Chinas Expansionsdrang gefährdet Frieden und Handel
20. August 2024Das Südchinesische Meer - für die Chinesen ist es schlicht das Südmeer, die Vietnamesen nennen es das Ostmeer - ist ein Teil des Westpazifiks. Das Randmeer mit einer Ausdehnung von etwa 3,5 Millionen Quadratkilometern liegt zwischen China, Taiwan, den Philippinen, Indonesien, Vietnam, Thailand, Kambodscha und Malaysia.
Rund 40 Prozent aller global gehandelten Erdölprodukte werden jährlich über das Südchinesische Meer transportiert. Laut Angaben der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) wird hier ein Drittel des gesamten maritimen Welthandels verschifft.
Ein globaler Wirtschaftsfaktor
Forscher der Duke University im US-Bundesstaat North Carolina schätzen, dass allein zwischen dem Südchinesischem und dem Ostchinesischen Meer, also im Gebiet zwischen China, der koreanischen Halbinsel und Japan, jährlich Waren im Wert von 7,4 Billionen US-Dollar verschifft werden.
Zehntausende Schiffe durchfahren nach Angaben des Washingtoner Think Tanks CSIS (Zentrum für Strategische und Internationale Studien) jährlich das Südchinesische Meer. Sie wickeln dabei 40 Prozent von Chinas Im- und Exporten, mehr als 30 Prozent des indischen und rund 20 Prozent des japanischen Handels mit dem Rest der Welt ab.
Die Wirtschaft der drei Staaten ist vom störungsfreien Verkehr auf diesem Wasserweg abhängig. Das Südchinesische Meer ist sowohl für den innerasiatischen Handel wie für den mit Europa, dem Nahen Osten und Afrika von großer Bedeutung.
China gegen den Rest der Welt
Peking beansprucht fast das gesamte Südchinesische Meer für sich, die anderen Anrainer werfen China vor, ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen zu missachten. Die Volksrepublik ignoriert einen Schlichterspruch des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag, nachdem Peking nach internationaler Rechtsauffassung keinen begründbaren Anspruch für seine Expansion vorweisen kann.
China unternimmt zunehmend aggressive militärische Aktionen auf diesem Seeweg, darunter auch Zusammenstöße mit philippinischen Schiffen - das befeuert Ängste vor einem bewaffnetem Konflikt. Die USA haben wiederholt gewarnt, dass sie im Konfliktfall den Philippinen zu militärischer Hilfe verpflichtet sind, und dass das auch Vorfälle im Südchinesischen Meer einschließt.
Vietnam hat im vergangenen Monat bei den Vereinten Nationen Anspruch auf eine Erweiterung seines Einflusses über die gegenwärtige 200-Seemeilen-Zone hinaus geltend gemacht - Manila hatte im Juni einen ähnlichen Schritt unternommen.
China betrachtet außerdem die Insel Taiwan - die sich nach dem Bürgerkrieg vor 75 Jahren als selbständige Republik gegründet hatte - als "abtrünnige Provinz", die ins chinesische Staatsgebiet eingegliedert werden müsse. Sorgen, Peking könne seinen Anspruch militärisch durchsetzen, befeuern Kriegsängste in der Region zusätzlich.
Die Schätze des Randmeeres
Im Südchinesischen Meer gibt es vermutete oder nachgewiesene Erdgasvorkommen in der Größenordnung von 5,38 Billionen Kubikmeter und etwa elf Milliarden Barrel Erdöl, so die US-Behörde Energy Information Administration (EIA). Im umstrittenen Seegebiet lagern außerdem große Mengen Seltener Erden, die für die chinesische Wirtschaft extrem wichtig sind.
Schätzungen zufolge liegen im Pazifischen Ozean etwa 1000-mal ergiebigere Lagerstätten dieser Erden und Metalle als in allen anderen bekannten Vorkommen. Die Hälfte davon wird derzeit von China kontrolliert und ist für die Transformation zur Nutzung "grüner" Energien unverzichtbar.
Noch ein Krisenherd
Seit dem vergangenen Jahr leidet der Welthandel wegen der Attacken der mit dem Iran verbündeten jemenitischen Huthi-Rebellen im Roten Meer. Die Rebellen beschießen Handelsschiffe als Antwort auf die israelische Gegenoffensive nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023.
Große Reedereien leiten ihre Schiffe nun nicht mehr durch das Rote Meer und den Suezkanal, sondern um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas herum. Das verlängert die Schiffstransporte um jeweils etwa zehn Tage, treibt die Versicherungskosten in die Höhe, belastet die Umwelt, führt zu höheren Treibstoffkosten und hat Verspätungen im Container-Umsatz in Europa und Asien zur Folge.
Während der Krieg im Gaza-Streifen sich auf den gesamten Nahen und Mittleren Osten auszudehnen droht, weil der Iran einen Militärschlag gegen Israel plant und jederzeit ausführen könnte, tut sich mit der von Teheran kontrollierten Straße von Hormus ein weiteres Konfliktfeld auf. Durch die Meerenge am Eingang des Persischen Golfes wird ein Drittel der weltweiten Öltransporte abgewickelt.
Der Iran nimmt seit Jahren regelmäßig Handelsschiffe ins Visier und eine Verschärfung dieser Übergriffe würde von westlichen Staaten als eine ernsthafte Eskalation eingeschätzt. Sollten Reedereien auch diesen Wasserweg meiden, würde das zu noch höheren Kosten und zusätzlichen Verspätungen führen.
Der engste Flaschenhals der Region
Das Hauptkonfliktfeld liegt aber weiterhin im Verhältnis Pekings zu den Philippinen und - natürlich - zu Taiwan. Die wahre Gefahr für den Welthandel droht aber in der Straße von Malakka. Dieser Engpass liegt weiter südlich zwischen Malaysia, Indonesien und Singapur.
Im vergangenen Jahr wurden durch diesen Engpass laut der US-Behörde EIA täglich etwa 23,7 Millionen Barrel Erdöl und verwandte Produkte transportiert. Das ist 13 Prozent mehr, als im selben Zeitraum die Straße von Hormus passierten.
Die Malakka-Straße ist an ihrer engsten Stelle gerade einmal 64 Kilometer breit und ist bereits jetzt durch Schiffskollisionen und extrem dichten Verkehr belastet. Außerdem ist dieses Seegebiet berüchtigt für Raubüberfälle und Piraterie.
Eine Reihe von Geopolitikern und Militärexperten sagen voraus, dass für den Fall eines Überfalls Chinas auf Taiwan die USA mit ihren Verbündeten die Malakkastraße blockieren könnten. Das würde die Versorgung Chinas mit Erdöl gefährden und die Exporte von Asiens größter Volkswirtschaft einschränken.
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.