Die orangene Revolution, Teil zwei
23. Januar 2005Viele Autofahrer schließen sich dem neuen Trend an und befestigen orangefarbene Bänder an ihre Rückspiegel oder Radioantennen. Im Dezember hatte die wichtigste oppositionelle Partei der Republik Moldawien, die Nationale Christlich-Demokratische Partei, die symbolische Übernahme der Farbe Orange für ihre Wahlkampagne angekündigt.
Der Umschwung im Nachbarland Ukraine soll sich auf die moldawische Republik übertragen und den Christdemokraten bei der Wahl im März 2005 zum Sieg verhelfen.
Warum man in Moldawien oben stehen muss
Eine Woche nach dem Start der Wahlkampagne kam schon der erste Betrugsverdacht gegen die Zentrale Wahlkommission auf. Die Opposition legte offen, dass die Machthaber es mit Hilfe einiger Mitglieder der Wahlkommission erreicht haben, das Wahllogo der kommunistischen Regierungspartei - Hammer und Sichel - auf den Wahlzetteln an erster Stelle zu platzieren.
Ein Detail, das bedeutender ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. In der Republik Moldawien drücken viele Wähler ihren Stempel immer noch auf den ersten Kandidaten der Wahlliste. Eine alte kommunistische Tradition: Der Erste wird schon der Beste sein. Daher auch der juristische Streit zwischen der regierenden Partei und der Opposition. Doch es ist zu erwarten, dass er zugunsten der kommunistischen Machthaber entschieden wird.
Im Falle des Wahlbetrugs
Trotzdem geben sich die Führer der Christlich-Demokratischen Partei - Iurie Rosca, Vlad Cubreacov und Stefan Secareanu - kämpferisch. Gekleidet mit orangefarbenen Krawatten drohten sie Präsident Voronin im Falle eines erneuten Wahlbetrugs mit dem Ukraine-Szenario. "Wir werden gesetzmäßige, friedliche aber entschlossene Maßnahmen ergreifen, um den Rücktritt der Regierung zu bewirken und eine neue Wahlkampagne zu organisieren - dann aber unter gleichen Bedingungen für alle Wahlkandidaten", bekräftigte Rosca.
Die kommunistische Regierung habe die Unabhängigkeit der Justiz abgeschafft und alle Staatsorgane der Kommunistischen Partei untergeordnet, warnte der Oppositionspolitiker.
Vorbilder Ukraine und Rumänien
Die Werbekampagne ist in vollem Gange: Helfer verteilen orangefarbene Kalender, auf dem Oppositionsführer Iurie Rosca zuversichtlich lächelnd neben dem ukrainischen Wahlgewinner Wiktor Juschtschenko abgebildet ist. Der Wahlslogan der Christ-Demokraten erinnert an die Wahlwerbung der rumänischen Opposition, die gerade die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte: "Asa DA!" (So ist´s recht!). Die Abkürzung "DA" - "Dreapta Alegere", auf Deutsch "Die rechte Wahl" - ist dasselbe Buchstabenspiel, das in Rumänien als "Dreptate si Adevar" (Gerechtigkeit und Wahrheit) den Liberalen und Demokraten um den neuen Präsidenten Traian Basescu den Wahlsieg bescherte.
Der Direktor des Vereins für Partizipative Demokratie in Chisinau, Igor Botan, hält einen Einfluss der Stimmung aus den Nachbarländern auf das Wahlergebnis für möglich: "Die oppositionellen Parteien haben das mobilisierende Potenzial der Symbole sofort erkannt und sehr prompt reagiert."
Aus seiner Sicht stehen die Chancen für einen Sieg der Opposition besser als vor vier Jahren - auch wenn die Position der Regierungspartei noch immer stark ist. Doch die Kommunisten fürchten den Verlust der Macht bei den Parlamentswahlen. Denn der Präsident wird vom Parlament gewählt.
Für seine Wiederwahl braucht Voronin die absolute Mehrheit der Abgeordnetenstimmen - mindestens 51 von 101. Nach einer Umfrage eines US-Instituts hätten die Kommunisten jedoch keine Chance, diese Mehrheit im Parlament zu erhalten.
Kein klares Ergebnis
Nur drei Parteien haben überhaupt Chancen, ins Parlament einzuziehen - die Kommunisten, die Christdemokraten und der Zentrums-Wahlblock "Demokratisches Moldawien". Diesem Block werden enge Beziehungen zum Kreml und auch zum separatistischen Regime in der abtrünnigen Region Transnistrien nachgesagt.
Das künftige Parlament dürfte ein Übergangsparlament ohne klare Mehrheiten werden. Unter solchen Umständen wäre eine Präsidentenwahl praktisch unmöglich - es sei denn, die Kommunisten könnten die zögernde Zentrumspartei mit der Zusicherung von Ämtern auf ihre Seite ziehen.