Radikale Aktivisten?
14. Dezember 2013Aufregung beim nachmittäglichen Live-Talk des News Radios KARN in Little Rock, der Hauptstadt von Arkansas. State-Senator Alan Clark hat etwas aufgedeckt: Die leitenden Angestellten der Regierung von Arkansas haben sich eigenmächtig eine deftige Gehaltserhöhung genehmigt. Sie soll fast fünfmal über den von Senat und Repräsentantenhaus beschlossenen zwei Prozent für alle Staatsdiener liegen. Die Empörung im Studio ist groß. Der republikanische Senator ist sich mit seinen Mitdiskutanten einig, die allesamt der lokalen Tea Party angehören: Verantwortlich für diesen Misstand sei die Regierung von Arkansas, die von einem demokratischen Gouverneur angeführt wird.
Tea Party mit Sendungsbewusstsein
David Crow diskutiert an diesem Nachmittag mit. Er ist Mitbegründer der Tea Party in Arkansas und stolz auf die Aktionen seiner Mitstreiter, die sich inzwischen bis in Washington Gehör verschafft haben.
"Wir haben die Leute aufgeklärt, wie eine Regierung von einem konservativen Standpunkt aus arbeiten sollte", erklärt er der Deutschen Welle. "Wir müssen es überall so machen. Wenn wir es auf Gemeindeebene schaffen, dann können wir auch die Regierung unseres Staates (Arkansas) beeinflussen. Und wenn das funktioniert, dann haben wir auch Einfluss auf die Regierung in Washington. Und genau darum geht es uns."
Man reibt sich verwundert die Augen: Vom politischen Erbe des einstigen demokratischen Langzeitgouverneurs und späteren Präsidenten Bill Clinton ist hier nicht viel mehr geblieben als der "Bill and Hillary Clinton Airport" und das "Clinton Presidential Center."
Gegen Obama und Obamacare
Präsident Barack Obama ist die bevorzugte Zielscheibe der Tea Party. Ihre Anhänger sind gegen die Bankenrettung, gegen Vorgaben beim Klimaschutz, gegen die Homo-Ehe und gegen Abtreibungsfreiheit. Vor allem aber sind sie gegen hohe Besteuerung und überhaupt gegen viele gesetzliche Vorschriften aus dem fernen Washington. Obamas Gesundheitsreform, die für alle Amerikaner eine Krankenversicherungspflicht mit sich bringt, ist aus Sicht der Tea Party-Aktivisten der Gipfel von staatlichen Eingriffen in die Freiheitsrechte des Einzelnen. "Das trifft schon ziemlich", sagt Tim Jacob der DW. Der Geschäftsmann gehört zwar nicht der Tea Party an, unterstützt aber viele ihrer Ziele: "Das ist nicht so eine Geschichte wie Syrien, wo nur wenige in Arkansas wissen, was da wirklich passiert. Aber wir wissen, wie es uns schmerzt, wenn wir den Arzt, den wir kennen, verlieren und unsere eigene Krankenversicherung nicht behalten können."
Grassroots-Bewegung mit radikalen Ausschlägen
Hausbesuche, Telefonanrufe, E-Mails und Facebook-Aktionen zeigen beispielhaft, wie die Tea Party politische Arbeit organisiert. Sie versteht sich als "Grassroots-Bewegung" und ist in mehr als der Hälfte der Bezirke von Arkansas mit lokalen Gruppierungen präsent. Um die 200.000 Menschen sollen sich nach Schätzungen zur ihr bekennen, in einem Flächenstaat, der mit knapp 3 Millionen Einwohnern dünn besiedelt ist und zum konservativen Bibel-Belt zählt.
In Washington werden ihr bis zu 70 Abgeordnete im 435 starken US-Repräsentantenhaus zugerechnet. Beim jüngsten Haushaltsstreit im September haben sie gezeigt, dass sie in der Lage sind, die Republikanische Partei zu steuern und das ganze Land wochenlang lahmzulegen. Tim Jacob und viele Gleichgesinnte weisen die Verantwortung hierfür jedoch weit von sich und sehen in Präsident Obamas Halsstarrigkeit den Grund für die wochenlange Blockade.
Individuelle Freiheit als höchster Wert
"Ich glaube, die Tea Party reflektiert die Werte der Menschen in Arkansas", sagt Jacob. "Sie sind gegen die Umverteilung von Wohlstand. Sie wollen keine Regierung, die kommt und sagt, was du besitzen darfst, was du zu tun hast, zu welchem Arzt du gehen darfst."
Die Politiker sollen ihren Job machen und sich dann wieder eingliedern in die Gemeinschaft, sagt Bob Porto. Ihm gehörte einst eine erfolgreiche Baufirma, die in Arkansas schöne Häuser baute. Die Banken- und Finanzkrise bereitete dem ein jähes Ende. Porto fühlte sich von Regierung, Parteien und Banken verraten und suchte Verbündete. "Erst war es eine Handvoll von einfachen Bürgern. Und dann wurde es zu einer großen, mächtigen Bewegung", erinnert er sich an den Beginn im Jahre 2009. "Wir nutzten die Social Media, fanden Menschen mit den gleichen Werten aus allen Teilen der Gesellschaft, die frustriert waren. Und dann kam es zu einer ersten Kundgebung auf den Stufen des Capitols in Little Rock. "Mehr als 3000 Menschen nahmen teil. Wir hatten Transparente mit wie 'Das ist unsere Regierung', 'Lasst uns in Ruhe.'" Portos Kritik nimmt auch die Republikaner nicht aus. Beide Parteien sieht er als "zweiköpfiges Ungeheuer mit dem gleichen Körper", abhängig von potenten Lobbyisten.
Rigoroses Vorgehen
Die Aktivisten agieren rigoros, wenn ihnen Abgeordnete und Senatoren nicht passen. Jetzt haben sie sich den republikanischen Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell aus Kentucky, vorgenommen. Sie werfen ihm vor, beim Kampf gegen Obamacare Verrat begangen zu haben, weil er für die Finanzierung der Gesundheitsreform stimmte. McConnell hat sich öffentlich über die rabiaten Methoden der Tea Party beklagt, die vor seinem Privatleben und seiner Familie nicht halt machten.
Bob Porto verteidigt das Vorgehen: "Die Tea Party mag eine Bedrohung für Politiker sein, die nicht mit ihren Werten übereinstimmen. Das ist aber keine schlechte Sache." Schließlich müssten die Volksvertreter immer wieder daran erinnert werden, dass sie gewählt wurden, um den Menschen zu dienen. "Ihre Verpflichtung ist, den Leuten zu folgen, nicht ihrem eigenen Willen", formuliert er seine Vorstellung von Demokratie.
Durchmarsch
Längst hat sich im republikanischen Partei-Establishment Widerstand formiert gegen die immer stärker werdende Tea Party, die an ihren Fundamenten nagt. John Snow, Finanzminister unter Präsident George W. Bush, gibt sich gegenüber der DW kämpferisch.
"Die Antwort ist, sie zu besiegen. Die Geschäftswelt in den USA macht gerade eine konzertierte Aktion, um diese Initiativen zu bekämpfen, die gute, solide Mainstream-Republikaner aus der Bahn werfen. Ich glaube, die Mainstream-Leute werden siegen und die Tea Party wird immer mehr isoliert werden."
Snows republikanischer Parteifreund aus Arkansas, State-Senator Alan Clark, widerspricht dem. "Ich habe eine großartige Beziehung zur Tea Party. Schon in meinem Bezirk habe ich gut mit ihnen zusammengearbeitet. Wir stimmen in fast allem überein."
Natürlich weiß er, dass sich Tea Party und Republikaner bei den anstehenden Midterm-Wahlen im November 2014 gegenseitig kanibalisieren könnten und die Demokraten die lachenden Dritten wären. Doch bei der Tea Party in Arkansas gibt man sich selbstgewiss und mag sich auf derlei taktische Betrachtungen nicht einlassen. Bob Porto und seine Mitstreiter planen den totalen Durchmarsch ihrer Kandidaten. "Auf der nationalen Ebene wollen wir alle Repräsentanten stellen, die uns in Washington vertreten. In Arkansas wollen wir die Mehrheit behalten und den nächsten Gouverneur stellen."