Mosambiks mysteriöse Terrorserie
20. Oktober 2018Bis vor einem Jahr war Cabo Delgado, Mosambiks nördlichste Provinz, vor allem bekannt für seine idyllischen Strände unter Kokospalmen. Doch seitdem kommen immer wieder verstörende Nachrichten aus der Provinz: Unbekannte greifen Polizeistationen an, fackeln Fahrzeuge und Hütten ab, schießen mit automatischen Waffen um sich und zerstückeln Menschen mit Machetenhieben.
90 Tote und mehr als 60 Verletzte zählt die mosambikanische Polizei seit Oktober 2017, als die Anschlagsserie ihren Anfang nahm. Doch kurioserweise gab es bis heute kein einziges Bekennerschreiben, keine Forderungen, nichts.
Anfangs nannten die lokale Bevölkerung die Terroristen "Al Shabab" (arabisch für "Die Jugend"), da es sich bei den Angreifern wohl mehrheitlich um Moslems handelte. Das löste spontan Assoziationen zur somalischen Islamistengruppe gleichen Namens aus. Verbindungen zwischen beiden Gruppen sind aber nicht belegt und gelten inzwischen als weitgehend ausgeschlossen.
Kriminelle Gruppen
"Ich glaube, dass wir es hier mehr mit Terror und Kriminalität zu tun haben als mit einer politischen Handlung, bei der sich die Gewalt gegen den Staat richtet und bei der es klare Forderungen gibt", sagt Calton Cadeado. Er unterrichtet am mosambikanischen Institut für internationale Beziehungen ISRI Friedens- und Konfliktforschung.
Gäbe es einen klaren politischen oder islamistischen Hintergrund, dann müssten nach 12 Monaten inzwischen Forderungen an den Staat gestellt worden sein. Das ist aber im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen islamistische Terrorgruppen kämpfen, bisher nicht passiert.
Auch Egídio Vaz, politischer Analyst bei der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation IREX, hält eine religiöse Motivation für ausgeschlossen. Er sieht kriminelle Netzwerke hinter den Attacken: "Dieser Konflikt taucht zu einem Zeitpunkt auf, bei dem sich die Regierungen Tansanias und vor allem Mosambiks darum bemühen, die Kriminalität in den Bereichen Wilderei, illegale Minen und illegale Fischerei zu bekämpfen und die Grenzen sowie Flora und Fauna besser zu schützen."
Bisher hätten die Kriminellen im entlegenen Norden des Landes weitgehend unbeobachtet ihren Machenschaften wie dem Schmuggeln von Edelsteinen, Elefanten-Stoßzähnen oder Drogen nachgehen können. Das sei nun vorbei und daher wehre man sich mit Anschlägen gegen die Polizei, so die in Mosambik inzwischen gängigste Erklärung für die mysteriöse Terrorserie.
Wirtschaftsboom multinationaler Unternehmen
Bisher gab es Anschläge nur in der Provinz Cabo Delgado und auch dort nur in den beiden Kleinstädten Mocímboa da Praia und Palma und in den beiden ländlich geprägten Nachbardistrikten Macomia und Nangade.
Auffällig ist, dass die internationalen Konzerne Anadarko, Exxon Mobil und ENI, die um Palma die Förderung der riesigen Gasreserven im Rovuma-Delta vorbereiten, bisher verschont wurden. Konfliktforscher Calton Cadeado hält Anschläge auf die Einrichtungen der Rohstofffirmen auch in Zukunft für wenig wahrscheinlich: "Wenn das passieren sollte, dann nur weil dort Fehler bei der Sicherheit unterlaufen. Denn dabei handelt es sich momentan um die am besten geschützte Zone Mosambiks überhaupt."
Mit ihren geplanten Investitionen im zweistelligen (Dollar-)Milliardenbereich für die Produktion von Flüssiggas (LNG), das später per Schiff nach Asien exportiert werden soll, haben die Gaskonzerne einen wirtschaftlichen Boom in Cabo Delgado ausgelöst. Doch er geht bisher an einem Großteil der dortigen Bevölkerung vorbei, da bei der technisch sehr anspruchsvollen Suche und Förderung des Gases vor allem Spezialisten gesucht werden, die es in der weitgehend armen Region kaum gibt.
Indizien für die Anschläge als politischen Prostest der armen Landbevölkerung gegen die Rohstoffförderung gibt es aber keine. Die Menschen, die sich dagegen wehrten für den Bau der Flüssiggasfabriken umgesiedelt zu werden, haben bisher friedlich demonstriert.
Bringen Gerichtsverfahren mehr Licht ins Dunkel zur Terrorserie?
Die mosambikanische Polizei hat in mehreren Razzien mehr als 200 Terror-Verdächtige festgenommen. Einige mussten mangels Beweise allerdings wieder freigelassen werden.
Seit dem 8. Oktober stehen nun 189 Angeklagte in Cabo Delgado in einem Großverfahren vor Gericht, darunter neben Mosambikanern auch Beschuldigte aus Tansania, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo. Auch wenn die meisten der bisher vor Gericht Vernommenen die Vorwürfe abstreiten, so hofft die mosambikanische Staatsanwaltschaft dennoch, durch das Verfahren mehr Licht ins Dunkel zu bringen.
Doch Analyst Egídio Vaz glaubt, dass sich das Problem womöglich bald von selbst erledigen könnte. Beispiele für das Kommen und Gehen bewaffneter regionaler Gruppen in Mosambik gebe es nämlich genug: "Wenn wir nach der bisherigen Geschichte Mosambiks gehen, dann würde es mich nicht wundern, wenn auch diese Gruppe einfach wieder verschwinden würde."
Mitarbeit: Leonel Matias (Maputo)