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Der Run auf den Impfstoff

19. Mai 2020

Meldungen aus den USA von Erfolgen mit einem Corona-Impfstoff beflügeln die Phantasie und die Börsen. Weltweit sind Forscher, Finanziers und Politiker im Einsatz bei der Operation Impfschutz. Es geht um Milliarden.

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Symbolbild Forschung an einem Impfstoff gegen Covid-19
Bild: picture-alliance/ANE

Es war nicht das erste Mal, dass die Börsen wegen Meldungen von der Impfstoff-Front einen Satz machten. Aber am Wochenbeginn war er ziemlich kräftig, in New York, wie in Tokio und dann auch in Frankfurt. Ausgelöst wurde er durch Meldungen rund um den Pharmakonzern Moderna. Der ist der Erste, der in den Vereinigten Staaten einen Covid-19-Impfstoff an Menschen getestet hat. Solche praktischen Tests gibt es auch in China, in Großbritannien und in Deutschland. Aber in den USA fließt besonders viel Geld in das Projekt Impfstoff gegen Covid-19.

Weltweit wird an mehr als 100 möglichen Wirkstoffen für einen Impfstoff gearbeitet. Die Zahl der Impfstoffprojekte liegt bei über 120, von kleinen Firmen wie Biontech aus Mainz oder Curevac in Tübingen bis zu Weltkonzernen wie Sanofi und GlaxoSmithKline. Und eben auch Moderna aus Boston in den USA. Die Aktien von Moderna verzeichneten ein Plus von fast 20 Prozent, nachdem ein Impfstoff-Kandidat der Firma bei ersten Tests vielversprechende Ergebnisse gezeigt hatte.

Die US-Gesundheitsbehörde FDA stellte daraufhin eine beschleunigte Zulassung des Mittels in Aussicht. Moderna hat den Angaben zufolge eine Vereinbarung mit der Schweizer Pharmafirma Lonza, um den Impfstoff nach der Zulassung in großen Mengen herstellen zu können. In Zürich stiegen Lonza-Aktien zeitweise um mehr als vier Prozent auf ein Rekordhoch.

Infografik Marktanteile Impfstoffproduzenten

Impfstoff mRNA-1273

Der gemeinsam mit der US-Gesundheitsbehörde NIH entwickelte Impfstoff mRNA-1273 habe bei acht von 45 Studienteilnehmern eine Immunreaktion hervorgerufen, teilte Moderna am Montag mit. "Obwohl sie als vorläufig zu betrachten sind, zeigen die Zwischenergebnisse der ersten Phase, dass eine Impfung mit mRNA-1273 eine Immunreaktion in der gleichen Größenordnung auslösen kann, wie sie durch eine natürlich ausgelöste Infektion hervorgerufen wird", erklärte Tal Zaks, medizinischer Leiter von Moderna. Die vollständigen Ergebnisse der ersten Phase der klinischen Tests sind jedoch noch nicht bekannt.

Die US-Regierung steckt über zwei unterschiedliche Programme Milliarden in die Impfstoff-Entwicklung. Zuerst setzte Washington dabei auf die private Wirtschaft und ein entsprechendes Förderprogramm. Dafür stehen der staatlichen Behörde BARDA (für "Biomedical Advanced Research an Development Authority") 3, 5 Milliarden Dollar zur Verfügung. Auch Moderna bekommt Mittel aus diesem Topf.

Etwas später kam die Operation Warp Speed dazu, Ende April war erstmals die Rede davon, inzwischen hat US-Präsident Trump sie öffentlich vorgestellt, jedenfalls in Teilen. Mit nun insgesamt zehn Millarden Dollar wird die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs zur nationalen Aufgabe, bei der Trump an das Manhatten Project erinnerte, das US-Projekt zur Entwicklung der Atombombe in den 1940er Jahren. Warp Speed heißt so viel wie Überlichtgeschwindigkeit, Details des Programms bleiben geheim, aber man weiß, dass 14 mögliche Impfstoffe nun besonders geprüft werden.

Impfstoff-Forschung in den USA - hier in San Diego, Kalifornien
Impfstoff-Forschung in den USA - hier in San Diego, Kalifornien Bild: Reuters/B. Guan

Bosten, Oxford, Mainz und Tübingen

Von Washington nach Oxford in Großbritannien: Forscher der dortigen Universität haben bereits im April mit klinischen Tests an über 1000 Freiwilligen begonnen. Das Projekt läuft in Kooperation mit dem Pharmariesen Astra-Zeneca. Wie immer geht es auch dabei darum, sicherzustellen, dass ein potentiell vielversprechender Impfstoff gegebenenfalls schnell und in vielen Millionen Dosen hergestellt werden kann.

Für solcherart Unterstützung - bei Forschung und Produktionsabsicherung - hat die Europäische Union jüngst 7,4 Milliarden Euro bei einer internationalen Konferenz eingesammelt. An wen diese Gelder gehen, soll nicht von Landesgrenzen bestimmt werden. Die erste klinische Studie in Deutschland führte Biontech aus Mainz bereits seit einiger Zeit an gesunden Patienten durch, ab Ende Juni könnten Daten vorliegen. Hier sind als Partner der US-Konzern Pfizer und das chinesische Unternehmen Fosun Pharma mit dabei. Bei einer Zulassung könne man mit Pfizer bis Jahresende Millionen Impfstoffdosen bereitstellen, sagt Biontech-Chef Ugur Sahin. Ein anderer Player in dem weltumspannenden Rennen ist Curevac aus Tübingen. Laut Miteigner Dietmar Hopp könnten hier klinische Tests im "Frühsommer" beginnen. "Wir wären also in der Lage, den Impfstoff im Herbst zu liefern. "

Impfstoff-Forschung in Deutschland, hier in Tübingen
Impfstoff-Forschung in Deutschland, hier in Tübingen Bild: picture-alliance/dpa/J.-P. Strobel

Doch solche Zeitpläne sind ehrgeizig. Denn die Testphase an tausenden Probanden muss beweisen, dass der Impstoff sicher wirkt und nicht schadet. Jedenfalls ist in der Pharmabranche das Rennen um den Corona-Impfstoff voll im Gange. "Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen", sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Beratungsfirma Roland Berger. Und: "Noch nie gab es eine konzertierte Aktion so vieler forschender Pharmafirmen", so Kaltenbach.

Auftrag an den General

Olaf Tölke, Pharmaexperte bei der Rating-Agentur Scope, glaubt aber nicht, dass schon dieses Jahr ein Impfstoff gegen das Corona-Virus vorliegt. Die Entwicklung eines Impfstoffs kostet Hunderte Millionen Euro, meint auch Tölke. "Die Unternehmen tragen das Risiko, im Rennen mit der Konkurrenz zu spät zu kommen." Dieses Risiko soll die öffentliche Förderung abfedern. 

"Da Milliarden Menschen gegen das Coronavirus geimpft werden könnten, muss das Mittel nicht so teuer sein", sagt Tölke. Ein Impfstoff wäre für die Pharmabranche also im Fall der Fälle ein lukratives Geschäft: "Wer zuerst einen Impfstoff hat, kann auf Milliardengewinne hoffen. Die ganze Welt wird sich darauf stürzen."

China hat da einen nicht zu übersehenden Vorsprung. Schon Mitte Januar erhielt Chen Wie, Generalmajor des chinesischen Militärs, so berichtete es die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Auftrag, an der Erforschung eines Impfstoffs zu arbeiten. Der Rest der Welt bekam erst Ende Januar Zugang zu den ersten Proben des neuartigen Virus.  

 ar/hb (dpa, rtr – Archiv)