Chinas Medienoffensive in Europa
13. Februar 2018China ist in den Medien allgegenwärtig. Allein im Jahr 2017 widmete das britische Magazin "Economist" der Volksrepublik zwei Titelstorys. Das deutsche Nachrichtenmagazin der "Spiegel" erklärte China im November 2017 auf seiner Titelseite zur "Weltmacht Nr. 1". Die Artikel drehen sich um Präsident Xi Jinpings Megaprojekt "neue Seidenstraße", sein (verbales) Eintreten für den Freihandel, massive Investitionen in Europa und den dabei befürchteten Ideenklau (etwa bei der Übernahme der Roboter-Firma Kuka), die militärische Aufrüstung oder Chinas Pläne für den totalen Überwachungsstaat.
Die Debatte über den Schutz geistigen Eigentums vor chinesischen Investoren wird schon länger geführt. Doch spätestens seit dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Oktober 2017 geht es nicht mehr nur um die wirtschaftliche, sondern auch um die ideologische Einflussnahme Chinas. Auf dem Parteitag lobte Präsident Xi das autoritäre chinesische Modell als zukunftsweisende Alternative zu der angeblich im Niedergang begriffenen liberalen Demokratie westlicher Provenienz.
China als Modellstaat
Die Berliner Forschungsinstitute "Mercator Institute für China Studies" (Merics) und "Global Public Policy Intitute" (GPPI) warnen in einer aktuellen Studie vor fehlendem Bewusstsein für Chinas wachsenden Einfluss auf die politischen und wirtschaftlichen Eliten, die Medien sowie die Zivilgesellschaft und die akademische Welt in Europa. China sei in all diesen Feldern aktiv, "um die weltweite Wahrnehmung von Chinas politischem und wirtschaftlichem System zu verbessern und es als tragfähige Alternative zur liberalen Demokratie zu positionieren."
Eine Schlüsselrolle nimmt nach Überzeugung der Autoren der Studie "Authoritarian Advance" die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die Medien ein. Wichtigstes Mittel dafür sei die englischsprachige Zeitungsbeilage "China Watch". "China Watch" wird von der größten englischsprachigen Tageszeitung Chinas, "China Daily", erstellt, die sich wie alle Medien in China in staatlicher Hand befindet und als Parteizeitung qualifiziert werden kann. Die Beilage "China Watch" wird als Anzeige geschaltet; beispielsweise von der "Washington Post", der "New York Times", vom britischen "Daily Telegraph", von "Le Figaro" in Frankreich sowie vom "Handelsblatt" und der "Süddeutschen Zeitung" in Deutschland.
Glaubwürdigkeit etablierter Medien nutzen
Der Vorteil dieses Vorgehens liegt nach Ansicht der Autoren der Studie auf der Hand: "Es ist effektiver, bereits etablierte Medienhäuser im jeweiligen Land zu nutzen, insbesondere da diese bei den Lesern mehr Glaubwürdigkeit haben als chinesische Medien." China Watch werde zwar als Anzeige ausgewiesen, ähnele im Layout aber redaktionellen Inhalten, so die Autoren der Studie. China beeinflusse auf diesem Weg die Debatten in Europa. Da die Zeitungen für die Übernahme Geld erhalten, würden sie sich außerdem in eine Abhängigkeit begeben, die China nutzen könnte.
Die Süddeutsche Zeitung erklärte auf Anfrage der Deutschen Welle, dass "China Watch" 2017 nur ein einziges Mal als Fremdbeilage erschienen ist. Sie sei wie folgt gekennzeichnet gewesen: "Diese bezahlte Sonderveröffentlichung wird der Süddeutschen Zeitung beigelegt. Die Redaktion der SZ war bei der Erstellung der bezahlten Sonderveröffentlichung nicht beteiligt." Dem Handelsblatt liegt die Sonderveröffentlichung seit Ende 2015 monatlich bei. Es erklärte gegenüber der DW: "Auf Seite 1 der Beilage heißt es klipp und klar: 'Die bezahlte Sonderveröffentlichung wird dem Handelsblatt beigelegt. Für den redaktionellen Inhalt und das Layout der Beilage ist ausschließlich die Redaktion von China Daily (Volksrepublik China) verantwortlich.'"
Übernahmen und Medienkooperation
Auch über andere Kanäle ist China nach Auffassung der Autoren der Merics-Studie aktiv. Chinesische Investoren versuchen westliche Medienunternehmen zu kaufen, bisher allerdings mit wenig Erfolg. 2017 scheiterte China beim Versuch, das US-Magazin "Forbes" zu kaufen. Allerdings hat das chinesische Konglomerat "CEFC China Energy" gerade ein Gebot für die "Central European Media Enterprises" abgegeben, die in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Rumänien und der Slowakei aktiv sind, wie auch Reuters im Dezember berichtete. Das Bieterverfahren ist nicht abgeschlossen.
Eine weiterer Ansatzpunkt Chinas sind Medienkooperationen und Medienforen. Kooperationen dienen dem Austausch von Inhalten, die auf diese Weise allerdings der Kontrolle der chinesischen Staatsmedien unterworfen werden. Medienforen dienen China dazu, seine Vorstellungen von Journalismus zu propagieren: "Praktisch bedeutet das, dass China seine Überzeugung propagiert, nach der Medien die Mächtigen nicht kritisieren, sondern mit ihnen zusammenarbeiten sollen. Im internationalen Kontext geht es dieser Logik zufolge darum, die Freundschaft zwischen den Staaten zu fördern." Als Beispiele für derartige Medienforen nennt die Studie etwa das "Media Forum China - Germany - USA", das neben anderen von der Robert Bosch Stiftung und der chinesischen Global Times von 2010 bis 2017 ausgerichtet wurde.
Kritische Debatte und Transparenz
Die Autoren sehen eine Gefahr in Europas "einseitiger Offenheit", die China nutze, um seine Botschaft zu platzieren und gleichzeitig europäischen Medien den Zugang zum chinesischen Markt zu verwehren.
Von der Zensur ist auch die Deutsche Welle betroffen, die ein chinesischsprachiges Online-Programm anbietet. Zugleich liefert die DW Beiträge ihres Lifestyle-Magazins Euromaxx an die chinesische Pay-TV-Plattform CPD und stellt chinesischen Onlineplattformen die kostenlosen Sprachkurse der DW zur Verfügung.
Hinsichtlich der Medien fordern die Autoren der Studie zu einer kritischeren Debatte der chinesischen Medienoffensive auf und fordern mehr Transparenz, wenn chinesische Staatsmedien involviert sind.
Friederike Böge, die China-Korrespondentin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, begrüßt zwar, dass die Studie aufzeige, wie systematisch China vorgehe, hält aber die Kritik an den deutschen Zeitungen für überzogen. Sie erinnert mit dem amerikanischen Politologen Joseph Nye auch daran, dass Offenheit letztlich die größte Stärke der Demokratie ist.