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Der Tonfall wird härter

Thomas Bärthlein, z. Zt. Bombay17. Januar 2004

Das erste Mal findet das Weltsozialforum nicht im brasilianischen Porto Alegre, sondern im indischen Bombay statt. Das Treffen der Globalisierungskritiker ist inzwischen fast zu groß geworden. Wie verlief der Auftakt?

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So bunt das Treiben in Bombay auch ist, die politische Aussage bleibtBild: AP

Eine Mischung aus Volksfest und Demonstration: Bunte Gruppen ziehen durch das Messegelände in Bombay auf die Wiese, wo das Weltsozialforum eröffnet wird. Frauengruppen aus Tamil Nadu in Südindien, Tibeter, nepalesische Flüchtlinge aus Bhutan. Und ein Schweizer, der aber gerade in Afrika lebt: "Ja, ich arbeite in einer Frauenorganisation, und dies als Mann, denn als Mann hat man viel mehr Einfluss, um etwas zu verändern in Tansania."

Für zwei Jahre ist Michael Freudiger als Freiwilliger dort - und jetzt eben in Bombay, wo es ihm bisher bestens gefällt: "Ich finde es total schön, wie es so bunt und vielfältig ist, so international und so friedlich. Und so musikalisch, die Leute sind glücklich - es geht so einfach, wenn man will!"

Das Weltsozialforum ist jetzt schon ein Erfolg, wenn man die Masse der Teilnehmer sieht. Es sei ein Risiko gewesen, aus Porto Alegre wegzuziehen, meint Chico Whitaker, der die drei Foren dort mit auf die Beine gestellt hat, aber die Entscheidung habe sich als richtig herausgestellt.

Mitten im Getümmel auch einer der "Veteranen" der Globalisierungskritiker, der französische Agrar-Rebell José Bové: "Ich bin sehr froh, hier zu sein. Eine Menge Leute aus vielen Erdteilen kommen zusammen. Und ich glaube, es wird ein sehr wichtiges Forum werden. Zum ersten Mal ist dieses Forum in Asien, in Indien. Das ist eine gute Gelegenheit, den Menschen und den Regierungen weltweit deutlich zu machen, was in so einem Land in Zeiten der Globalisierung geschieht."

Keine staatliche Unterstützung

Die indische Regierung jedenfalls setzt entschlossen weiter auf Globalisierung. Erst in dieser Woche hat sie ausländischen Investoren erlaubt, einen Anteil von bis zu 74 Prozent an indischen Privatbanken zu kaufen. Die Millionenstadt Bombay, in der die hunderttausend Globalisierungskritiker bisher nicht sonderlich auffallen, ist das indische Finanzzentrum.

Ministerpräsident Vajpayee war zwar am Freitag (16.1.04) in der Stadt, aber im Gegensatz zu Brasiliens Präsident Lula im vorigen Jahr (2003) hat er sich auf dem Sozialforum nicht blicken lassen.

"Wir befinden uns im Krieg"

Auf der Eröffnungsfeier war trotzdem eine Inderin die auffallendste Rednerin, die Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy. Viele Europäer und Amerikaner hätten anlässlich des Irak-Kriegs wieder gute Seiten am Imperialismus entdeckt, so Roy in ihrer Rede. Zur
Bekämpfung dessen, was sie das amerikanische "Imperium" nennt, machte sie einen konkreten Vorschlag:

"Wir wählen zwei amerikanische Unternehmen aus, die von der Zerstörung des Irak profitiert haben. Wir veröffentlichen eine Liste ihrer Niederlassungen in aller Welt. Wir veröffentlichen eine Liste mit all den Projekten, an denen sie arbeiten. Und wir machen sie dicht! Ich glaube, das müssen wir tun! Es ist die Frage, wie wir unsere versammelte Klugheit auf ein Projekt konzentrieren. Das Projekt des neuen amerikanischen Jahrhunderts versucht, Ungleichheit aufrecht zu erhalten und amerikanische Hegemonie um jeden Preis herzustellen. Das Weltsozialforum fordert Gerechtigkeit
und Überleben. Unter diesen Umständen müssen wir einsehen: Wir befinden uns im Krieg!"

Das Weltsozialforum wird eine derartige "Resolution" nicht
beschließen können, dafür hat es als reine Diskussions-Plattforum keine Gremien. Aber der Tonfall wird härter. Das Treffen in Bombay geht noch bis zum kommenden Mittwoch (21.1.04).