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Rosskur für die Deutsche Bank

Rolf Wenkel 30. Juli 2015

Die Deutsche Bank hat im zweiten Quartal einen deutlichen Gewinnsprung geschafft. Aber das reicht dem neuen Chef, dem Briten John Cryan, nicht. Er will mit einer Radikalkur Kosten und Altlasten drücken.

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John Cryan wird neuer Chef der Deutschen Bank
Bild: AFP/Getty Images/S. Derungs

John Cryan, der neue Chef der Deutschen Bank, will das Image des größten deutschen Geldhauses aufpolieren und zahlreiche Baustellen aufräumen. Beruhigend für ihn ist, dass er sich ganz offensichtlich nicht um das Tagesgeschäft kümmern muss. Denn im zweiten Quartal kletterten die Gewinne kräftig nach oben.

Die Konzernerträge stiegen um 17 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro, der Gewinn vor Abzug der Steuern belief sich im zweiten Quartal 2015 auf 1,2 Milliarden nach 917 Millionen im gleichen Vorjahresquartal. Nach Abzug der Steuern blieben 812 Millionen Euro in der Konzernkasse hängen – im zweiten Quartal 2014 waren es nur 238 Millionen gewesen.

"Das zweite Quartal verdeutlicht die Stärken der Deutschen Bank, aber auch die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen“, sagte der Brite John Cryan bei der Vorlage der Zwischenbilanz am Donnerstag in Frankfurt. "Das solide Ertragswachstum unterstreicht die grundlegende Stärke unseres Geschäfts und das Engagement unserer Mitarbeiter" so Cryan weiter.

"Keine Frage der Strategie"

"Allerdings werden auch unsere Herausforderungen deutlich: Inakzeptabel hohe Kosten, anhaltend hohe Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten, zu bilanzintensive Geschäfte und insgesamt eine Rendite für unsere Aktionäre, die zu niedrig ist.“ Kein Zweifel: Gerade mal vier Wochen im Amt, will der als Sanierer gerühmte ehemalige Finanzvorstand der Schweizer Großbank UBS das Frankfurter Geldhaus gründlich aufräumen. "Diese Themen müssen wir angehen - das ist keine Frage der Strategie."

Was Cryan per E-Mail seinen gut 98.000 Beschäftigten ankündigt, Klingt fast wie eine Drohung, sich von einigen Geschäftsfeldern zu trennen und Personal abzubauen: "Damit unsere Strategie Erfolg hat, müssen wir effizienter werden. Wir müssen diszipliniert sein bei der Frage, wie, wo und mit wem wir Geschäfte tätigen. Wir müssen alle Länder, Geschäftsfelder, Produkte und Geschäftsbeziehungen, die ökonomisch nicht vertretbar sind, kritisch betrachten."

Cryan will unter anderem die Bilanzsumme der Deutschen Bank verkleinern, "indem wir die vielen Aktiva mit geringen Erträgen abbauen. Die Komplexität unserer Organisation müssen wir reduzieren, denn diese verhindert effektive Entscheidungen und führt zu verschwenderisch hohen Kosten. Nur so können wir attraktive Erträge für unsere Aktionäre verdienen."

Rückstand aufholen

Cryan sitzt seit dem 1. Juli auf dem Chefsessel. Er löste Anshu Jain ab, der nach Kritik von Aufsehern und Investoren zurückgetreten war, weil der jahrelange Konzernumbau nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht hat. Jürgen Fitschen, der bis zur Hauptversammlung im Mai 2016 offiziell noch Partner an der Doppelspitze ist, kam bei der Präsentation der Zwischenbilanz nicht mehr zu Wort.

Bei der Rendite ist die Bank hinter den Erwartungen geblieben, die Dividende stagniert, während die US-Konkurrenz davonzieht. Auch viele europäische Großbanken haben in den vergangenen Jahren konsequenter gespart als die Deutsche Bank. Hier sollen jetzt mit die neuen "Strategie 2020" Rückstände gegenüber der Konkurrenz aufgeholt werden.

Cryan, der die letzten zwei Jahre im Aufsichtsrat saß, hat die Umbaupläne mit entwickelt. Details will er im Herbst vorstellen. Im Kern geht es darum, kleiner zu werden - unter anderem durch den Verkauf der Postbank, den Rückbau des Privatkundengeschäfts und einen Rückzug aus mehreren Ländern. Auf eine Kapitalerhöhung will Cryan verzichten. "Ich weiß, dass es diese Spekulationen gibt», sagte er am Donnerstag in einer Telefonkonferenz. "Eine weitere Kapitalerhöhung wird unsere Kernprobleme nicht lösen." Zudem sei die Ausgabe neuer Aktien nicht im Interesse der Aktionäre. "Unsere größte Herausforderung ist nicht strategischer Natur, wir haben ein strukturelles Kostenproblem, das ist offensichtlich."

"Status Quo ist keine Option"

Auch die Investmentbank, die besonders viel Kapital braucht, soll abspecken. Beobachter erwarten, dass konzernweit tausende Jobs wegfallen."Veränderungen können belastend sein, aber den Status quo beizubehalten, ist keine Option", schreibt Cryan. Der Konzern hatte angekündigt, bis Ende Oktober Finanzmärkte und Öffentlichkeit über weitere strategische Schritte bis 2020 zu informieren.

Absehbar ist aber bereits, dass Cryan im Investmentbanking härter durchgreifen wird als sein Vorgänger Anshu Jain, der die Sparte über Jahre führte. Das bilanzintensive Geschäft sei "ein Luxus, den wir uns nicht mehr erlauben können". Hinzu kommt: Viele Rechtsstreitigkeiten, mit denen sich die Bank heute herumschlagen muss, haben ihre Wurzeln im Kapitalmarktgeschäft, wo die Deutsche Bank zu Jains Zeiten das große Rad drehte.

Die Liste der Verfahren und Streitfälle füllt sechs Seiten im aktuellen Zwischenbericht - unter anderem: Zinsmanipulation (Libor), fragwürdige Hypothekengeschäfte, Geldwäscheverdacht, kritische Fragen diverser Aufsichtsbehörden zum Devisenhandel und zum Gold-Fixing. Insgesamt hat die Deutsche Bank für juristische Altlasten aktuell 3,8 Milliarden Euro zurückgelegt. Die Rechtsrisiken, für die noch kein Geld bereitgelegt wurde, beziffert das Institut auf 3,2 Milliarden Euro.