Die Silvesternacht von Köln und ihre Folgen
6. Mai 2016Die Diskussion um die Themen Einwanderung, Integration und Umgang mit kriminellen Migranten wurden in Deutschland in einer Art befeuert, mit der die Entscheidungsträger in den Ministerien und Behörden nicht gerechnet haben. In Zahlen drücken sich die Vorkommnisse erst einmal so aus: Das nordrhein-westfälische Innenministerium erfasste 1.527 Straftaten im Zusammenhang mit den Vorgängen am Kölner Hauptbahnhof. Die Ermittlungen ergaben, dass 1.128 Personen, meist Frauen, Opfer von Straftaten wurden. Dabei wurden 626 Sexualdelikte von der Polizei aufgenommen. 153 Personen wurden als potentielle Täter ermittelt, davon waren 149 Ausländer, von denen 68 Asyl beantragt hatten. Ein Großteil der ermittelten Täter stammte aus nordafrikanischen Staaten.
Behörden betreiben Schuldzuweisungen
Verantwortung für die Vorkommnisse will bislang niemand übernehmen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière schob den "Schwarzen Peter" der Kölner Polizei und damit den NRW-Behörden zu. Die Polizeigewerkschaft kritisierte de Maizière, dass die zuständige Bundespolizei im Kölner Hauptbahnhof unterbesetzt gewesen sei. Der Bundesinnenminister wiederum wies den Vorwurf zurück. Einzige personelle Konsequenz war bislang die Ablösung des Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers durch den NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD).
Und der steht immer noch im Fokus der Vorwürfe. Da zunächst nur relativ wenig über das wirkliche Ausmaß der Silvesterübergriffe bekannt wurde, und die Details häppchenweise ans Licht kamen, warf man Jäger schon zu Beginn vor, viel zu zögerlich gehandelt zu haben. Im Laufe der Monate war es ihm zwar gelungen, sich aus der Schusslinie zu bringen, doch haben interne Mails Jäger unter Druck gebracht.
Vorwürfe gegen Ministerium
So sollte nach Informationen eines Kölner Polizeibeamten die "Wichtige Ereignismeldung" (WE) von den Vorgängen der Silvesternacht auf Anweisung des NRW-Innenministeriums storniert werden. Eine WE hat eine hohe Priorität bei den Sicherheitsbehörden. Im Erlass des NRW-Innenministeriums heißt es dazu: "WE-Meldungen ermöglichen dem Innenministerium, beziehungsweise den Landesoberbehörden der Polizei zeitgerechte politische, strategische, aufsichtliche sowie taktische Bewertungen und Entscheidungen".
Es besteht eine Meldepflicht für solch wichtige Ereignisse innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen. Meldepflichtig ist die Polizeibehörde, in deren Verantwortungs- oder Zuständigkeitsbereich sich der Vorfall ereignet hat. Mit der Führungsübernahme durch eine andere sachlich zuständige Polizeibehörde gehen auch die WE-Meldepflichten auf diese Behörde über. Das bedeutet, eine Stornierung ist nicht zulässig. Pikant ist zudem der Vorwurf des Polizeibeamten, dass der Begriff Vergewaltigung angeblich auf Wunsch des Ministeriums gestrichen werden sollte.
Verdacht der Vertuschung
Die Fraktionen von CDU und FDP im NRW-Landtag haben den Verdacht, dass Vorkommnisse unter den Tisch gekehrt werden sollten. Jäger hat dem widersprochen. Es habe von ihm und dem Ministerium keinen Versuch gegeben, Einfluss auf eine WE-Meldung zu nehmen. Unterstützung erhält Jäger von Polizei-Inspekteur Bernd Heinen der nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte, es habe am 1. Januar gar kein Telefonat der Landesleitstelle mit dem Präsidium in Köln gegeben. Lediglich fachliche "Abstimmungsgespräche" zwischen dem Lagedienst des Landeskriminalamts (LKA) und der Kölner Wache sowie zwischen LKA und dem Dienstgruppenleiter des Lagezentrums habe es gegeben. Zur Entlastung Jägers kann das Ministerium zudem anführen, dass die WE-Meldung gänzlich unverändert in den Polizeiapparat eingespeist worden sei.
Verharmlosung der Ausländerkriminalität
Nach Ansicht des CDU-Politikers Armin Schuster betreibe die rot-grüne Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) "politisch beeinflusste Kultur der Verharmlosung und Tabuisierung von Straftaten durch Ausländer". Ob das so stimmt, lässt sich nicht wirklich belegen.
Die Folgen der Übergriffe waren allerdings immens: So wurde eine deutliche Verschärfung des Asyl- und Sexualstrafrechts verabschiedet. Kriminelle Ausländer können schneller abgeschoben werden. Die Stimmung in der Gesellschaft hatte sich weiter aufgeheizt. Vor allem im Osten Deutschlands stieß die Zuwanderung von Kriegsflüchtlingen auf teils offen vorgetragene Vorbehalte. Parteien wie die AfD (Alternative für Deutschland) zogen schnell ihren Nutzen aus den Vorfällen.