei territorialen Konflikten friedlichen Lösungen Priorität gibt, ist China. Diejenigen, die 'überall neue Grenzlinien ziehen', sind Japan und die Philippinen. Und die, die 'mit Gewalt anderen drohen und sie erpressen', sind die USA." Die staatsnahe chinesische Presseagentur Xinhua forderte von Seiten der USA und Verteidigungsminister Hagel eine Bestätigung ihrer chinafreundlichen Absichten und betonte, dass die beiden größten Volkswirtschaften der Erde sich keine Konfrontation leisten könnten.
Gegenwärtige und historische Parallelen
Die von Hagel und auch von manchen Analysten zuweilen gezogene Parallele zwischen der Ukraine-Krise und den Konflikten im Chinesischen Meer hält Asienfachmann Will nicht für überzeugend. Dagegen sprächen schon Chinas eigene Interessen. Referenden wie auf der Krim müsse China mit Blick auf Tibet und Xinjiang, wo ethnische Gruppen auf mehr Unabhängigkeit drängen, als bedrohlich ansehen.
Stattdessen sehen Sicherheitsexperten wie Michael Paul Parallelen zu einer anderen historische Konstellation: die Ausgangslage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914. Paul benennt in einer vor kurzem erschienenen Studie vier zentrale Entwicklungen, die der Katastrophe des Ersten Weltkriegs vorgearbeitet hätten: Einkreisungsängste und Großmachtfantasien, Nationalismus und Flottenrüstung des Deutschen Reiches.
Alle vier Entwicklungen ließen sich mit Blick auf China ebenfalls nachweisen. "Heute strebt die Volksrepublik China klar eine Großmachtrolle in Asien an, und diese hat wie das deutsche Machtstreben eine entscheidende maritime Dimension." Darüber hinaus setze die chinesische Regierung seit Jahren auf die nationalistische Karte. Nicht zuletzt fühle sich China zunehmend umzingelt: "Nach der neuesten Variante dieser Sorge wird China durch die Raketenabwehr der USA und ihrer Verbündeter sichelförmig von Japan über die Südchinesische See bis über Indien hinaus eingekreist."
Paul behauptet nicht, dass vergleichbare historische Konstellationen zu gleichen Ergebnissen führen. Er vertritt allerdings die Ansicht, dass analoge Entwicklungen vergleichbare Gefahren bergen. "Kriege sind selten zwangsläufig. Doch der Friede im Pazifik ist keineswegs sicher."
Wirtschaft kein Garant für Frieden
Der Asienexperte Gerhard Will betont im Interview mit der Deutschen Welle einen zusätzlichen Aspekt. "Ökonomische Beziehungen allein können keine Sicherheitsarchitektur ersetzen." Das sei die wichtigste Lektion von 1914. Das Deutsche Reich sei damals mit den europäischen Nachbarn wirtschaftlich eng verflochten gewesen. Das hätte aber den Krieg nicht verhindern können. Insofern sei es wichtig, die Geschichte zu studieren, was in Südostasien auch geschehe.