Die digitale Uni
11. Dezember 2012Stephanie Rudolph sitzt in ihrem schmalen Büro im Institut für Ökologie der Frankfurter Goethe Uni und schaut auf den Bildschirm. Vor ihr tut sich eine ganz eigene bunte Welt auf: Feuerrote Becher, ockerfarbene Eier und schwammfaserige Gebilde. Alles Fotos von Pilzen auf der Startseite ihrer Lernplattform "Pilze für Einsteiger". Die Diplom-Biologin hat das E-Learning-Modul selbst entwickelt. Und zwar mit gutem Grund. "Die Idee kam vor allem, weil ich mir im Grundstudium nicht vorstellen konnte, mit Pilzen zu arbeiten", erzählt Stephanie Rudolph.
"Es gibt nur wenig Vorlesungen dazu und so viele Fachbegriffe, dass es die Leute erst mal erschlägt." Mit dem E-Learning-Modul will die Studentin ihren Kommilitonen Lust auf die Fachrichtung Mykologie - die Wissenschaft der Pilze - machen, die für sie mehr sind als "ein Stiel mit Hut". Studierende können neben den Digitalfotos verschiedener Pilze auch durch deren Systematik und Entstehungsgeschichte surfen, Fachbegriffe und Erklärungen anklicken und in einem Quiz ihr eigenes Wissen testen.
Kein Ersatz für Vorlesungen
Mit der Lernplattform, so meint die Frankfurter Mykologie-Professorin Meike Piepenbring, können Studenten ihre Vorlesungen besonders gut vor- oder nachbereiten. Daher unterstützt sie das digitale Projekt ihrer Doktorandin. Ersetzen soll es die Vorlesung aber nicht. Genau so stellt sich auch die Leiterin der zentralen E-Learning-Einrichtung "studiumdigitale" an der Frankfurter Goethe-Uni die ideale Lehre vor: als ein Zusammenspiel von herkömmlichen und digitalen Lern- und Lehrmethoden.
Mit ihrer E-Learning-Zentrale ist die Frankfurter Goethe-Uni längst keine Ausnahme mehr. Viele deutsche Hochschulen wollen den Lehrenden dabei helfen, E-Learning technisch und didaktisch sinnvoll anzuwenden. Nur leider würden die Möglichkeiten, die neue Medien bieten, weder von den Dozenten noch von den Studierenden ausgeschöpft, beklagt Claudia Bremer von "studiumdigitale". Anders als in den USA, wo multimediales Lernen schon selbstverständlich eingesetzt wird, nutzen es an der Goethe-Uni in Frankfurt nicht einmal ein Viertel der Dozenten.
Multimediale Scheu
Professoren fehle neben dem didaktischen Verständnis oft auch der technische Zugang zu den digitalen Lernhilfen, erklärt Bremer. Studierende wiederum beteiligten sich noch viel zu selten daran. "Sie fragen sich, warum sie dort hineinschreiben sollen, wenn sie ihre Kommilitonen und den Dozenten doch jede Woche sehen.“ Allerdings sei auch nicht jedes Fach für eine so anschauliche Lernhilfe wie "Pilze für Einsteiger" geeignet, räumt Bremer ein. In den Geistes- und Sozialwissenschaften beispielsweise macht ein Frage- und Antwortquiz nach Ansicht des Frankfurter Geschichtsdozenten Peter Gorzolla keinen Sinn.
Er will seine Studierenden vielmehr zum kritischen Nachdenken anregen und hat in einem Online-Forum zur Gruppendiskussion eingeladen - jedoch mit einer erstaunlichen Reaktion der Studenten. "Sie sind es entweder nicht gewohnt oder sie wollen einfach keine Beiträge für ihre Kommilitonen schreiben", wundert sich Gorzolla. Die Studenten seien vielmehr ganz stark darauf ausgerichtet, ihre Antworten nur an den Dozenten zu formulieren. Beim multimedialen Lernen gebe es folglich dringenden Nachholbedarf, betont der Geschichtsdozent. "Und zwar auf beiden Seiten, nicht nur bei den Dozenten."