Weltsozialforum in Kenia
19. Januar 2007
Stichprobe bei zwei Kenianerinnen auf einem wuseligen, kleinen Markt mitten im Zentrum von Nairobi - was wissen die Menschen hier über das Weltsozialforum? Wissen sie überhaupt, dass die größte Leitmesse der weltweiten Anti-Globalisierungsbewegung zu Gast in ihrer Stadt ist?
Keine Ahnung. Kopfschütteln. Verlegenes Lachen und Schulterzucken. So wie den beiden Frauen geht es der großen Mehrheit der Bevölkerung von Nairobi. Hier leben zwischen drei und vier Millionen Menschen, die meisten in den wuchernden Slums am Stadtrand, von weniger als zwei Dollar am Tag. Das Weltsozialforum ist für sie ganz weit weg. Nur Martin, der auf dem Markt ein bisschen Gemüse verkauft, fragt zurück, will mehr über den Gipfel der globalen Zivilgesellschaft wissen. Dann erklärt, was er unter Globalisierung versteht: "Reiche Länder wie die USA kommen nach Afrika und sagen, dass sie uns helfen wollen, und dass sie den Frieden sichern wollen. Aber dann beuten sie unsere Rohstoffe aus, und behaupten weiter, dass es ihnen nur um den Frieden geht."
Viel Idealismus
Und genau deshalb sei es wichtig, dass das Weltsozialforum endlich nach Afrika gekommen sei, mein Joyce. Sie trägt das knallgelbe T-Shirt, das alle Freiwilligen tragen, die den Gästen und Delegierten aus aller Welt helfen sollen. "Hier gibt es keine Grenzen zwischen den Menschen", sagt sie. "Beim Forum sind wir alle gleich, wir sind ein globales Dorf. Wir sind eine echte Weltgesellschaft, jeder kann mit jedem reden, als wären wir alle vom gleichen Ort."
Bewusstsein schärfen
Dieser Euphorie unter den Teilnehmern kann sich auch Martin Koch vom Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht ganz entziehen. Er ist schon seit ein paar Wochen in Nairobi, um die Projekte der rund 30 deutschen Organisationen abzustimmen, die am 7.Weltsozialforum teilnehmen. Aber trotzdem: Martin Koch ist nicht entgangen, dass Fragen nach der gerechteren Gestaltung der Globalisierung in Kenia nur sehr schwer zu vermitteln sind. Der Widerstand quer durch fast alle lateinamerikanischen Länder gegen das Freihandelsabkommen, das die USA sehr betrieben haben, sei ein wesentlicher Stein einer politischen Entwicklung, bei der sich viele unterschiedliche Organisationen in vielen unterschiedlichen lateinamerikanischen Ländern mobilisiert hätten. "Diese Mobilisierung gegen irgendeine Art von WTO oder EU-Politik ist hier, wenn überhaupt, dann nur ganz schwach zu sehen."
Der Norden soll nicht mehr bestimmen
Professor Edward Oyugi ist der Direktor der Organisation, die das Weltsozialforum in Kenia vorbereitet hat. Er rechnet mit bis zu 110.000 Teilnehmern. Dem Psychologen ist klar, dass die kenianische Gesellschaft mit dem Weltsozialforum noch nicht so viel anzufangen weiß. Aber er baut darauf, dass aus Nairobi eine klare Botschaft in den Rest des Landes und weiter über den ganzen Kontinent schwappt. Es muss Schluss sein damit, sagt Professor Oyugi, dass der reiche Norden über Afrika bestimme und diktiere, wie die Wirtschaft zu laufen habe. Das Weltsozialforum sei nicht die Krönung einer herausragenden afrikanischen Initiative. Es sei eine große Herausforderung. "Wir müssen uns in Afrika auf uns selbst besinnen und die Agenda der Globalisierungsgegner verinnerlichen. Wir müssen die Energie des Forums nutzen, damit die Menschen hier aufwachen und erkennen, dass sie eine Rolle in der Welt und in ihrem Land spielen. Sie brauchen diese Unterstützung, um selbstbestimmt das Steuer zu übernehmen."