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Die Schwachstellen der neuen Zollunion

3. Dezember 2009

Die Präsidenten von Russland, Kasachstan und Belarus haben ein Abkommen über die Gründung einer Zollunion unterzeichnet. Die russische GUS-Expertin Natalja Charitonowa bewertet die Chancen der Union im DW-Interview.

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Natalja CharitonowaBild: Natalia Kharitonova

Deutsche Welle: Belarus, Kasachstan und Russland haben vor kurzem in Minsk eine Zollunion gegründet. Wird diese neue Union Bestand haben?

Natalja Charitonowa: Die Zollunion wird so lange Bestand haben, wie es die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen erlauben werden, zumindest in der ersten Zeit. Egal welche integrativen Strukturen auch geschaffen werden: für den postsowjetischen Raum ist charakteristisch, dass nur bilaterale Abkommen und Vereinbarungen effektiv sind, vielleicht mit wenigen Ausnahmen. Auch muss man hier die politischen Momente berücksichtigen. Meiner Ansicht nach ist Belarus das schwächste Glied, denn es macht deutlich, die pro-russische und europäische Ausrichtung verbinden zu wollen. Die Gaskonflikte mit Russland haben gezeigt, dass die belarussische Führung in ihrer Politik völlig inkonsequent sein kann. Kasachstan ist konsequenter, obwohl es auch eine Politik der mehreren Vektoren verfolgt.

Welche Ziele, die von den drei Staaten verkündet wurden, sind überhaupt realistisch?

Die Koordination der Außenwirtschaftstätigkeit in dem Umfang, der vorgesehen ist, wird kaum sofort möglich sein. Die Abstimmung der Interessen in konkreten Fragen wird auf jeden Fall Zeit brauchen. Es ist eine Sache, die Dinge zu Papier zu bringen, eine andere jedoch, sie auch umzusetzen. Die Umsetzung soll am 1. Januar beginnen, mit der Einführung einheitlicher Zolltarife. Dann soll am 1. Juli 2010 der Zollkodex in Kraft treten, danach sollen mehrere Abkommen folgen. Es handelt sich hier also um eine schrittweise Umsetzung der Union. Ich halte bei jedem der Schritte Korrekturen für möglich.

Ist die Zollunion auch für andere GUS-Staaten attraktiv? Warum hat beispielsweise Kirgisistan bereits erklärt, beitreten zu wollen?

Zweifelsohne gibt es attraktive Seiten. Aber wenn wir über Kirgisistan sprechen, dann handelt es sich hier um eine rein politische Sache. Man darf nicht vergessen, dass der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew die offensichtlichen Wogen der Unzufriedenheit Moskaus glätten möchte. Bischkek hatte trotz eines Kredits aus Moskau den US-Stützpunkt in Manas weiter genehmigt. Ferner ist Kirgisistan wirtschaftlich sehr von Kasachstan abhängig und möchte im Spiel um die Zollunion einfach mitmischen. Aber eine Beteiligung Kirgisistans werden gegenwärtig weder Moskau noch Astana begrüßen. Zumindest fordern kasachische Experten immer wieder stärkere Kontrollen an den Grenzen der Zollunion zu "unzuverlässigen Nachbarn". Und Moskau hat keinen Grund, Bischkek zu vertrauen.

Welche Schwachstellen hat die neue Zollunion?

Die wirtschaftlichen Schwachstellen einer solchen Integration sind offensichtlich unvollständig abgestimmte Interessen. Das, was für die einen Länder attraktiv ist, kann für andere von Nachteil sein. Experten wissen schon heute, welches Land die Anhebung der Zölle auf Automobile begrüßen und welches Land sie nicht begrüßen wird - beispielsweise Belarus. Mehr oder weniger ist auch klar, dass die russische Metallurgie sich über mehr Konkurrenz aus Kasachstan nicht freuen wird, wo Rohstoffe günstiger sind. Das Projekt hat auch politische Schwachstellen. Im postsowjetischen Raum werden alle supranationalen Vereinigungen traditionell kritisch gesehen, und früher oder später wird das auch hier eintreten. Eines der politischen Risiken ist aus meiner Sicht der Modus, nach dem Beschlüsse zur Zollregulierung gefasst werden. Die Stimmanteile der Teilnehmerstaaten sind wie folgt verteilt: Russland 57 Prozent, Kasachstan 21,5 und Belarus 21,5. Hier können mit der Zeit Reibungen entstehen.

Autor: Vitali Volkov / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Birgit Görtz