Ein Racheakt, kein Strategiewechsel
18. Januar 2014Dramatische Szenen müssen sich in dem Restaurant abgespielt haben: Gäste suchten Schutz unter den Tischen, als ein Terrorkommando wahllos in die Räume feuerte. Agenturen berichten, dass der Restaurantbesitzer versucht habe, die Angreifer abzuwehren. Vergebens: Auch er ist unter den mehr als 20 Toten, die meisten Angehörige von internationalen Organisationen, aber auch die drei Attentäter sind darunter.
Zur besten Dinner-Zeit, um sieben Uhr am Freitagabend (17.01.2014), zündete einer der drei Talibankämpfer seine Sprengstoffweste und schlug damit eine Bresche in das hochgesicherte Restaurant. Weder die übermannshohen sogenannten "Blast"-Wände noch die Sicherheitsschleuse mit bewaffneten Wächtern konnten die Angreifer aufhalten. Die zwei verbliebenen Terroristen starben erst später in einem Feuergefecht mit Sicherheitskräften vor Ort.
Opfer sind Afghanen wie Ausländer
Der Anschlag auf die beliebte "Taverna du Liban", die "Libanesische Gaststube" im Kabuler Nobelviertel Wazir Akbar Khan ist der bisher schwerste im Schicksalsjahr 2014. Afghanistan soll im April einen neuen Präsidenten wählen, die internationalen Truppen werden bis Jahresende abziehen. Nur ein kleiner Teil soll bleiben, doch Präsident Hamid Karzai ziert sich noch, ein entsprechendes Sicherheitsabkommen mit den USA zu unterzeichnen.
Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass die Taliban nun verstärkt ausländische Zivilisten ins Visier nehmen, um nicht nur das Militär, sondern die gesamte internationale Gemeinschaft aus dem Land zu treiben. Doch "so schrecklich dieser Vorfall auch ist, ich sehe keinen Strategiewechsel", meint Thomas Ruttig, Ko-Direktor des Afghan Analysts Network. Ähnliche Angriffe habe es auch in der Vergangenheit gegeben, "bestimmt zwölf bis 15 Mal in den vergangenen acht Jahren". Außerdem seien auch Restaurants betroffen gewesen, die von Afghanen frequentiert werden. Der schlimmste Anschlag traf im Jahr 2012 ein Ausflugslokal an einem Stausee nahe Kabul. Auch damals kamen über 20 Menschen ums Leben, ausschließlich Afghanen.
Umfassende Sicherheitsvorkehrungen
Und auch die Taliban, um blumige Rhetorik sonst nicht verlegen, beschwören keinen Strategiewechsel. Ein Sprecher teilte mit, es handele sich um eine gezielte Vergeltungsmaßnahme für einen NATO-Luftangriff in der Provinz Parwan, wenige Kilometer nördlich von Kabul. Dort waren nach Angaben eines Mitarbeiters des afghanischen Präsidenten sieben Kinder und eine Frau getötet worden. "Man muss sorgfältig die Sicherheitslage beobachten, aber jetzt von einem Strategiewechsel zu sprechen, das halte ich für etwas zu früh", resümiert auch Nils Wörmer, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Kabul.
Sein Büro liegt nur wenige hundert Meter vom Anschlagsort entfernt. Wörmer konnte die Explosionen deutlich hören, die Scheiben in seinem Büro vibrierten: "Mir war sofort klar, dass etwas passiert ist." Die KAS war aber vorbereitet: "Wir hatten in der vergangenen Woche einen relativ konkreten Warnhinweis, der sich auf unser Stadtviertel bezog, und sind sehr vorsichtig gewesen." Mit Gesprächpartnern hat Wörmer sich daher in seinem gesicherten Büro getroffen. Wie die meisten internationalen Organisationen ist auch die Konrad-Adenauer-Stiftung in Sicherheitsnetzwerke eingebunden. "Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch. Das schließt aber nicht aus, dass so etwas nicht wieder passieren wird." Den afghanischen Kräften sei es aber gelungen, in den vergangenen Monaten viele Anschläge zu verhindern.
Wie sich die internationalen Organisationen auf die angespannte Sicherheitslage in Kabul einstellen, wird sich erst nach vielen Gesprächen, Analysen und Briefings in den nächsten Tagen zeigen. Nils Wörmer von der KAS denkt jedoch nicht ans Aufgeben: "Wir haben hier eine klare Agenda und langjährige Projekte, die ich für sehr sinnvoll erachte. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das, wofür ich hier eintrete mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, lohnt, diese Risiken einzugehen." Thomas Ruttig vom Afghan Analysts Network nimmt aber auch die afghanische Regierung in die Pflicht. Sie müsse mehr tun, um Einrichtungen wie das libanesische Restaurant zu schützen.