Gül polarisiert das Land
15. August 2007
Der türkische Außenminister Abdullah Gül beharrt drei Wochen nach dem Wahlsieg seiner islamisch-konservativen Partei AKP auf einer neuen Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten. Nach seiner offiziellen Nominierung versuchte er am Dienstag (14.8.07) in Ankara, Sorgen der Opposition wegen einer schleichenden Islamisierung zu zerstreuen. Er versprach, die Demokratie zu schützen und die Trennung von Staat und Religion zu wahren. "Ich werde arbeiten, um die Vision von Mustafa Kemal Atatürk, dem Gründer der türkischen Republik, zu schützen", sagte er vor Journalisten. Eine Machtprobe um seine Kandidatur hatte die Türkei im April und Mai in eine schwere politische Krise gestürzt.
Trotz der beschwichtigenden Worte will die größte Oppositionspartei der Türkei die Präsidentenwahl boykottieren. Die Abgeordneten der Republikanischen Volkspartei CHP würden am Montag (20.8.) nicht im Parlament erscheinen, erklärte die Republikanische Volkspartei (CHP) am Dienstag.
Quorum erfüllt - Protest wirkungslos?
Die CHP ist gegen die Kandidatur des islamisch geprägten Außenministers Abdullah Gül für das Amt und hat deswegen bereits im Mai die Präsidentenwahl boykottiert. Anders als damals, hat die religiös-konservative Regierung inzwischen aber auch ohne die Sozialdemokraten die Chance, ihren Kandidaten durchzubringen. Die zweite Oppositionsfraktion, die nationalistische MHP, hat eine Teilnahme an der Wahl bereits zugesagt. Damit wäre das Quorum von zwei Dritteln der Abgeordneten erfüllt.
Die CHP versteht sich wie das Militär als Hüterin der strikten Trennung zwischen Religion und Staat, die Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk festgeschrieben hat. Die säkulare Elite wirft Gül und Ministerpräsident Tayyip Erdogan vor, die Türkei schleichend zu islamisieren. Die nationalistische MHP ist bei der vorgezogenen Wahl im Juli ins Parlament eingezogen, die wegen der Krise um Güls Kandidatur angesetzt worden war.
Erste Kandidatur an Protesten gescheitert
In einem ersten Anlauf war es Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nicht gelungen, Gül vom Parlament zum Staatschef wählen zu lassen. Die Wahl Güls war am Widerstand der Armeeführung und der laizistischen Opposition gescheitert, die einen weiteren Machtzuwachs der Regierungspartei AKP zu verhindern suchen. Nach Drohungen der Militärführung und einem Boykott der Opposition hatte das Verfassungsgericht den ersten Wahlgang annulliert und zur Auflage gemacht, dass bei der Wahl des Staatspräsidenten mindestens zwei Drittel der Abgeordneten (367) anwesend sein müssen.
Erdogan und seine AKP-Partei hatten bei den Neuwahlen zum Parlament, die als Ausweg aus der Krise ausgerufen worden waren, im Juli fast 47 Prozent der Stimmen bekommen. Ministerpräsident Erdogan bekräftigte danach den Europakurs seines Landes. Seine Regierung werde "entschlossen an der Verwirklichung des Zieles EU(-Beitritt) weiterarbeiten" und dafür wirtschaftliche Entwicklung und demokratische Reformen vorantreiben. (vem)