1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Corona: Impfen im Einkaufszentrum

Kay-Alexander Scholz
29. Oktober 2021

Die Impfquote steigern und Booster-Impfungen anbieten. Zwei Strategien gegen Corona, die eines gemeinsam haben: Der Impfstoff muss zu den Menschen. Berlin zeigt, wie es gehen kann.

https://p.dw.com/p/42DFw
Deutschland | Impfstation im Berliner Einkaufszentrum Alexa; Man sieht ein Schild mit der Aufschrift: "Ohne lästiges Anmelden!!! Ohne Termin" und "Heute: Moderna".
Ohne Anmeldung, ohne Termin: Mit niedrigschwelligen Angeboten die Menschen erreichenBild: Kay-Alexander Scholz

Das "Alexa" am Berliner Alexanderplatz ist eines der belebtesten Einkaufszentren in Deutschlands Hauptstadt. An Corona erinnert hier nur noch wenig. Die Aufkleber zum Abstandhalten mit der Aufschrift "Bitte hier warten. Danke!" auf dem Fußboden im Eingangsbereich werden einfach überrannt.

Doch wer mit der Rolltreppe hochfährt in die erste Etage, der steht plötzlich vor einem für diesen Konsumtempel ungewöhnlichen Angebot. Erkennbar an den Leuten vom Deutschen Roten Kreuz. Sie sind im Einsatz für die Impf-Station im "Alexa". Die Station ist das Neueste zum Thema Impfen, was Berlin zur Pandemiebekämpfung derzeit anbietet.

Direkt vor der Station steht Konstantin Keesmann. Mit dem Smartphone in der Hand redet er, dirigiert er, regelt Dinge. Die Impf-Station im Einkaufszentrum war seine Idee. Eigentlich arbeitet der 33-Jährige als Katastrophenmanager beim Bezirksamt in Berlin-Mitte. Nun gilt Keesmann als Pionier beim Thema niederschwellige Impfangebote.

Deutschland | Konstantin Keesmann an der Impfstation im Alexa in Berlin
Konstantin Keesmann will den Impfstoff zu den Menschen bringenBild: Kay-Alexander Scholz

In gerade mal zwei Tagen habe er sein Konzept für die Impf-Station im "Alexa" erstellt, erzählt der Mann mit dem modischen Kurzhaarschnitt. Und prompt habe er das Okay dafür bekommen. "Dann ging alles sehr schnell: Montag Verträge gemacht, Dienstag Aufbau, Mittwoch Start", freut sich der Katastrophenmanager. 

"Entspannte Atmosphäre"

Im Schaufenster steht auf einer Tafel der Hinweis "Heute: Moderna"; die Impf-Station spielt mit der typischen Einkaufskommunikation. Drinnen ist nicht viel Platz auf den rund 80 Quadratmetern: Links zwei Kabinen fürs Impfen und eine für mögliche Notfälle; rechts zwei Schreibtische für Formulare.

An der Rückwand erinnern leere Schuh-Halter daran, dass hier vor kurzem noch Schuhe über den Ladentisch gingen. Rote Absperrseile auf goldfarbenen Haltern verleihen dem Ort einen edlen Hauch von Exklusivität; mit den meist steril wirkenden großen Impfzentren hat das hier wenig zu tun.

Deutschland | Impfstation im Alexa in Berlin. Junge Frau vom Roten Kreuz lehnt an einer unverputzten Ziegelsteinwand, vor ihr rote Absperrseile auf goldenen Haltern
Ein Hauch von Exklusivität - und weit entfernt von der sterilen Atmosphäre der ImpfzentrenBild: Kay-Alexander Scholz

 Rings um die Wahlen Ende September machte die Berliner Verwaltung unlängst - wieder einmal - negative Schlagzeilen. Keesmann richtet seinen Blick aufs Positive: "Es gibt auch Freiraum in der Politik", stellt er fest. Freiraum, den er genutzt hat. Keesmann ist flink und kann überzeugen. Das Erfolgsrezept für seine Impf-Station fasst er in einem Satz zusammen: "Man soll die Leute in einer Atmosphäre abholen, wo sie entspannt rankommen - ohne Stress, mit wenig Wegen und einer guten Infrastruktur." Sein Konzept hat bereits anderenorts in Berlin Nachahmer gefunden.

"Die erste Impfung bei Ikea, die zweite bei Alexa"

Vielleicht ein Dutzend Impf-Interessenten haben sich in die Warteschlange eingereiht. Die windet um die Ecke in ein Treppenhaus. Auf diese Weise wird der Shopping-Betrieb rundherum kaum gestört. Ganz hinten steht Nadia und füllt gerade ihren Impfbogen aus. "Die erste Impfung bei Ikea, die zweite bei Alexa", sagt sie schmunzelnd. Vor ihr steht ein junger Mann. Für den war der Standortvorteil entscheidend: Er wohnt nur zwei Straßen entfernt. Hier holt er sich ohne großen Aufwand seine Auffrischungsimpfung ab. Das können alle machen, die bislang nur eine Spritze mit dem Vakzin von Johnson&Johnson bekommen haben.

Impfstation Berlin-Mitte im „Alexa“-Einkaufszentrum
Nach der Impfung ist eine Viertelstunde Ruhe angesagt - im "Alexa" auf einer Sitz-Insel Bild: Kay-Alexander Scholz/DW

Gegenüber gibt es eine Sitz-Insel für die gerade Geimpften - schick, gemütlich, mit Blick auf das Shopping-Geschehen. Auf den Polstern können die Impflinge die empfohlene 15-minütige Ruhezeit nach der Spritze verbringen.

Das Ehepaar Spiewok hat hier Platz genommen. Beide sind über 80, wohnen ein paar U-Bahn-Stationen entfernt. "Ich bin hier sowieso ständig - und da dachte ich mir, guck ich Mal, ob wir uns hier unsere dritte Impfung holen können", erzählt der Mann. Seine Frau könne nicht lange stehen, deshalb sei ihnen eine kurze Wartezeit wichtig gewesen. "Das ging auch", bestätigt sie, "und ganz ohne Anmeldung - super!" Beide zeigen sich "sehr zufrieden". Ihre dritte Impfung, die sogenannte Booster-Impfung, hätten sie jetzt genau sechs Monate nach der letzten Spritze bekommen. Stolz zeigen sie auf ihre Eintragungen im gelben Impfausweis. Sechs Monate ist der Zeitraum, der offiziell empfohlen wird.

Beim Hausarzt ging es nicht

Die Spiewoks gehören zu den Bevölkerungsgruppen, für die eine Drittimpfung empfohlen wird: Menschen über 70, medizinisches Personal, Bewohner und Betreuer von Alten- und Pflegeheimen.

Nebenan sitzt eine ältere Dame zusammen mit ihrem Sohn. Frau Grothe wohnt in den Außenbezirken und erklärt, sie sei "wirklich froh", hier einen Ort für ihre Booster-Impfung gefunden zu haben, zu dem sie auch noch relativ einfach mit der S-Bahn fahren könne. Bei ihrem Hausarzt hätte sie die dritte Impfung nicht bekommen können, wegen der Logistik: Eine Ampulle enthält sechs Impfdosen; auch für die anderen fünf hätten dann Impflinge Leute vor Ort sein müssen. "Ich kann meinen Hausarzt verstehen", sagt Frau Grothe.

Auch ihr Sohn lobt das Impfen ohne Anmeldung im Einkaufszentrum. "Hier kann man ohne Termin auch am Samstag schnell herkommen, oder unter der Woche nach der Schicht", sagt er. Für viele sei es bislang schwierig gewesen, neben der Arbeit zeitlich einen Impftermin zu organisieren in einem der oft abseits gelegenen Impfzentren. Ein weiterer Vorteil sei, sagt er mit fürsorgendem Blick auf seine Mutter, dass hier die Leute nicht im Freien in einer Schlange warten müssten.

"Das hier spricht sich rum", gibt sich Frau Grothe abschließend überzeugt.

Macht die neue Regierung mit?

Herumgesprochen hat es sich anscheinend schon, berichtet Impfleiter Keesmann: "Wir sind bereits fast an der Kapazitätsgrenze." 200 Impfungen am Tag seien inzwischen das Minimum, darunter 50 bis 60 Erstimpfungen.

Trotz des Zuspruchs: Keesmann macht sich Sorgen um die Zukunft. "Wir sind bei der Impfstoff-Zulieferung abhängig vom Senat - und der bildet sich gerade neu", sagt er mit Blick auf die politische Lage. Damit blieben Unsicherheiten, wie es mit der Corona-Bekämpfung weitergeht. Keesmanns Hoffnung: Die Station auch übers Jahresende hinaus betreiben zu können.

Die Zeichen dafür stehen günstig. Gerade erst hat die Bundesregierung dazu aufgerufen,das Angebot für Booster-Impfungen wahrzunehmen. Doch für deren Organisation sind die einzelnen Bundesländer zuständig, wie in Keesmanns Fall Berlin. Überraschungen sind hier erfahrungsgemäß nicht auszuschließen.