Das Aus für Athen wird wahrscheinlicher
27. Juni 2015Ernste und betretene Mienen bei den Finanzministern, sehr ernste Minen. Eurogruppen- Chef Jeroen Dijsselbloem geht mit einer klaren Ansage in den Sitzungssaal. "Ich bin sehr negativ überrascht (durch die Ankündigung eines Referendums). Die Griechen haben offensichtlich unseren Vorschlag zurückgewiesen. Damit ist die Tür für weitere Gespräche geschlossen. Wir müssen über die Konsequenzen reden". Er sei traurig, fügte der Niederländer noch hinzu, nach seinem Eindruck seien die Türen bei den Gläubigern bis zum Ende offen gewesen für eine Einigung, aber jetzt befinde man sich in einer trostlosen Situation.
Griechenland hat Verhandlungstisch verlassen
Sollten bei den wartenden Journalisten noch irgendwelche Zweifel bestehen, ob diese Ansage wirklich das Ende des laufenden Hilfsprogramms mit allen Konsequenzen bedeutet, müssten sie nur Bundesfinanzminister Schäuble zuhören. Er hatte schon lange seine Skepsis über den Verlauf der Gespräche in Brüssel und über das Verhalten und Absichten der griechischen Regierung angedeutet. Und nüchtern erklärt er heute, was das eigentlich Unglaubliche an der Ankündigung aus Athen ist: Die europäischen Regierungschefs hätten sich gestern nach dem Gipfeltreffen von Alexis Tsipras verabschiedet, und "da wussten wir nicht, was er abends im Fernsehen sagen würde". Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Hollande hatten sich am Mittag noch einmal unter sechs Augen mit dem griechischen Premier getroffen. Sollte er ihnen da nicht gesagt haben was er vorhat, dürfte das Tischtuch zwischen diesen Verhandlungspartnern zerschnitten sein.
Im Oktober 2011 hatte der damalige griechische Premier Georgios Papandreou ein ähnliches Kaninchen aus dem Hut gezaubert und eine Volksabstimmung über den Verbleib seines Landes im Euro und das damalige Hilfspaket angekündigt. Er machte das ohne Ankündigung und erregte den Zorn von Angela Merkel, die ihn aufforderte, den Plan zurückzuziehen. Es war das Ende seiner Regierung. "Bei Griechenland muss man Überraschungen nicht ausschließen", sagt Wolfgang Schäuble. Er erinnert sich an die Geschichte vor fünf Jahren. Die Folgen des Verhalten von Alexis Tsipras aber sind für ihn klar. "Nun hat die griechische Regierung einseitig die Verhandlungen beendet, und wir müssen sehen, was daraus folgt". Es gebe jetzt für die Eurogruppe keine weitere Grundlage für Verhandlungen: das Programm endet am 30. Juni.
Das heißt, die 7,2 Milliarden Euro aus dem gerade noch drei Tage laufenden Hilfsprogramm könnten nicht ausgezahlt werden. Das gleiche gilt für die weiteren Milliardenhilfen, die die Euroländer Griechenland in Aussicht gestellt hatten. Einzige Bedingung war: Sie müssten dem zuletzt angebotenen Deal "Geld gegen Reformen" zustimmen. Für Schäuble und eine Mehrheit seiner Kollegen aber bedeutet die Ankündigung eines Referendums am nächsten Sonntag, fünf Tage nach Ablauf der Frist vom 30. Juni, dass sich die Finanzminister jetzt mit den Folgen befassen werden. "Wir müssen über die Lage reden, wie sie ist", so Schäuble.
Der falsche Zeitpunkt für ein Referendum
Niemand stellt die Legitimität eines Referendums an sich infrage. Aber so sagt z.B. der Finanzminister aus Malta unverblümt: "Der Zeitpunkt ist sehr unglücklich, und das ist eine Untertreibung". Die Regierung in Athen hätte schon vor Wochen eine Volksbefragung abhalten können, als noch Zeit genug dafür auch. Das bestätigt sein Kollege aus Österreich. Hans-Jörg Schelling sagt meistens, was er denkt, auch vor den Ministertreffen. "Griechenland hat den Verhandlungstisch verlassen. Die Hände der Eurozone sind gebunden". Jetzt müsse man über Alternativen reden. Und fast bedauernd fügt Schelling hinzu:"Die griechische Regierung hat soviel Zeit verloren." Beobachter in Brüssel haben schon seit Wochen davor gewarnt, dass Athen bei den Gesprächen mit Brüssel zu hoch pokert. Heute kommen die Finanzminister der Eurogruppe zu ihrem fünften Treffen innerhalb von zehn Tagen zusammen. Die Geduld und die rechtlichen Möglichkeiten für eine weitere Runde in diesem Spiel könnten erschöpft sein.
Jetzt wird Plan B zu Plan A
Finnlands Finanzminister Alexander Stubb sagt unverblümt, was er jetzt erwartet: "Aus Plan B wird jetzt Plan A". Das heißt, die Minister werden jetzt diskutieren, was eine griechische Staatspleite für die Eurozone bedeutet, und wie die Folgen aufgefangen werden können. Die Pläne liegen seit rund zwei Wochen in der Schublade, als sich die Finanzstaatssekretäre in sogenannten "Euro Arbeitsgruppe" in Bratislava trafen, um ein solches Notfall Szenario auszuarbeiten. "Das ist jetzt das einzige, worüber wir sprechen können", bekräftigt der Finne. Er glaubt auch, dass für eine Mehrheit die Frage nach einer weiteren Verlängerung des Hilfsprogramms, also ein erneuter Aufschub über den 30. Juni hinaus, nicht infrage kommt. Die Eurogruppe müsse jetzt standhaft bleiben, die Wahl liege bei Griechenland. Und auch der Finne fügt hinzu, er sei traurig über diese Situation. Auch sein Parlament müsste einer Verlängerung des Hilfsprogramms wie auch einer Auszahlung an Athen zustimmen. Die Lage in Helsinki ist nicht so, dass unter den Umständen ein Ja als wahrscheinlich gilt.
Kurz nach Beginn der Sitzung dann erste Nachrichten von Yanis Varoufakis: "Die griechischen Banken würden weiter geöffnet bleiben", die griechische Zentralbank solle dafür sorgen. Athen will die Gläubiger auffordern, das Hilfsprogramm kurzfristig zu verlängern. Hohe EU Beamte verbreiten indes, dass eine solche Lösung nach gegenwärtigem Stand unwahrscheinlich ist. Eine Mehrheit der Finanzminister scheint es satt zu haben, sich am Ring durch die Arena ziehen zu lassen. Auf die Frage, was er denn heute von seinem griechischen Kollegen erwarte, sagte der slowakische Vertreter Peter Kazimir ironisch: "Weitere Belehrungen". Es könnte sein, dass es dafür in der Eurogruppe keine Abnehmer mehr gibt.