Feier für den Retter
1. Oktober 2006Für David Cameron könnte das Timing nicht besser sein. Eine Woche nach der Abschiedsrede des britischen Premierministers Tony Blair steht der konservative Parteivorsitzende im Mittelpunkt des viertägigen Tory-Parteitags, der am Sonntag (1.10.2006) in Bournemouth begonnen hat. Die Botschaft: Dort die Vergangenheit, hier die Zukunft. Blair hatte Bill Clinton an der Seite, der im vergangenen Jahrhundert US-Präsident war. Cameron zeigt sich mit John McCain, der als möglicher Nachfolger von George W. Bush gilt.
Vom Außenseiter zum Retter
Dank Cameron kann die konservative Partei tatsächlich wieder an eine Zukunft glauben. Erstmals seit 1992 liegen die Tories in Umfragen stabil vor der regierenden Labour-Party. Bei den Kommunalwahlen im Mai erreichten sie das Rekord-Ergebnis von 40 Prozent; Labour stürzte auf 27 Prozent ab.
Dabei galt Cameron, erst seit 2001 im Parlament, bei der Wahl des Parteivorsitzenden vor einem Jahr als Außenseiter. Zu fremd schien der heute 39-Jährige, der sich gern in Jeans und Turnschuhen zeigt, der konservativen Basis. "Die Partei hat sich für einen Führer entschieden, der sie zwar nicht repräsentiert, aber Wahlen gewinnen kann", sagt Stephen Barber, Parteienforscher an der London Metropolitan University.
Sein Credo formulierte Cameron kurz nach seiner Wahl: "Wir müssen unsere Kultur und Einstellung ändern. Wir müssen aussehen, fühlen, denken und handeln wie eine völlig neue Organisation." Der verbreiteten Wahrnehmung der Partei als "nasty Party", als eigennützig und herzlos setzt der dreifache Vater zuweilen populäre Forderungen, zumeist aber Gesten entgegen. Am Freitag (28.9) forderte er, statt der Abgeordneten selber solle ein unabhängiges Gremium die Diäten festlegen. Auf seinem behindertengerechten Haus ließ er ein Windrad und Solarzellen installieren. Jugendliche Kriminelle bräuchten "mehr Liebe", erklärte er zur Überraschung seiner Parteifreunde.
Wohlbefinden als Politikziel
Zuweilen erntet er dafür Spott, etwa, als er sich auf der norwegischen Insel Svalbard über den Klimawandel informierte und für ein Foto einen Schlittenhund umarmte. Nachdem er dem Bruttosozialprodukt (GDP) das Gesamtwohlbefinden (GWB) als ebenso wichtige Größe gegenüberstellte, ätzte die Financial Times, die Leistungen der Nationalelf und das Wetter hätten sicher einen größeren Einfluss auf das GWB als ministeriale Initiativen.
Doch die Wähler mögen ihn und glauben, so zeigen Umfragen, dass er die Tories tatsächlich verändert. Zwar bedient er sich auch klassischer konservativer Themen, etwa indem er als Euro-Skeptiker auftritt und die schnelle Abschiebung von "Hasspredigern" fordert. Doch statt von innerer Sicherheit, Steuersenkungen und Einwanderung spricht er lieber von Umweltschutz und Lebensqualität. Am Jahrestag des 11. September griff Cameron, der den Irak-Krieg 2003 unterstützt hatte, die Labour-Regierung für ihre Nähe zu den USA an und nannte die Bush-Regierung "unrealistisch und simpel". Der Tory-Chef könnte frühestens 2009 Premierminister werden - Präsident Bush wird dann Geschichte sein.
Gegenwind auf dem Parteitag
Cameron habe die Tories in die Mitte gerückt, allerdings sei dies bislang nicht mehr als eine Attitüde, sagt der Parteinforscher Stephen Barber. "Je näher die Wahlen rücken, umso größer wird der Druck sein, ein politisches Programm zu entwickeln - es dürfte so undeutlich wie möglich sein." Dass es Cameron an Substanz fehlt, ist ein häufiger Vorwurf. Der "Economist" mahnte, Cameron müssen noch die "intellektuelle Ernsthaftigkeit" des wahrscheinlichen Blair-Nachfolgers Gordon Brown entwickeln.
Vielen in der Partei geht "Tory Blair" indessen zu weit. Für Unruhe an der Basis sorgt, dass er mehr Frauen und Angehörige von Minderheiten für das Parlament kandidieren lassen will. Auch wenn die Parteitagsregie in Bournemouth für ein harmonisches Bild sorgen dürfte, muss Cameron insbesondere in der Steuerpolitik mit Gegenwind rechnen. Seine Position ist, dass die wirtschaftliche Stabilität an erster Stelle kommt und Mehreinnahmen durch Wachstum zwischen Steuersenkungen und größeren Staatsaufgaben aufgeteilt werden müssen. Eine Gruppe konservativer Abgeordneter will eine Broschüre mit Argumenten für niedrigere Steuern präsentieren.
Doch solange der Vorsitzende erfolgreich bleibt, haben es die Kritiker schwer. "Die Partei ist zurzeit völlig auf Cameron ausgerichtet", sagt Stephen Barber. Die Medien interessierten sich nur dann für die Konservativen, wenn Cameron im Spiel sei. "Die anderen Parteigrößen erhalten keinerlei Aufmerksamkeit."