Das Ende der Ära von Jean-Marie Le Pen
4. Mai 2015Vor der Entscheidung des Exekutivkomitees des rechtsextremen Front National (FN) hat der 86-jährige Le Pen die Parteiführung um seine Tochter Marine noch ein letztes Mal brüskiert. "Ich weigere mich, zum Exekutivbüro zu gehen", sagte Le Pen und verglich das Gremium mit einem "Gericht", das seine "Würde" verletze. Er sei "absolut unschuldig". "Ich spreche frei, was einige Leute schockiert", meinte er weiter.
Le Pen spricht von Treuebruch
So beschloss die Parteispitze, ohne ihn anzuhören, seine FN-Mitgliedschaft zu suspendieren. In drei Monaten sollen die Parteimitglieder zudem darüber entscheiden, ob Le Pen der Titel des Ehrenpräsidenten entzogen wird. Der 86-Jährige verurteilte die jetzige Maßnahme als "Treuebruch" seitens seiner Tochter, Parteichefin Marine Le Pen. Er sei überzeugt, dass die Parteimitglieder über die Vorgehensweise des Exekutivkomitees "empört" seien und kündigte an, einen möglichen Einspruch gegen die Entscheidung prüfen zu wollen.
Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft
Zwischen Vater und Tochter war es Anfang April nach neuen rassistischen und antisemitischen Äußerungen des langjährigen Europa-Parlamentariers zum Bruch gekommen. Le Pen hatte unter anderem wieder die Gaskammern der Nazi-Diktatur als "Detail" der Geschichte bezeichnet. Wegen dieser Aussage war er bereits verurteilt worden. Auch jetzt hat die Staatsanwaltschaft wieder Vorermittlungen wegen Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen.
Mit seinen verbalen Entgleisungen ging der starrsinnige FN-Gründer zuletzt selbst in seiner eigenen rechtsextremen Partei vielen zu weit. Seine Tochter legte ihm den Ausstieg aus der Politik nahe und machte am vergangenen Sonntag deutlich, ihr Vater solle nicht mehr im Namen des Front National sprechen dürfen.
Die wiederholten rassistischen und antisemitischen Ausfälle des Parteigründers gefährden den Kurs seiner Tochter, die dem Front National ein gemäßigteres Image geben und die Partei damit für breitere Schichten wählbar machen will.
Jean-Marie Le Pen hatte den Front National 1972 mitgegründet und rund vier Jahrzehnte angeführt. Anfang 2011 trat er die Parteiführung an seine Tochter Marine ab. Unter ihrer Ägide gewann der FN deutlich an Zulauf. Bei den Europawahlen vor einem Jahr wurden die Rechtsextremen mit rund 25 Prozent der Stimmen erstmals in ihrer Geschichte Frankreichs stärkste Kraft.
se/gri (afp, rtr, dpa)