Steueroasen
13. März 2009Für Steuerflüchtlinge wird es zunehmend eng. Nachdem Österreich, Liechtenstein und Andorra in den letzten Tagen zugesagt haben, sich an der internationalen Zusammenarbeit gegen Steuerdelikte zu beteiligen, sind nun auch Luxemburg, Belgien und die Schweiz mit ähnlichen Zusagen gefolgt. Selbst Singapur und Hongkong wollen keine Steueroasen mehr sein.
Um Missverständnisse erst gar nicht aufkommen zu lassen: Bei den Komplizen der Steuerflüchtlinge hat keine moralische Läuterung stattgefunden, sondern das pure Interesse am wirtschaftlichen Überleben hat zum Sinneswandel geführt. Die bisherigen Fluchtburgen wollen nämlich verhindern, auf dem Weltfinanzgipfel der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am 2. April in London auf eine "schwarze Liste" gesetzt zu werden. Denn klar ist: Wer auf dieser Liste steht, der wird nicht nur moralisch geächtet, sondern auch von seriösen Geschäften ausgeschlossen. Für die großen Banken in der Schweiz wäre das der Ausschluss vom internationalen Geschäft; der Bankenplatz Luxemburg könnte schließen. Für beide Staaten käme das einer Katastrophe gleich.
5,5 Billionen Euro in Steueroasen
Die Schweiz hat sich über viele Jahrzehnte hinweg eines eisernen Bankgeheimnisses gerühmt und damit Geld aus der ganzen Welt angezogen; die Banken in Liechtenstein waren bei der Einrichtung von Stiftungen behilflich, die nur einen Zweck hatten: die Vermeidung der Zahlung von Steuern auf den Kapitalertrag, also Steuerhinterziehung. Das ist nicht nur von den Reichen dieser Welt, sondern auch von gehobenen Normalverdienern gern genutzt worden. Nach Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der die großen Industriestaaten ihre Wirtschaftspolitik koordinieren, sind weltweit 5,5 Billionen Euro in Steueroasen gebunkert worden. In Liechtenstein gibt es mehr steuersparende Stiftungen als Einwohner.
Im kleinen Luxemburg gibt es ein ganzes Stadtviertel, in dem in der Hauptsache Banken aus aller Welt ihren verschwiegenen Geschäften nachgehen. Die Schweiz hat nur deswegen Großbanken von internationaler Bedeutung, weil die als Kapitalsammelstellen für Fluchtgeld fungieren. Kunden sind amerikanische Millionäre und deutsche Industriekapitäne, Despoten aus der Dritten Welt und internationale Waffenschieber. Aber auch viele kleine deutsche Handwerker sind der Versuchung erlegen und haben mit Hilfe deutscher Banken Schwarzgeld nach Luxemburg geschleust. Dem hat die Steuerfahndung schon lange ein Ende bereitet.
Zumwinkel war nur der Anfang
Liechtenstein war lange im Visier der Steuerbehörden, flog aber erst auf, als ein ungetreuer Bankangestellter die Daten von 4000 deutschen Steuerflüchtlingen an den Bundesnachrichtendienst verkaufte. Das prominenteste "Opfer" dieser Aktion war Postchef Klaus Zumwinkel, einer der renommiertesten deutschen Manager. Die USA haben der ohnehin wankenden Schweizer Großbank UBS mit Entzug der amerikanischen Banklizenz gedroht und damit die Herausgabe der Daten von 300 Großtätern erzwungen; nun geht es um 50.000 relativ kleine Fälle. Viele Steuerflüchtlinge haben kalte Füße bekommen; innerhalb weniger Monate sind bei der UBS, der größten Vermögensverwaltung der Welt, 260 Milliarden Dollar abgezogen worden.
Wohin mit all dem Geld?
Freilich stellt sich in diesen Fällen die bange Frage: Wohin mit dem Geld, wenn eine Fluchtburg nach der anderen schließt? Plötzlicher Reichtum weckt sehr schnell den Verdacht der Steuerbehörden. Bevor die Banken in der Schweiz, Liechtenstein und anderswo künftig vage Anfragen von Steuerbehörden beantworten oder gar an die heimischen Finanzämter ihrer Kunden Kontrollmitteilungen verschicken, wollen sie den Anlegern noch einen Dienst tun und über einen geordneten Übergang in die Steuerehrlichkeit verhandeln, also praktisch eine Amnestie erwirken. Darauf müssen die Finanzminister der großen Industriestaaten sich nicht einlassen, denn sie sitzen eindeutig am längeren Hebel. Steuerflucht gilt nicht mehr als Kavaliersdelikt, sondern wird als kriminelle Tat verfolgt. Das ist nicht schwer, wenn das Bankgeheimnis erst einmal löchrig ist wie ein Schweizer Käse.
Für Angehörige der großen Industriestaaten, die Geld im Ausland angelegt und bislang den Kapitalertrag nicht versteuert haben, ist die Lage ernst aber nicht hoffnungslos, denn in den meisten Ländern gibt es das Instrument der Selbstanzeige. Das heißt: Sie können sich dem Finanzamt offenbaren, die hinterzogenen Steuern plus Strafzinsen nachentrichten – und bleiben straffrei. Wer dagegen untätig bleibt, der geht ein hohes Risiko ein. Wenn nämlich die Steuerfahndung oder der Staatsanwalt in der Tür stehen, ist es für eine Selbstanzeige zu spät. Wer sich nicht offenbart und erwischt wird, den trifft die volle Härte des Gesetzes – und zwar nicht nur mit Recht, sondern auch wegen Dummheit.
Autor: Karl Zawadzky
Redaktion: Henrik Böhme