Deutsche Leichtathleten fit für Olympia
30. August 2015Die deutschen Leichtathletik-Asse ziehen eine positive Bilanz der Weltmeisterschaften in Peking und blicken zuversichtlich in Richtung Olympische Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro. Auf drei Top-Stars war Verlass, viele Youngster überzeugten, und bald will auch Diskuswerfer Robert Harting wieder angreifen. Trotz der immer stärker werdenden internationalen Konkurrenz macht Peking Mut. "Die Mannschaft hat sich hervorragend und entschlossen präsentiert. Jeder wollte den maximalen Erfolg", sagte Sportdirektor Thomas Kurschilgen.
Das deutsche Team verlässt China mit einem neuen Geist und bester Laune, schließlich haben neben den absoluten Leistungsträgern wie den gewohnt starken Kugelstoßern David Storl (Silber) und Christina Schwanitz (Gold) sowie Stab-Überflieger Raphael Holzdeppe (Silber) auch junge, frische Gesichter ihren Durchbruch auf der ganz großen Bühne geschafft. Und endlich hatten auch die so viel und so oft gescholtenen deutschen Läufer etwas zu feiern.
Emotionale Höhepunkte
Gesa Felicitas Krause holte ebenso sensationell Bronze über 3000-Meter-Hindernis wie Cindy Roleder Hürden-Silber. Die Auftritte gehörten zu den emotionalen Höhepunkten für das deutsche Team. "Das ist sicher ein Signal für die deutsche Laufszene", sagte Cheftrainer Idriss Gonschinska, der sich dadurch auch für die Zukunft positive Effekte erhofft: "Erfolg fördert Erfolg." Den goldenen Schlusspunkt setzte dann noch Speer-Königin Katharina Molitor.
Zwar reichte es mit den acht Medaillen (zweimal Gold, je dreimal Silber und Bronze) nur für Platz sieben in der Nationenwertung, aber mehr als zwei Dutzend Platzierungen unter den Top-Acht sprechen für die hohe Leistungsdichte im Team. "Der Wettbewerb wird enger, die klassischen europäischen Disziplinen gibt es nicht mehr", sagte Gonschinska: "Wir werden unsere Schlüsse ziehen und uns für Brasilien etwas einfallen lassen."
Frust über Doping-Enthüllungen
Auch das offenbar massive Doping-Problem habe ein besseres Abschneiden verhindert. "Wir bewegen uns im Spitzensport auf einem Weg, wo Leistungen scheinbar immer weniger manipulationsfrei erbracht werden", sagte Kurschilgen: "Das hindert die fairen und sauberen Sportler daran, den verdienten Lohn ihrer Arbeit in Form von Finalplatzierungen und Medaillen entgegen zu nehmen." 2013 in Moskau hatte der DLV über sieben Medaillen gejubelt - davon vier in Gold.
Die Enthüllungen über systematisches Doping in Kenia und Russland erschütterten vor und während der WM die Leichtathletik. Während die Ostafrikaner in Peking mit neuen Gesichtern wie Speer-Sensation Julius Yego glänzten und sogar erstmals die erfolgreichste Nation waren, erlebte Russland ein Jahr vor Olympia in Rio ein historisches Debakel.
Kenia sieht kein Dopingproblem
Die Zeiten, in denen Kenianer nur in eindimensionalen Lauf-Entscheidungen Medaillen hamsterten, scheinen vorbei. Zwar beherrschte Kenia weiterhin alte Domänen wie beim Vierfach-Erfolg über 3000-Meter-Hindernis, feierte aber auch Überraschungs-Coups wie den Speer-Sieg durch Yego und den 400-Meter-Hürden-Triumph von Nicholas Bett. Allerdings ging auch der Tiefpunkt der Titelkämpfe auf die Kosten Kenias: Joyce Zakary (400 Meter) und Koki Manunga (400-Meter-Hürden) sorgten für positive Dopingtests der WM.
Die Kenianer neigen weiterhin dazu, ihr riesiges Dopingproblem zu verharmlosen. Seit 2012 wurden über 30 Athleten gesperrt, Manipulation und Vertuschung - das zeigten auch die neuen Berichte der ARD - scheinen systematisch betrieben zu werden. Die Russen, in den Doping-Enthüllungen der vergangenen zwölf Monate mindestens genauso schwer belastet wie Kenia, erlebten in Peking einen beispiellosen Absturz. 17 Medaillen hatten sie 2013 bei der Heim-WM in Moskau geholt, diesmal waren es gerade einmal vier - ein historischer Tiefstand.
Und immer wieder Bolt
Dennoch resümierte DLV-Cheftrainer Gonschinska: "Wir haben hier tolle Tage erlebt." Wie außergewöhnlich hoch das sportliche Niveau bei diesen Weltmeisterschaften teilweise war, machte am letzten Wettkampf-Wochenende noch einmal der Samstag deutlich. Da gewann Superstar Usain Bolt mit der jamaikanischen 4x100-Meter-Staffel den elften WM-Titel seiner Karriere. Da verteidigte der deutsche Zehnkämpfer Rico Freimuth mit einem quälenden Schlussspurt seine Bronzemedaille und gratulierte dem US-Amerikaner Ashton Eaton danach zu WM-Titel und Weltrekord. Und da holte Mo Farah eine Woche nach seinem 10.000-Meter-Sieg auch noch Gold über 5000 Meter. Für den britischen Langstrecken-Star war das bereits das dritte "Double" in Serie nach den Olympischen Spielen 2012 und der WM 2013.
Während der Großteil des deutschen Leichtathletik-Teams im "Vogelnest" von Peking seine Leistung brachte und topfit war, gab es doch auch einige Aussetzer. Die deutsche Rekordhalterin Silke Spiegelburg scheiterte in der Stabhochsprung-Qualifikation, 7-Meter-Springerin Sosthene Moguenara schaffte es nicht ins Weitsprung-Finale. Und die ehemalige Weltrekordlerin Betty Heidler wurde trotz hoher Erwartungen nur Hammer-Siebte.
Und neben den erfrischenden Auftritten von Marie-Laurence Jungfleisch im Hochsprung (Sechste mit 1,99 Meter) oder Kristin Gierisch im Dreisprung (Achte mit 14,25 Meter) gehört es auch zur Wahrheit, dass in 17 von 47 Entscheidungen deutsche Athleten wegen Chancenlosigkeit nicht einmal am Start waren. Und von 30 Athleten, die in Vorkämpfen antraten, scheiterten 18 in Runde eins.
Optimistisch nach Rio
Für die ganz großen Erfolge braucht der DLV nach wie vor seine ganz großen Stars. Und 2016 in Rio will auch der entthronte Diskus-Weltmeister Harting nach seinem Kreuzbandriss wieder ganz oben mitmischen. "Ich hab Bock aufs Challengen", sagte Harting in seiner typischen Art dem Sport-Informationsdienst (SID): "Ich bin ehrgeizig. Ich will werfen - und auch weit werfen."
Auch der neue "Geist von Peking" macht Hoffnung. "Natürlich sind wir alle Individualsportler, aber der Spirit im Team bei einer so großen Meisterschaft ist extrem wichtig", sagte Raphael Holzdeppe dem SID: "Wenn man ins Stadion kommt und weiß, dass alle auf der Tribüne mit fiebern, treibt einen das nach vorne. So einen Geist kann man nicht erzwingen, das muss sich entwickeln. Man merkt bei uns, dass sich jeder wohlfühlt."
ck/to (sid, dpa)