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Der Mönch und die Frage nach dem Zweifel

11. Juli 2021

Die katholische Kirche in Deutschland, so scheint es, ist im Niedergang. Ein Benediktinermönch hat Verständnis für vielen Ärger. Und stellt sich sehr bewusst den Fragen der Menschen.

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Deutschland Katholische Kirche Pater Nikodemus Schnabel
Bild: Pascal Nowak Photogtaphy

Kann ein Mönch Langschläfer sein? Wie kämpfst du gegen Zweifel an? Gibt es Homosexualität im Kloster? Brauchen wir überhaupt Religionen? Vier von 100 Fragen, denen sich der Benediktiner-Mönch Nikodemus Schnabel in dem Buch "#FragEinenMönch" stellt. Und die der 42-Jährige ziemlich frank und frei beantwortet.

Buchcover #FragEinenMönch Nikodemus Schnabel
Das Buch: Gerade die kritischen Frager waren erwünscht

Schnabel, gebürtiger Stuttgarter, wuchs evangelisch auf und kam als Jugendlicher zur katholischen Kirche. Nach einem Studium der Theologie in Fulda, München, Münster, Jerusalem und Wien trat er 2003 in die deutschsprachige Benediktinerabtei Dormitio am Rande der Jerusalemer Altstadt ein und wurde dort 2013 zum Priester geweiht. Von 2016 bis 2018 leitete er das Kloster. Danach war er ein Jahr als Berater für Religion und Außenpolitik im Auswärtigen Amt in Berlin. Die Zeit der Corona-Pandemie hat er dann mit katholischen und evangelischen Theologiestudierenden in Rom erlebt.

Ohne Hürden bei Instagram

Gelegentlich ist Schnabel im ZDF zu sehen, einem der großen deutschen Fernsehsender. Er ist auf Facebook unterwegs, auf Twitter, bei Instagram, stellt sich dort gerne Gesprächen mit Menschen, die keinen Kirchenbezug haben. "Die meisten Fragen erreichen mich tatsächlich über Instagram", sagt er der Deutschen Welle. Bei "Insta" stellten ihm im Netz die meisten Menschen Fragen. Es seien wohl die "ungeschützteren, die kritischeren Fragen" im Vergleich zu dem, was ihm bei Begegnungen im realen Leben vorgetragen werde. Instagram, das sei "ein sehr direkter, hürdenloser Weg. Da kommen sehr ehrliche Fragen. Und ich bin sehr dankbar dafür."

Impressions DW Global Media Forum 2019
Pater Nikodemus 2019 beim Global Media Forum der Deutschen Welle in BonnBild: DW/P. Böll

Letztlich geht das Buch auf Fragen aus dem Netz zurück. Während seiner Zeit in Berlin, erzählt Schnabel, stellte er sich bei einem Youtube-Format eingereichten Fragen der Zuschauer. Fragen, die ihn auch überraschten und herausforderten. Daraus wurde das Buch. Schnabel selbst wünscht sich als Leserinnen und Leser Leute, die "überhaupt keine Berührung mit dem Thema Kirche haben".

Zweifel und Glaube

Und die ihm Fragen nach frühem Aufstehen, nach Zweifel, nach Sexualität und Homosexualität, nach Gott stellen. An das frühe Aufstehen auch "nach 18 Jahren Mönchtum" habe er sich "noch immer nicht gewöhnt", erklärt er im Buch. Und: Der Zweifel sei "nicht sein Feind", vielmehr seien "Zweifel und Glaube sehr eng verwandt". Schnabel weiter: "Selbstverständlich gibt es auch Mitbrüder, die homosexuell sind." Aber die Vorgabe der sexuellen Enthaltsamkeit gelte "für alle - egal, ob homo-, bi- oder heterosexuell".

Israel Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg in Jerusalem
Der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel besuchte im April 2017 die Benediktiner-Abtei in Jerusalem. Und traf Pater Nikodemus. Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Und braucht es Religion? Schnabel zeigt sich im Buch von einer "Sehnsuchtsflamme" in jedem Menschen überzeugt. Religionen, Hochreligionen hätten die Verantwortung, diese "Sehnsüchte der Menschen im guten Sinne zu kanalisieren auf das wahre Ziel der Sehnsucht, auf Gott hin". Das ist schon einer der längeren, abstrakteren Sätze. Meist klingen die Antworten gesprochen wie in einem direkten Gespräch. Auch die Erwiderung auf die Frage, ob er selbst schon mal Sex gehabt habe. "Auf diese Frage antworte ich immer: Was vor dem Kloster war, spielt keine Rolle…"

"Exotisch, ein Mönch zu sein"

Eigentlich sind Ordensgemeinschaften in Deutschland vielfach von Überalterung geprägt. Manche Klöster sind schon regelrecht ausgestorben und geschlossen worden. Jüngere Nonnen oder Mönche sind heute eher ungewöhnlich. Vielleicht fällt Schnabel deswegen gelegentlich auf. In Berlin, sagt er, sei er Menschen begegnet, die dachten, es gäbe Mönche "im echten Leben gar nicht". Es sei "wirklich exotisch, in diesen Zeiten ein Mönch zu sein".

Gregor Gysi
Linken-Politiker Gregor Gysi über Schnabel: "Ein cooler Typ"Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Dabei sieht Schnabel die Rolle der Kirche kritisch und hat großes Verständnis für Empörung angesichts der Missbrauchsskandale. Kirche habe sich immer dargestellt als Rückgrat einer höheren Moral, als "die moralische Instanz". Nach seiner Überzeugung muss Kirche weg von der Moralinstanz "und hin zu den Sehnsuchtsexperten". So dankt er in seinem Buch "den vielen interessierten Gläubigen und Atheisten" die ihn mit ihren Fragen immer wieder inspirierten.

Im Vorwort des 100-Fragen-Buchs beschreibt der Linken-Politiker Gregor Gysi, der Schnabel in Jerusalem kennenlernte, ihn als "coolen Typen" und sagt über ihn: "Das bedeutet keineswegs Unernstes, nur weil er sich etwas locker gibt. Ganz im Gegenteil! Das erleichtert die Kommunikation."

Dormitio-Abtei in Jerusalem
Die Benediktiner-Abtei Dormitio in JerusalemBild: Fotolia/Katja Sucker

Jerusalem, Berlin, Rom. Die nächste Station des Ordensmannes ist wieder Jerusalem. Der höchste Repräsentant der katholischen Kirche im Heiligen Land, der Lateinische Patriarch Pierbattista Pizzaballa, berief ihn Anfang Juli zum "Patriarchalvikar für Migranten und Asylsuchende". In dieser Funktion soll sich der 42-Jährige, als Mönch weiter Mitglied der Benediktinerabtei auf dem Jerusalemer Zionsberg, als einer der Stellvertreter des Patriarchen um weit über 100.000 katholische Migranten im Land kümmern, deren Zahl wächst - Geflüchtete, Billigarbeitskräfte, Saisonarbeiter.

Alle haben die gleiche Würde

"Es sind Menschen, die zu oft marginalisiert werden, die häufig diskriminiert werden, die wirklich ganz unten in der Hackordnung der Politik und der Gesellschaft stehen", sagt Schnabel und spricht von "unsichtbar Leidenden". Es sei das Wesen des Christentums, dass alle Menschen die gleiche Würde hätten. Das wolle er in seiner künftigen Arbeit deutlich machen.

"Eine Philippina, die sich in offizieller Sprache illegal in Israel aufhält, oder ein sogenannter Infiltrant, ein Flüchtling aus Eritrea, hat dieselbe Taufe wie ich, auch dieselbe Würde", sagt der Pater. Sich um diese Menschen im Schatten zu kümmern, sei für ihn "ein Geschenk". Als Theologe wolle er sich für diese "Stummen, Unsichtbaren, Marginalisierten" engagieren.