Demokratiebewegung: Hongkong zieht Daumenschrauben weiter an
12. Juni 2024Die Drangsalierung der Demokratiebewegung geht weiter. Mit seinem von China diktiertem "Sicherheitsgesetz" rechtfertigt Hongkong neue Repressalien gegen Aktivisten - auch wenn diese längst den einstigen Stadtstaat verlassen haben. Sechs von ihnen, die ins Exil geflohen sind, haben Hongkonger Behörden nun die Pässe entzogen. Betroffen ist auch der bekannte Politiker Nathan Law, dessen chinesischer Name Law Kwun-chung ist und der seit 2020 in Großbritanniens Hauptstadt London lebt.
Den Passentzug hat die Regierung in der chinesischen Sonderverwaltungsregion jetzt in einer Mitteilung bekanntgeben: Die sechs Männer seien nach Großbritannien getürmt und es lägen Haftbefehle gegen sie vor. Begründung der Sicherheitsbehörden in Hongkong: Die sechs stünden unter Verdacht, Straftaten begangen zu haben, die die nationale Sicherheit gefährden.
"Diese gesetzlosen, gesuchten Kriminellen verstecken sich im Vereinigten Königreich und beteiligen sich offensichtlich weiter an Aktivitäten, welche die nationale Sicherheit gefährden", heißt es in der Mitteilung. Mit ihrer Panikmache hätten sie das Ansehen Hongkongs in den Schmutz gezogen und sich dafür mit "externen Kräften" eingelassen. Die Aktivisten hatten zuvor immer wieder den zunehmenden Abbau der Gewaltenteilung und demokratischen Grundrechte in Hongkong angeprangert.
Laws lakonische Antwort
Er habe seinen Pass schon 2021 abgegeben, nachdem er in Großbritannien Asyl erhalten hatte, schreibt Nathan Law lakonisch auf seinem Social-Media-Kanal, und benötige ihn nicht mehr: "Die Erklärung der Regierung von Hongkong ist unnötig."
Law sorgt sich aber um Mitstreiter, die noch in Hongkong leben. Sie sollten ihrer persönlichen Sicherheit nun oberste Priorität geben: "Trotz des hohen politischen Drucks hoffe ich, dass sich alle gegenseitig helfen." Und sie sollten - trotz aller Einschränkungen durch das sogenannte Sicherheitsgesetz - nicht ihr "Gespür für richtig und falsch" verlieren.
Die Regierung in Peking warf den im Exil befindlichen Aktivisten "abscheuliches Verhalten" vor. Diese hätten mit ihren "antichinesischen und Anti-Hongkong-Verhalten" die "nationale Sicherheit schwerwiegend gefährdet", erklärte Außenministeriumssprecher Lin Jian.
Dies verletze die "grundlegenden Interessen" Hongkongs und schade dem Prinzip "ein Land, zwei Systeme", sagte Lin. Er bezog sich damit auf den Grundsatz, dessen Einhaltung China bei der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie im Jahr 1997 zugesichert hatte - und der unter anderem mit der Einhaltung zahlreicher Bürgerrechte verbunden ist.
Mehrere Sanktionen gegen Aktivisten
Grundlage für das Vorgehen der Regierung bietet das neue "Sicherheitsgesetz" Hongkongs, das vor wenigen Monaten in Kraft trat. Damit wird ein bereits bestehendes Gesetz der Zentralregierung in Peking erweitert.
Kritiker prangern an, dass auf diese Weise die Rede- und Meinungsfreiheit in der früheren britischen Kronkolonie noch weiter beschnitten worden sei und ausländische Investoren abgeschreckt würden. Das international scharf kritisierte "Sicherheitsgesetz" ermöglicht den Behörden ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.
Law war 2020 kurz vor Einführung des ursprünglichen Sicherheitsgesetzes nach Großbritannien ausgereist. Die Führung in Peking, auf deren Geheiß die Behörden in Hongkong handeln, hatte es als Reaktion auf die Massenproteste aus dem Vorjahr eingeführt, bei denen Hunderttausende Menschen für die Demokratie auf die Straße gegangen waren.
Neben der Annullierung der Pässe verhängte Hongkong weitere Maßnahmen gegen die sechs Aktivisten. So sollen sie auch keinen Zugang mehr zu Finanzierungsquellen, Immobilien oder unternehmerischen Partnerschaften (Joint Ventures) erhalten. Wer ihnen hilft, indem gegen diese Auflagen verstoßen wird, riskiere bis zu sieben Jahre Gefängnis, warnte die Polizei.
Zum fünften Jahrestag der Zusammenstöße bei den Demokratie-Protesten veröffentlichten Aktivisten an diesem Mittwoch einen Aufruf an Regierungen in aller Welt, sich für die Freilassung "politischer Gefangener einzusetzen, die Hongkonger durch Schutzmaßnahmen zu stärken und die Täter durch Sanktionen zur Verantwortung zu ziehen". Seit dem Inkrafttreten des sogenannten Sicherheitsgesetzes wurden bisher fast 300 Menschen in der ehemaligen britischen Kolonie verhaftet.
AR/kle (dpa, afp)