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Politik

Der "heiße Atem" der CDU-Basis

Kay-Alexander Scholz
17. Februar 2018

Auf einem Sonderparteitag stimmte die Dresdener CDU über den Koalitionsvertrag ab. Das Ergebnis war knapp. Und die Diskussion zeigt, wie nah die AfD schon ist. Aus Dresden Kay-Alexander Scholz.

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Dresden CDU Kreisverband
Bild: DW/K.-A. Scholz

Aus dem Bundesland Sachsen kam in den letzten Jahren so manche politische Schlagzeile: In der Landeshauptstadt Sachsen entstand die islamfeindliche Pegida-Bewegung. Dort, im östlichsten Bundesland Deutschlands, feierte die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AFD) mit ihrer Ex-Vorsitzenden Frauke Petry erste größere Erfolge. Und bei der Bundestagswahl im September holte die AfD sogar ein besseres Ergebnis als die Partei von Angela Merkel, die Christdemokratische Union Deutschland (CDU).

Fast hätte es nun eine neue Schlagzeile vom Land an der Grenze zu Tschechien und Polen gegeben: Dass nämlich in Dresden die dortige CDU den gerade beschlossenen, 177 Seiten starken Koalitionsvertrag in Berlin mehrheitlich ablehnt. Die Revolution aber blieb aus, ganz so weit gingen die Dresdner CDU-Mitglieder nicht; auch wenn das Ergebnis relativ knapp ausfällt: 60 Parteimitglieder stimmten für den Vertrag, 48 dagegen. Allen gemeinsam ist: Sie sind unzufrieden mit der Situation. Und viele stimmten nur zu, um Schlimmeres - wie eine Minderheitsregierung zum Beispiel - zu verhindern.

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CDU in Dresden: GroKo: Ja oder Nein?Bild: DW/K.-A. Scholz

Merkels Kinder

Sachsen war in den Jahren nach der deutsch-deutschen Wiedervereinigung 1990 das Kernland der CDU im Osten Deutschlands. Doch die Zeiten einer Alleinregierung sind vorbei. Obwohl die CDU, besonders in Dresden, noch immer sehr präsent sei, berichtete eine Journalistin, die seit 20 Jahren aus Sachsen arbeitet. Wer etwas werden wolle, müsse hier in die CDU, sagt sie. Das könne erklären, warum auffallend viele junge Leute beim Sonderparteitag der CDU Dresden waren. Sie gehören zur "Jungen Union", der Nachwuchsorganisation der CDU. Hier werden Netzwerke aufgebaut und Karrieren geboren.

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Jonathan Siever: CDU-Nachwuchs auf KonfrontationskursBild: DW/K.-A. Scholz

Einer der jungen Nachwuchspolitiker, der 20-jährige Jonathan Siever, äußerte seine Kritik besonders blumig. Er stimme gegen den Vertrag, damit Frau Merkel, "den heißen Atem der Partei im Nacken spüre". Merkel müsse zur Räson gebracht werden. "Fräulein, so nicht!", rief der junge CDUler. Ob er damit seiner Karriere in der Partei einen Gefallen getan hat? Seine Kritik beziehe er vor allem auf die seiner Meinung nach falsche Struktur des EU-Parlaments und die mögliche Verlagerung deutscher Parlamentsrechte nach Brüssel.

Alles nur Show?

Es gab 20 Wortmeldungen in zwei Stunden. Die Idee zu dieser Veranstaltung stammt vom Dresdner CDU-Vorsitzenden, Christian Hartmann. Er selbst stimmte auch gegen den Koalitionsvertrag. Aber das Ergebnis sei gar nicht das Wichtigste gewesen, sagt Hartmann dann nach der Abstimmung vor der Tür. Sein Anliegen sei vielmehr gewesen, etwas auf die Beine zu stellen, was in den letzten Jahren zu kurz gekommen sei: Dass nämlich an der Basis die Politik der Parteiführung öffentlich diskutiert werde. Mit einer Ablehnung habe er selber gar nicht gerechnet.

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CDU-Bundestagsabgeordneter Arnold Vaatz redetet seinen Parteikollegen ins GewissenBild: DW/K.-A. Scholz

Einmal Dampf ablassen und das war es dann? Es gab ein paar dramaturgische Kniffe, die darauf hindeuteten, dass es nicht wirklich um basisdemokratische Willensbildung ging, sondern um eine geführte Diskussion. Zwar seien "viele Kröten zu schlucken seien", erläuterten zwei Bundestagsabgeordnete entschuldigend, eine Ablehnung sei aber auch keine Lösung, so der pädagogische Lehrsatz. Hartmann selbst moderierte die Veranstaltung, ließ aber keine Zwischenfragen zu. So konnten die Diskutanten zwar über jeweils fünf Minuten oder länger ungestört reden. Aber es gab kein echtes Für-und-Wider.  

AfD-Programm light

Der Dampf, der abgelassen wurde, hatte es dafür aber in sich. Die Kritik klang wie die auf AfD-Veranstaltungen vergangener Jahre. Und es waren auch ähnliche Typen: Mittelalte bis alte Männer, viele Akademiker, die unzufrieden sind mit der Politik - nicht eine Frau am Rednerpult.

Das sei nicht mehr seine CDU, war zu hören, denn es gebe keine Grundsätze, keine Ordnungspolitik mehr. Früher sei die CDU eine Unternehmerpartei gewesen, doch das fehle jetzt, sagte ein Anderer. Oder: Merkel verfolge weiterhin das Ziel einer Massenzuwanderung von Flüchtlingen. In der Flüchtlingspolitik sei sie den Sozialdemokraten auf Knien rutschend entgegen gekommen. Die Einheimischen kämen dagegen gar nicht vor; die eigene Identität werde aufgegeben. Begriffe wie "Heimat, Volk und Vaterland" kämen nicht oder nur am Rande vor. Die Scharia dagegen sei längst schon Teil Deutschlands, so ein Teilnehmer.

Viele würden ihn fragen, warum er überhaupt noch in der CDU sei, berichtete Herr Nelther. Sie selber seien schon längst in der AfD. Er habe den damaligen CDU-Generalsekretär und jetzigen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer mit dieser Lage konfrontiert. Und er habe als Antwort bekommen, das sei nun halt so, da könne er auch nichts daran ändern. Ein Herr Hensel sagte, die politische Unruhe mache ihn krank. Es knistere, es gehe wieder was los, wie damals 1989.

Ein cleverer AfD-Funktionär hätte am Ausgang des Saals vielleicht erfolgreich Mitgliedsanträge für seine Partei verteilen können.

"Wissen gar nicht, wofür die CDU noch steht"

Wäre die Abstimmung anders verlaufen, hätte das in der CDU insgesamt wohl ein mittleres Erdbeben ausgelöst. Obwohl die faktischen Folgen gering geblieben wären. Denn, anders als in der SPD, gibt es in der CDU keine Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag. Auch die Befragung in Dresden war "um die Ecke gedacht". Denn das Votum sollte nur den Delegierten als Stimmungsbarometer mit auf den Weg gegeben werden - für den Bundesparteitag am 26. Februar. Auf dem sollen dann rund 1000 Delegierte über den Vertrag abstimmen. Sie werden den Weg wahrscheinlich nicht versperren - die CDU gilt in dieser Hinsicht als diszipliniert.

Doch auch im Bund und anderen Bundesländern ist derzeit ein lautes Grummeln aus der CDU zu hören. Das sich oft auf einen Punkt bezieht, der auch in Dresden zu hören war: "Wir wissen gar nicht mehr, wofür die CDU steht", sagt Markus Reichel, "deshalb sei es so schwierig zu entscheiden, ob CDU-Werte durchgesetzt seien und man dem Koalitionsvertrag zustimmen könne". Schuld daran sei Merkel, die ihre eigene Partei entkernt und nach links verschoben habe.

Doch die programmatischen Defizite in der CDU ließen sich nun einmal nicht mit dem Koalitionsvertrag lösen, entschuldigten andere ihre Wahl "für das geringere Übel", also eine gemeinsame Regierung mit der SPD. Eine Regierung, wie sie Deutschland unter Führung von Merkel die letzten vier Jahre auch schon, und davor in den Jahren zwischen 2005 und 2009 hatte. Lange war es die SPD, die sich in dieser gemeinsamen Zeit rückblickend als "verloren" betrachtet. Nun beginnt auch die CDU darüber nachzudenken, was die Merkel-Jahre mit der Partei gemacht haben. Obwohl, einige von ihnen sind inzwischen sowieso schon bei der AfD, wie man auf dortigen Parteitagen zu hören bekommt.