Die Motofahrerin von Kigali
9. März 2015John Bajeneza ist auf einem Motorradtaxi unterwegs in Ruandas Hauptstadt Kigali. Eigentlich alltäglich für den Hotelmanager. Doch heute wird er von einer Frau gefahren. Und das ist überhaupt nicht alltäglich. Claudine Nyanamajambere ist 40 Jahre alt und die einzige Fahrerin eines solchen "Motos" in ganz Kigali, die einzige Frau in einer Männerdomäne. Das mache ihr die Arbeit aber nicht schwerer, erzählt sie. "Die meisten meiner Kunden sind Männer. Wenn ich mit den anderen Fahrern auf Fahrgäste warte, dann wählen die Männer lieber mich aus. Sie hören meine Stimme und sie kommen zu mir. Ich bringe sie sicher ans Ziel." Übergriffe oder andere Schwierigkeiten mit männlichen Kunden habe sie nicht erlebt.
Vom Fahrradtaxi zum Motorradtaxi
Es herrscht Feierabendverkehr in der ruandischen Hauptstadt. Autos schieben sich durch die Innenstadt und stauen sich an Kreuzungen. Das kleine afrikanische Land wächst schnell und überall wird gebaut. Das bremst den Verkehr zusätzlich aus. Claudine schlängelt sich durch die aufgestauten Autoreihen. Seit vier Jahren ist sie auf Kigalis Straßen als Motofahrerin unterwegs. Eine bewusste Entscheidung sei das nicht gewesen, sagt sie. "Ich habe lange erfolglos versucht, einen Job zu finden. In meinem Heimatdorf bin ich bereits Fahrradtaxi gefahren. Also habe ich den Motorradführerschein gemacht und das hat mich motiviert, Motofahrerin zu werden."
Immer wieder muss Claudine plötzlich bremsen. Autofahrer scheren unerwartet aus oder bremsen abrupt. Immerhin: In Ruanda besteht Helmpflicht für Motofahrer und ihre Passagiere. Motofahren ist nicht ungefährlich, Unfälle sind an der Tagesordnung. Aber im weitläufigen Kigali sind Motorräder einfach das schnellste Verkehrsmittel. Mehr als 5.000 Motorradtaxis sind in der Stadt unterwegs. Egal wo man ist: ein Moto findet man immer schnell. Busse sind unzuverlässig und Taxis deutlich teurer und langsamer.
Ein Beruf für mehr Gleichberechtigung
Ob nun Männer oder Frauen die besseren Motofahrer sind, das ist bei ihren männlichen Kollegen kein Thema: "Ich finde es gut, wenn Frauen Moto fahren und so Geld verdienen. Am Ende ist es ja nur eine Frage der Erfahrung, wie gut jemand fährt ", sagt der Fahrer Jean de Dieu Nikarionza. Und sein Kollege Jean Paul Aimana fügt hinzu: "Es ist ein Job wie jeder andere auch, den kann auch eine Frau machen. Ich finde, dass mehr Frauen Moto fahren sollten!"
In Ruandas Parlament sitzen mehr Frauen als Männer, Frauen sind auf allen Regierungsebenen vertreten und auch bei der Schulbildung setzt sich die Regierung für Chancengleichheit ein. Trotzdem gilt Claudine als inoffizielle Frauenrechtsbeauftragte: "Meine weiblichen Passagiere sagen, dass ich etwas für die Frauen tue. Dadurch, dass ich Moto fahre, trage ich etwas zur Gleichberechtigung in der Gesellschaft bei."
Ein Einkommen für die Familie - und vielleicht ein bisschen sparen
Für Claudine geht es aber am Ende gar nicht darum, dass sie die einzige Frau ist, die Moto fährt. Für sie stehen ganz pragmatische Interessen im Vordergrund: "Ich brauche das Geld für meine Familie. Mein Mann hat gerade keine Arbeit und wenn ich dann noch etwas sparen kann, freue ich mich."
John Bajeneza hat die fünfminütige Fahrt auf Claudines Moto von der Innenstadt in den Stadtteil Kimihurura umgerechnet etwas mehr als einen Euro gekostet.
"Es war das erste Mal, dass ich von einer Motofahrerin gefahren wurde", sagt der Hotelmanager. Und er gibt zu: "Als Mann denkt man schon, dass eine Frau das vielleicht nicht so gut kann. Anfangs hatte ich etwas Angst, aber am Ende habe ich gesehen, dass sie eine gute Fahrerin ist."