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Die Flüchtlinge und die Frage nach dem Geld

Klaus Ulrich3. September 2015

Mit den Flüchtlingszahlen steigen auch die Kosten. Das schürt Vorurteile. Doch gemessen am gesamten Bundeshaushalt sind die Ausgaben gar nicht so groß - und die Diskussion darüber ist absurd.

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Schild mit der Aufschrift "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" an einem Behördengebäude (Foto: picture alliance/dpa/C. Rehder)
Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

"Zahlen gegen Vorurteile" betitelte die "Süddeutsche Zeitung" in dieser Woche ihren Faktencheck zur Einwanderung. Danach habe der Bund 2013 rund 1,5 Milliarden Euro für Asylbewerberleistungen ausgegeben. Zugrunde gelegt, dass Länder und Kommunen 12.500 Euro pro Jahr und Flüchtling ausgäben, könnten es bereits 2015 zehn Milliarden Euro werden. Diese Zahl erscheine aber im Vergleich zum gesamten Bundeshalt von über 301 Milliarden Euro gar nicht mehr so groß, denn sie mache lediglich 3,31 Prozent aus.

Allerdings hält Bundessozialministerin Andrea Nahles für Lebensunterhalt, Spracherwerb und Qualifizierung von Flüchtlingen im kommenden Jahr 1,8 bis 3,3 Milliarden Euro zusätzlich für nötig. Diese Kosten würden auf rund sieben Milliarden Euro im Jahr 2019 steigen, sagte die SPD-Politikerin. Viele der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen kämen im kommenden Jahr in die Arbeitsvermittlung.

Austausch mit dem Finanzminister

Mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe sie sich bereits ausgetauscht. "Das sind meine Bedarfsanmeldungen", sagte Nahles. Der Finanzminister sei nicht aus allen Wolken gefallen. Grundsätzlich bestehe in der Bundesregierung Einigkeit über die Größe der Aufgabe und den Leistungsbedarf. In den anstehenden Haushaltsberatungen würden nun die Weichen gestellt.

Bundessozialministerin Andrea Nahles (Foto: picture-alliance/dpa/S. Hoppe)
Sozialministerin Nahles rechnet mit zusätzlichen Ausgaben in MilliardenhöheBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Zwischen 240.000 und 460.000 zusätzliche Leistungsberechtigte im Bereich des Sozialgesetzbuches II werde es 2016 geben - also in Deutschland anerkannte Menschen, die noch keine Arbeit gefunden haben oder nicht dazu in der Lage sind. 175.000 bis 335.000 dürften laut der Prognose erwerbsfähig sein.

Arbeitsagentur rechnet mit Ansturm

Für 2019 geht Nahles von einer Million Menschen aus, die Leistungen bekommen könnten. Abhängig sei die Entwicklung unter anderem davon, wie viele Familienmitglieder nachkommen und wie groß der Vermittlungserfolg der Bundesagentur für Arbeit (BA) sei. Die Prognose beruht auf der Annahme von jährlich 800.000 ankommenden Flüchtlingen und Anerkennungsquoten von 35 bis 45 Prozent.

Auch die BA rechnet mit einem Ansturm von Flüchtlingen auf die Job-Beratungsstellen im kommenden Jahr, wie sie in Nürnberg mitteilte. Im Juli seien 161.000 Menschen aus den zehn wichtigsten Asylzugangsländern der letzten zehn Jahren arbeitslos gewesen. "Wir werden davon auch etwas haben", betonte Nahles, "denn wir sind auf Zuwanderung angewiesen." Schon gebe es vielerorts einen spürbaren Mangel an Fachkräften. "Die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, sollen schnell Nachbarn und Kollegen werden."

Mehr Mittel für Integration

Nahles forderte schnelle Klarheit über mehr Mittel für die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, so dass die BA ihre Anstrengungen flächendeckend ausbauen kann. So brächten die Integrationskurse für anerkannte Asylbewerber bei weitem nicht genügend Deutschkenntnisse. Sprachkurse müssten stark ausgeweitet und perspektivisch vollständig aus Bundesmitteln finanziert werden. Ausreichende Deutschkenntnisse sind für Asylbewerber der entscheidende Schlüssel zum Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt.

Die SZ verweist in ihrem Faktencheck auf eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die diese im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat. Danach entlasteten in Deutschland lebende Ausländer den Sozialstaat in Milliardenhöhe. Laut Studie sorgten im Jahr 2012 die rund 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass hierzulande für einen Überschuss von insgesamt 22 Milliarden Euro.

"Suspekte Kosten-Nutzen-Rechnung"

Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik, die seit mehr als 50 Jahren Bundesregierung und Wirtschaft berät, warnt allerdings vor einer "Kosten-Nutzen-Rechnung" im Zusammenhang mit Flüchtlingsfragen: "Sollen wir sagen, wenn der Flüchtling uns einen Nettogewinn von beispielsweise 2000 Euro pro Jahr bringt, dann nehmen wir den auf und ansonsten nicht? Mir ist die ganze Debatte ausgesprochen suspekt."

Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik (Foto: privat)
Steffen Angenendt hält die Kosten für schwer bezifferbarBild: privat

Angenendt betont im Gespräch mit der DW, dass es extrem schwierig zu beziffern sei, was Flüchtlinge kosten und welchen eventuellen Arbeitsmarktbeitrag oder sonstigen Ertrag sie erbringen könnten. "Da hatten wir vor kurzem eine sehr intensive Debatte zwischen verschiedenen Ökonomen, die zu völlig unterschiedlichen Zahlen kamen - alleine schon für Migranten." Für Flüchtlinge sei eine solche Berechnung noch schwieriger.

Natürlich müsse man versuchen, die Flüchtlinge so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu bekommen, sagt der Wissenschaftler. "Aber wir müssen auch sehen, dass wir die Menschen ja nicht aufgenommen haben, weil sie Arbeitskräfte sind, sondern weil sie schutzbedürftig sind. Und das muss ganz oben stehen."