Elon Musk hat selbst Schuld. Er hat sie herausgefordert, die deutschen Autobauer. Pflanzt ihnen irgendwo im märkischen Sand eine Fabrik vor die Nase. In rasender Geschwindigkeit - und wenn nicht noch irgendein seltenes und schutzbedürftiges Tier aus den brandenburgischen Kiefernwäldern auftaucht, dann spuckt diese Gigafactory (bei Elon ist alles giga) ab dem Sommer die ersten und später hunderttausende Elektroautos auf den Markt.
Das konnten sich die Herren Diess, Källenius und Zipse nicht gefallen lassen. Die Chefs von Volkswagen, Daimler und BMW, die sich (wie ihre Vorgänger) lange genug anhören mussten: Ihr packt das einfach nicht mit dem Elektroauto, ihr seid zu verliebt in eure tollen Verbrennungsmotoren. Vor allem Herbert Diess spielte plötzlich den Frontrunner und krempelt seit einiger Zeit - davon getrieben, das miese Image des Konzerns als Dieselbetrüger loszuwerden - den Volkswagen-Konzern auf elektrisch um.
Bedankt euch bei Elon Musk!
Ironie am Rande: Dieser Tage wurde bekannt, dass er - Diess - 2015 ein Angebot von Elon Musk auf dem Tisch hatte, Tesla-Chef zu werden. Diess war damals gerade gescheitert, Chef von BMW zu werden und dabei, in Wolfsburg anzudocken, wo er ja dann auch landete. Aber Diess und Musk machen seither trotzdem auf best buddies, wertschätzen sich gegenseitig. Und das, obwohl Diess wie Ola Källenius und Oliver Zipse ja eigentlich kein CEO mehr ist, sondern vor allem Tesla-Jäger. Das ist die neue Kategorie in der Autobranche. Was bedeutet: Ohne den lange belächelten Elon Musk wäre die Branche nicht so elektrisiert, ihre Autos zu elektrifizieren.
VW hat hierzulande mit dem Standort Zwickau vorgemacht, wie es gehen soll: Dort wurde eine ganze Fabrik umgebaut - seit ein paar Monaten werden dort nur noch E-Autos montiert. Andere Werke sollen folgen. BMW, die in Deutschland die ersten waren und schon 2013 den vollelektrischen i3 auf die Straße brachten, dann aber den Mut verloren, will jetzt auch zulegen und bis 2030 die Hälfte aller Autos mit reinen E-Antrieb ausliefern. Und nun also Daimler. So lange dort Dieter Zetsche das Sagen hatte, spielte Elektromobilität eher eine Nebenrolle. Das änderte sich mit seinem Nachfolger Ola Källenius, der seit zwei Jahren auf dem Chefsessel sitzt.
Daimlers frühe Ehe mit Tesla
Das ein oder andere E-Modell haben die Schwaben mittlerweile im Angebot, nun aber kommt der EQS, die S-Klasse in elektrisch. Die S-Klasse ist bei Mercedes immer die Benchmark, dort steckt der Konzern alles rein, was technisch möglich ist - und auch das meiste Geld. Das muss dann klappen - und es klappt meistens auch. Und deswegen stellt sich der Schwede Källenius auch hin und sagt: "So was hat die Welt noch nicht gesehen!" Das ist ein Kampfansage an, ganz klar: Tesla!
Dabei hat auch der Daimler-Konzern eine ganz spezielle Beziehung zu den Kaliforniern - gehörte den Schwaben in den Anfangsjahren doch ein beachtliches Aktienpaket von Tesla. Die waren damals (2009) noch ein Startup und hätten ohne diese Finanzspritze vielleicht gar nicht überlebt. Vor sechs Jahren trennte sich Daimler von den Anteilen zwar mit ordentlichem Gewinn - doch gemessen am heutigen Tesla-Kurs waren die 600 Millionen Euro Peanuts. Tesla ist derzeit an der Börse siebenmal so viel Wert wie der Partner von einst. Auch das könnte ein Grund sein, warum nicht wenige Daimler-Ingenieure in Untertürkheim Tschüss gesagt und nunmehr in Grünheide bei Tesla angeheuert haben.
Revolution mit Risiko
Ein weiteres Anzeichen dafür, dass nun auch im Autoland Deutschland das elektrische Zeitalter beginnen dürfte. Tatsächlich sieht man im Straßenbild immer mehr E-Autos - oft ganz dicke, dreieinhalb Tonnen schwere Geschosse. Ob es umweltfreundlicher ist, mit diesen Panzern mit einer ebenfalls tonnenschweren Batterie durch die Welt zu fahren, darf bezweifelt werden. Denn noch immer gehen 40 Prozent der Treibhausgas-Emission, die bei der Herstellung eines E-Autos entstehen, auf die Batteriefertigung zurück. Von den vielen Rohstoffen, die oft unter fragwürdigen Bedingungen abgebaut werden, ganz zu schweigen. Und schon heute tut sich ein beachtlicher Berg an zu recycelnden Batterien auf, die aus Vorserien oder Rückrufen stammen.
Das ist die nächste Baustelle für die Autokonzerne. Neben der Herausforderung, funktionierende Betriebssysteme für die "Smartphones auf vier Rädern" zu entwickeln (was noch keiner der deutschen Hersteller hat, Tesla aber schon), müssen das Recycling und die umweltfreundlichere Produktion der Batterien oberste Priorität haben. Ansonsten endet das Abenteuer Elektroauto wie die Kernenergie: mit abgeschalteten Atomkraftwerken und einer Unmenge von atomarem Abfall, von dem niemand weiß, wohin damit.