"Die USA werden sich nicht abschotten"
4. November 2016Deutsche Welle: Herr Mattes, welchen Kandidaten unterstützt die American Chamber of Commerce in Germany?
Bernhard Mattes: AmCham Germany hält sich an Inhalte und Ziele. Egal, ob in Zukunft eine Präsidentin oder ein Präsident die USA führen wird - für uns ist wichtig, dass die Politik Orientierung gibt. Dass sie die Rahmenbedingungen so setzt, damit sich Wirtschaft, Innovationen und der transatlantische Handel entwickeln und weiter wachsen.
Sie geben also vor der Wahl keine Empfehlung ab?
Das ist richtig. Für uns ist der Inhalt entscheidend. Die Präsidentin oder der Präsident hat eine riesige Verantwortung. Für uns und für die Unternehmen ist entscheidend, was die Inhalte der Politik in den nächsten Jahren sein werden.
Ihre Forderung nach mehr Freihandel klingt aber so, als wären Sie gegen einen Präsidenten Trump. Der Kandidat der Republikaner hat sich ja deutlich gegen Freihandel ausgesprochen.
Ja, wir sind eindeutig gegen Protektionismus. Sich nur auf die USA zu konzentrieren, ist für das Land und die dortige Wirtschaft zu kurz gesprungen. Es ist entscheidend, dass freier Handel weiter gefördert wird. Eine Wirtschaft, die protektionistisch geführt wird, lockt keine Investitionen an.
Trump hat auch gesagt, er würde als Präsident aus dem geplanten Freihandelsabkommen mit den pazifischen Anrainerstaaten TPP aussteigen. Und er will alle bestehenden Freihandelsabkommen neu verhandeln lassen. Glauben Sie, er würde das als Präsident auch durchziehen?
Wir werden sehen, was ein Präsident Trump, sofern es dazu kommt, dann tatsächlich macht. Aber entscheidend ist: Alles infrage zu stellen, gibt keine Orientierung. Und gerade jetzt brauchen die Welt, die Menschen und die Wirtschaft Orientierung.
Hillary Clinton, die Kandidatin der Demokraten, ist im Wahlkampf von ihrer früheren Position zum Handel abgerückt. Inzwischen ist sie gegen das transpazifische Freihandelsabkommen TPP. Ist das ein glaubhafter Wandel oder nur Wahlkampf?
TPP hat eine viele Vorzüge. Ein Punkt stört uns aber auch: Das Abkommen enthält keine Vereinbarungen, um Währungsmanipulationen auszuschließen oder zumindest so zu regulieren, dass sie freien Handel und Investitionen nicht behindern. Das sehe ich kritisch. Ansonsten bin ich überzeugt, dass jede US-Administration bemüht sein wird, auch mit dem asiatischen Raum intensiven Handel, Investitionen und Innovationsaustausch zu fördern. Denn letztlich leben die USA davon, dass sie andere Märkte erschließen und US-Firmen dort erfolgreich sein können.
Angesichts der deutlichen Kritik am Freihandel von Trump und angesichts der Kursänderung von Clinton: Kann man davon ausgehen, dass die USA nach der Wahl eine weniger offene Wirtschaftsnation sein werden?
Das glaube ich nicht, ganz im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass sich die USA nicht abschotten werden. Schauen wir uns die Vergangenheit an: Frau Clinton hat als Außenministerin mit allen Nationen zusammengearbeitet. Die Wahlkampfaussagen des Kandidaten Trump, der sich mehr auf das Land USA konzentrieren will, sind da kritischer zu sehen. Die Unternehmen aber agieren alle global. Deswegen brauchen sie eine Politik, die globales Wirtschaften unterstützt.
Auch der Internationale Währungsfonds IWF hat gewarnt, wir sollten die Uhr nicht zurückdrehen bei Freihandel und Globalisierung. Glauben Sie, dass ein Präsident Trump genau das versuchen wird?
Ja, das sind seine Aussagen: America first. Er will freien Handel einschränken und Importe aus anderen Ländern stärker mit Zöllen belegen. Er will auch die Steuern im Land drastisch senken, sagt aber nicht, wie er das finanzieren will. Seine Politik ist meiner Ansicht nach logisch nicht nachvollziehbar.
Warum sagen Sie dann nicht deutlich: Wir als AmCham unterstützen Hillary Clinton?
Ich sage das deutlich: Wir von AmCham unterstützen keinen Kandidaten, wir unterstützen eine Politik. Und zwar eine Politik, die freien Handel, Investitionsstärkung, grenzüberschreitende Innovation und Globalisierung fördert. Das ist es, was die AmCham und ihre Mitglieder wollen.
Angesichts der im Wahlkampf von beiden Lagern geäußerten Kritik am Freihandel: Ist TTIP, das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, faktisch tot?
Davon kann man nicht reden, im Gegenteil. Der Handel zwischen den USA und Europa ist nach wie vor sehr stark, stärker als etwa der Handel der USA mit Asien. Insofern ist eine Weiterentwicklung dieser Partnerschaft von großer Tragweite. Wir müssen uns hier an den Fakten orientieren. Die Öffnung der öffentlichen Auftragsvergabe in den USA ist ein wichtiges Thema für europäische Unternehmen. Der Schutz von Investitionen ist ein wichtiges Thema für US-Unternehmen. Das sind Hürden, die noch zu nehmen sind. Man sollte nicht aufhören, sich intensiv um Ergebnisse zu bemühen, die dann in den jeweiligen Parlamenten diskutiert werden. Das ist absolut ok. Aber wir sollten erst einmal einen Entwurf haben, der dann diskutabel ist.
Der Wahlkampf in den USA wirkt aggressiv, schrill, populistisch und anti-intellektuell. Woran liegt das?
Man kann auf der Welt einen fortschreitenden Populismus beobachten. Das ist eine gefährliche Entwicklung, denn die Welt ist nicht einfacher, sondern komplexer geworden. Wir müssen uns daher auch mit komplexen Tatbeständen auseinandersetzen. Das geht nicht über Populismus und Parolen.
Alle, die Verantwortung tragen, also auch Unternehmerinnen und Unternehmer, habe die klare Aufgabe, sich an der öffentlichen Debatte zu beteiligen. Und zwar mit Fakten, mit Argumenten, mit Details und Beispielen. Es nützt nichts, über ein Freihandelsabkommen in Parolen und Überschriften zu diskutieren. Den Menschen muss klar werden, warum das sinnvoll ist, warum es ihnen nützt.
Aber was sagen Sie auf das Argument, dass durch Globalisierung Produktionskapazitäten ins Ausland verlagert wurden, Arbeitsplätze verloren gingen und die Löhne gesunken sind?
Durch freien Handel sind keineswegs Arbeitsplätze vernichtet worden. Vielmehr sind neue Arbeitsplätze entstanden, ich denke da an die Digitalisierung. Dadurch wird die Arbeit interessanter, aber es gibt auch neue Anforderungen an Arbeitnehmer. Hier nur mit Ängsten zu argumentieren, die nicht durch Fakten belegt sind, gibt keine Orientierung. Wir müssen den Menschen klarmachen, dass es große Vorteile bringt, und diese Vorteile dann auch nutzen. Das ist die Chance der Zukunft.
Bernhard Mattes ist Vorstandsvorsitzender von Ford Deutschland und Präsident der American Chamber of Commerce in Germany (AmCham). Der Verein hat mehr als 3000 Mitglieder und ist eine Interessenvertretung von US-Firmen in Deutschland.
Die Fragen stellte Andreas Becker.