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Loveparade-Veranstalter in Erklärungsnot

5. August 2010

Der Unternehmer Rainer Schaller wollte mit der Loveparade hoch hinaus. Das schien zu funktionieren – bis zu der Massenpanik vor zwei Wochen, bei der 21 Menschen starben. Nun steht er massiv unter Druck.

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Rainer Schaller am 25.7.2010 in Duisburg (Foto:Revierfoto)
Rainer Schaller nach der TragödieBild: picture alliance/dpa

Rainer Schaller - den Namen des Veranstalters der "Loveparade" kannten die wenigsten Besucher, als sie zu Tausenden auf ein Bahngelände in Duisburg strömten, um dort ausgelassen zu lauter Musik zu tanzen und unter Gleichgesinnten ihrer Lebensfreude freien Lauf zu lassen. Die Veranstaltung wurde zum Totentanz, weil die Ein- und Ausgänge zu dem Gelände die Menschenmassen kaum aufnehmen konnten. Zudem wurden Sicherheitsmaßnahmen nicht richtig umgesetzt. Im Gedränge wurden 21 Menschen erdrückt oder zu Tode getrampelt. Rund 500 Besucher verletzten sich beim Versuch, dem Chaos zu entfliehen.

Rainer Schaller tritt am Tag nach der Katastrophe vor die Presse. Sein Gesicht ist aschfahl und wirkt wie versteinert, als er sein Bedauern und seine Trauer erklärt - abgelesen von einem Zettel. Schon zu diesem Zeitpunkt erklären Vertreter von Polizei und den Behörden der Stadt Duisburg, dass die alleinige Verantwortung beim Veranstalter liege. Schaller sieht das Hauptversagen bei der Polizei.

Ein vorläufiges Gutachten zu den genauen Ereignissen wurde an diesem Mittwoch (04.8.2010) dem Innenausschuss im Düsseldorfer Landtag zugeleitet und scheint die Schuldvorwürfe gegen Schaller zu bestätigen. Als Veranstalter hatte seine Firma Lopavent eine Versicherung für Personenschäden abgeschlossen, die nun für die Opferentschädigung aufkommen soll. Für Rainer Schaller ist die Situation ein Alptraum. Er hat sich mit seiner Freundin völlig zurückgezogen. Aus seinem Umfeld heißt es, er befasse sich nur noch mit der Aufklärung. Nichts scheint mehr übrig zu sein von seiner früheren Lässigkeit und seiner Erfolgsgeschichte.

Ehrgeiziger Aufstieg

Rainer Schaller mit Wladimir Klitschko (Foto: dpa)
Für seine Fitnessstudios warb auch Boxstar Wladimir KlitschkoBild: picture alliance/dpa

"Einfach gut aussehen" – das war lange der Werbeslogan der Kette von Fitness-Studios, die Rainer Schaller unter dem Namen McFit aufbaute. "Einfach gut aussehen" könnte auch für Rainer Schaller selbst gelten. Der 41-jährige Franke ist stets gut gebräunt, sein Körper durchtrainiert und auch sonst spricht alles für einen Dynamiker, für einen, dem das Erreichte eben nicht ausreicht. Der gelernte Einzelhandelskaufmann hat sich hochgearbeitet - vom Marktleiter bis zum Betreiber von drei Einkaufsläden. Dann, so erzählt Schaller, sollte alles anders werden: "Mit 28 Jahren hatte ich die Schnauze voll und da ich immer viel Sport getrieben habe, hab ich mir gedacht, ich gründe Fitnesscenter nach dem Aldi-Prinzip – gute Qualität, aber alles supergünstig. Das gibt es noch gar nicht, das war die Grundidee."

Mit diesem Konzept unterbietet Schaller bis heute alle Wettbewerber. Nur rund 17 Euro kostet ein Monatsbeitrag zu einem seiner Fitness-Studios. Das erste eröffnete Rainer Schaller - um Geld zu sparen - in der Nähe von Würzburg direkt über dem Laden seiner Eltern, auf dem Dachboden, mit gebrauchten Geräten. Der Start war nicht einfach und schnell musste Schaller erkennen, dass die Fitnessbranche es schwer ist, bei den Geschäftsbanken Kredite zu bekommen.

Aber Schaller ist keiner, der so leicht aufgibt. Was nicht passte, wurde passend gemacht. Gegenüber der Online-Plattform Venture TV erklärte er seine wichtigste Spielregel: " Man muss immer wieder aufstehen und weitermachen - da gibt es viele Parallelen zum Sport."

Erfolg mit eigenen Spielregeln

Schaller weiß genau, wohin er wollte. Ganz nach oben. Die 20 Fitnesscenter drei Jahre nach der Gründung von McFit reichten ihm nicht. Niemand soll ihm jedoch beim Ausbau des Geschäfts reinreden. So werden etliche Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschlagen. Schaller wehrte sich vor allem dann, wenn ein Investor zu sehr ins Tagesgeschäft eingreifen wollte. Schließlich half ihm eine Bank in seinem Heimatort.

Rainer Schaller mit Schauspielerin Sophia Thomalla (Foto: dpa)
Rainer Schaller mit der Schauspielerin Sophia ThomallaBild: picture alliance/dpa

Bis heute gibt es in dem Fitnessimperium von Rainer Schaller keinen Betriebsrat. Die jungen Mitarbeiter, nehmen das nicht einmal übel. Betriebsrat? Nie gehört, erklären sie. "Wenn wir was zu klären haben, machen wir das direkt mit Rainer. Am besten am Abend beim Fußball, da bekommt man die meisten Wünsche durch."

Rainer Schaller gefällt sich in der Rolle des unkonventionellen Machers mit aufgekrempelten Ärmeln. Er war schon Millionär, als er seine Firmenzentrale, das "Creative Office", immer noch in einer spartanisch eingerichteten Wohngemeinschaft in Berlin führte. Dort hauste Schaller mit seinen Mitarbeitern und schlief in einem Stockwerkbett über seinem Buchhalter.

Schon damals wurde alles dem Aufstieg untergeordnet. Motto: volles Risiko. Gearbeitet wurde Tag und Nacht. Irgendwie muss die Marke der Fitnessstudios McFit bekannter werden. Nur wie? Die große Chance wittert Rainer Schaller im Jahr 2006. Die Loveparade in Berlin steht vor dem Ende. Schaller kauft die Rechte. "Für uns war die Loveparade die bekannteste Musikmarke, die aus Deutschland heraus in den letzten 30 Jahren entstanden ist und wir haben gedacht, das können wir nutzen als Plattform, um McFit in Deutschland und Europa bekannter zu machen," schwärmte Schaller einst in einem Interview.

Loveparade als Werbegag

Die Rechnung geht auf. Schaller veranstaltete im Jahr 2007 die Love-Parade in Essen und darauf in Dortmund. Überall wurde Werbung für seine preisgünstigen Studios gemacht.

Rainer Schaller und Oliver Pocher (Foto: dpa)
Gute Stimmung vor der Loveparade in DuisburgBild: picture alliance/dpa

Die Anzahl der Fitnesscenter stieg in kürzester Zeit auf über 120. Mit mehr als 900.000 Mitgliedern in den Studios und einem Umsatz jenseits der 100 Millionen Euro sind Rainer Schaller und sein Team Marktführer. Dann kam der Rückschlag: Bochum lässt 2009 die Loveparade nicht zu. Die Sicherheitsbedenken sind zu groß. Die Werbemaschinerie für Schallers Unternehmen droht ins Stocken zu geraten.

Ehemalige Mitarbeiter der Fitnessstudios berichten davon, dass sich Schaller immer mehr von dem ursprünglichen Organisationsteam der Love Parade aus Berliner Zeiten verabschiedet hatte. Für Duisburg seien teilweise Subunternehmer für Sicherheitsfragen zuständig gewesen. Ob beim dramatischen Unglück von Duisburg tatsächlich das Marketing über Sicherheits- und Kostenfragen stand, muss noch geklärt werden. Wenn sich schwere Fehler herausstellen sollten, die alleine Schaller angelastet werden können, dann wäre die Werbeverbindung zwischen der Loveparade und den Fitness-Studios ein fataler Fehler gewesen. Schon jetzt wird im Internet über Youtube, Facebook und Twitter zum Boykott der Trainingsstationen aufgerufen.

Autor: Wolfgang Dick

Redaktion: Dеnnis Stutе